Leitsatz (amtlich)

Hat der geschiedene Ehegatte in der früheren ehelichen Wohnung ein möbliertes Zimmer beibehalten, so führt er weder mit seiner geschiedenen Ehefrau noch mit seinen bei der Mutter lebenden Kindern einen gemeinsamen Hausstand. Die steuerlichen Voraussetzungen für die Anerkennung von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung liegen danach nicht vor, wenn er außerhalb des Ortes, an dem sich das möblierte Zimmer befindet, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.

 

Normenkette

EStG 1967 § 9 Abs. 1 Nr. 5; LStDV 1968 § 20 Abs. 2 Nr. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde 1964 von seiner Ehefrau geschieden. Aus seiner Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen. Seit Anfang 1966 ist der Kläger, der sich 1964 gewerbepolizeilich als Grundstücks- und Hypothekenmakler angemeldet hatte, bei der Bundeswehr als Soldat auf Zeit tätig. In seiner Einkommensteuererklärung für 1968 machte der Kläger einen Verlust aus Gewerbebetrieb von 2 744,05 DM und Werbungskosten für Familienheimfahrten in Höhe von 4 185 DM geltend. Außerdem beantragte er einen Freibetrag nach § 33a Abs. 1 EStG wegen monatlicher Unterhaltszahlungen von 400 DM an seine geschiedene Ehefrau. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte die Durchführung einer Veranlagung ab (NV-Fall), weil der Kläger nicht nachgewiesen habe, daß er 1968 noch einer gewerblichen Tätigkeit nachgegangen sei. Ein Lohnsteuer-Jahresausgleich kam nach Ansicht des FA nicht in Betracht, weil weder erhöhte Werbungskosten noch eine außergewöhnliche Belastung vorlägen. Der Kläger sei 1968 in A und B stationiert gewesen. Die von ihm angegebene Adresse in C sei die seiner geschiedenen Ehefrau und seiner Kinder. Hier habe dem Kläger zwar ein möbliertes Zimmer zur Verfügung gestanden. Die zeitweise Benutzung dieses Raumes bedeute jedoch nicht die Unterhaltung eines eigenen Hausstandes. Die Höhe der eigenen Einkünfte der Ehefrau lasse es nicht zu, ihm einen Freibetrag nach § 33a EStG wegen seiner Unterhaltsleistungen zu gewähren.

Auf die Klage des Klägers verpflichtete das FG das FA, den Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1968 durchzuführen und dabei die Aufwendungen des Klägers für Familienheimfahrten als Werbungskosten anzuerkennen. Der Kläger sei außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhalte, beschäftigt und wohne auch am Beschäftigungsort (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG, § 20 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 LStDV). Zwar komme eine doppelte Haushaltsführung in der Regel nur bei Verheirateten in Betracht. Doch sei sie nach der Rechtsprechung des BFH auch bei Unverheirateten nicht ausgeschlossen. Nach den vorgelegten Unterlagen, wie Mietvertrag und Auseinandersetzungsvertrag anläßlich der Ehescheidung, sowie aus den glaubhaften Darlegungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung sei zu schließen, daß der Kläger nach dem Dienstantritt bei der Bundeswehr seinen eigenen Hausstand in der früheren Ehewohnung beibehalten und unterhalten habe. Er habe dort ein eigenes Zimmer mit allen zum Leben notwendigen Einrichtungen und Gebrauchsgegenständen. Der Kläger habe seine Kinder wöchentlich in C besucht und auch die Beziehungen zu seiner geschiedenen Ehefrau nicht völlig abgebrochen. Er sei bestrebt gewesen, an Orten seinen Dienst zu verrichten, die von C nicht allzu weit entfernt seien und habe die Absicht, nach Ableistung seiner Dienstzeit wieder in C geschäftlich tätig zu werden. Danach sei der Mittelpunkt des Lebens des Klägers in C. Der Kläger habe zwar mit seinen Kindern keinen gemeinsamen Haushalt weitergeführt. Für die Anerkennung von Aufwendungen für seine Fahrten nach C als Werbungskosten reiche es aber aus, daß er dort seinen eigenen Hausstand unterhalten und die Reisen unternommen habe, um seine im selben Haus lebenden Kinder zu besuchen. Dieser Sachverhalt unterscheide sich nicht wesentlich von den Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger versetzt und sein Haushalt von nahen Angehörigen weitergeführt worden sei. Dagegen könnte dem Kläger wegen der Höhe der eigenen Einkünfte der geschiedenen Ehefrau kein Freibetrag nach § 33 a EStG gewährt werden.

Mit der auf seine Beschwerde vom FG zugelassenen Revision rügt das FA unrichtige Anwendung materiellen Rechts, nämlich des § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 LStDV). Das angefochtene Urteil weiche auch von der Rechtsprechung des BFH ab. Danach werde ein eigener Hausstