Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmer-Bezogenheit der Buchführungspflicht nach § 161 AO

 

Leitsatz (NV)

Die Buchführungspflicht nach § 161 AO bezog sich - im Gegensatz zur Buchführungspflicht nach § 141 AO 1977 - nicht auf den einzelnen Betrieb, sondern auf den Unternehmer als solchen; hatte daher dieser mehrere Betriebe derselben Einkunftsart, erstreckte sich die in einem Betrieb begründete Buchführungspflicht auf alle Betriebe.

 

Normenkette

AO § 161; AO 1977 § 141

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erbte aufgrund Testaments seines 1972 verstorbenen Vaters den . . . ha großen landwirtschaftlichen Hof A. Dafür mußte der Kläger seinen eigenen . . . ha großen Betrieb L auf seinen Bruder übertragen. Die für den Betrieb A bestehende Buchführungspflicht ging auf den Kläger über. Der Kläger führte auch ab 1. Januar 1973 Bücher.

Im November 1972 hatte der Kläger den bisher von seinem Schwiegervater gepachteten landwirtschaftlichen Hof rückwirkend ab 1. Oktober 1972 gepachtet. Dieser Hof mit einer Größe von . . . ha mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden war ein reiner Weidebetrieb. Er war größtenteils an den Landwirt HB unterverpachtet; im übrigen betrieb der Schwiegervater dort eine kleine Ponyzucht.

Das Unterpachtverhältnis mit dem Landwirt HB wurde im Wirtschaftsjahr 1974/75 gelöst. Das Wohngebäude wurde vom Schwiegervater weiterhin bewohnt. Dieser betreute nach den Angaben des Klägers die auf dem Hof gehaltenen Pferde.

Der Kläger veränderte in den folgenden Jahren die Struktur des Hofes A von einem gemischten Betrieb mit Viehhaltung und Ackerwirtschaft zu einem reinen Ackerbetrieb. An Weiden und Wiesen verblieben lediglich . . . ha für die Fohlenaufzucht, der Pferdebestand wurde im übrigen ab dem Wirtschaftsjahr 1976/77 nach H verbracht.

Im Jahre 1977 fand beim Kläger eine Betriebsprüfung für die Wirtschaftsjahre ab der Übernahme des Hofes A bis einschließlich des Wirtschaftsjahres 1975/76 statt. Daß der Kläger in diesen Wirtschaftsjahren auch den Hof H gepachtet hatte, erfuhr der Prüfer dabei nicht.

Bei der Prüfung hatte der Prüfer festgestellt, daß der Kläger verschiedene Zahlungen auf das Konto bei der . . . bank vorgenommen hatte. Die Nachforschungen bei der Bank ergaben, daß dieses Konto auf den Namen des Schwiegervaters lautete, der nach entsprechender Bankauskunft auch die alleinige Verfügungsbefugnis über das Konto hatte. Eine im Jahre 1978 bei dem Schwiegervater durchgeführte Betriebsprüfung ergab jedoch, daß sämtliche Ein- und Auszahlungen dieses Kontos vom Kläger vorgenommen worden waren, darunter eine Bareinzahlung von . . . DM.

Aufgrund dieser Feststellungen teilte der Kläger nunmehr dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) mit, daß die Einzahlung aus dem Verkaufserlös von 30 Tieren stamme, die bis zum Wirtschaftsjahr 1975/76 auf dem gepachteten Hof H geweidet und dann verkauft worden seien. Das FA erfuhr dadurch erstmals von dem Pachtverhältnis H. Es erweiterte ein anhängiges Strafverfahren um diesen Sachverhalt und führte für die Wirtschaftsjahre bis 1975/76 eine Wiederholungs-, für die Wirtschaftsjahre 1976/77 und 1977/78 eine erstmalige Prüfung durch. Bei dieser Prüfung stellte das FA fest, daß der Pachtbetrieb H weder in der Gewinnermittlung für A noch in der für L berücksichtigt und für H auch keine selbständige Gewinnermittlung vorgenommen worden war. Das FA rechnete die Haltung und den Veräußerungspreis der 30 Tiere dem Ergebnis des Betriebs A zu und erhöhte dementsprechend die Gewinne der Wirtschaftsjahre 1974/75 und 1975/76. Da der Kläger seinem Schwiegervater die Wohnung in H überlassen hatte, rechnete das FA ferner den Mietwert dieser Wohnung in Höhe von . . . DM dem Kläger gewinnerhöhend zu, und zwar für die Wirtschaftsjahre 1973/74 bis einschließlich 1977/78.

Hiergegen richtete sich die Sprungklage. Mit ihr trug der Kläger vor, bei H habe es sich um einen selbständigen landwirtschaftlichen Betrieb gehandelt. Er sei in der Gewinnermittlung für A nicht zu berücksichtigen. Vielmehr müsse eine gesonderte Gewinnermittlung erstellt werden. Diese müsse, da für H keine Buchführungspflicht bestanden habe, nach Durchschnittsätzen erfolgen. Erst im Jahre 1976/77 seien die Betriebe A und H verbunden worden; infolgedessen seien ab diesem Wirtschaftsjahr alle Einnahmen und Ausgaben für den Betrieb H in der Buchführung des Betriebs A erfaßt worden.

Der für die Wohnung H eingesetzte Mietwert von . . . DM müsse mit dem Arbeitslohn für seinen Schwiegervater verrechnet werden, falls die Pacht zu H bei der Gewinnermittlung für A zu berücksichtigen sei; denn der Schwiegervater habe in H die geweideten Tiere betreut.

Das Finanzgericht (FG) wies die Sprungklage als unbegründet ab. Es ging davon aus, daß H kein selbständiger Betrieb gewesen sei. Selbst wenn man aber die Selbständigkeit dieses Pachtbetriebs bejahe, hätte sich nach Auffassung des FG nach § 161 der Reichsabgabenordnung (AO) die Buchführungspflicht des Klägers für den Betrieb A auch auf den Betrieb H erstreckt.

Mit der Revision macht der Kläger weiter geltend, daß es sich bei dem gepachteten Weidebetrieb in H um einen selbständigen Betrieb mit eigener Gewinnermittlung gehandelt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Der Kläger ist 1972 durch den Erwerb des väterlichen Betriebs in A, der . . . ha umfaßte und einen Einheitswert von mehr als 200 000 DM hatte, buchführungspflichtiger Landwirt geworden (§ 219 Abs. 2 i.V.m. § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c AO). Er hat auch ab 1. Januar 1973 Bücher geführt und seinen Gewinn durch Vermögensvergleich ermittelt. Es ist in Literatur und Rechtsprechung unbestritten, daß die Buchführungspflicht nach § 161 AO - im Gegensatz zur Buchführungspflicht nach § 141 der Abgabenordnung (AO 1977) - nicht auf den einzelnen Betrieb, sondern auf den Unternehmer als solchen bezogen war. Hatte ein Unternehmer mehrere Betriebe derselben Einkunftsart, bezog sich die Buchführungspflicht auf alle diese Betriebe. Infolgedessen erstreckte sich bei einem Land- und Forstwirt die durch Überschreiten eines Grenzwertes in einem Betrieb einmal begründete Buchführungspflicht auch auf die Gewinnermittlung eines zweiten dem betreffenden Land- und Forstwirt gehörigen land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, bei dem für sich die Grenzen der Buchführungspflicht nicht überschritten worden wären (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 161 AO Anm. 3, und Verfügung der Oberfinanzdirektion Münster vom 9. August 1971 S 1160 a-27-St 31-34, Steuererlasse in Karteiform, Abgabenordnung, § 161 Nr. 21). Allerdings ist in Übergangsregelungen der Finanzverwaltung vom Jahre 1971 und vom Jahre 1976 angeordnet worden, daß bis auf weiteres nur diejenigen Land- und Forstwirte zum Übergang zur Buchführung aufzufordern seien, die nach den Feststellungen des FA für den einzelnen Betrieb die in § 161 AO aufgeführten Grenzwerte überschreiten würden. Durch diese Übergangsregelungen sollte bereits eine Anpassung an die Regelung in § 141 AO 1977 erfolgen (vgl. Ländererlaß vom 26. November 1971 S 1160d - 1 V A 1, Die Information über Steuer und Wirtschaft 1972, 36, und Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 4. Juni 1976, BStBl I 1976, 350). Um diese Frage des Beginns der Buchführungspflicht bei mehreren Betrieben ein und desselben Steuerpflichtigen geht es jedoch im Streitfall nicht.

Geht man davon aus, daß die Buchführungspflicht für einen Betrieb eines Steuerpflichtigen sich auch auf die anderen Betriebe des Steuerpflichtigen mit derselben Einkunftsart erstreckt, so sind die Viehhaltung und der Nutzungswert der Wohnung in dem gepachteten Betrieb H auch dann bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes für den Betrieb A zu erfassen, wenn es sich bei dem Betrieb H um einen gepachteten selbständigen landwirtschaftlichen Betrieb gehandelt hätte. Die Frage der Selbständigkeit dieses Betriebs, auf die der Kläger die Revision allein stützt, ist daher nicht entscheidungserheblich.

Was die Höhe des Nutzungswerts der Wohnung in H betrifft, so hat der Kläger in der Revision dagegen keine Einwände mehr erhoben. Streitig ist daher nur noch die Erfassung dieses Nutzungswerts im Rahmen der Gewinnermittlung aufgrund Buchführung für den Betrieb A. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Die Revision war nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1985, 8

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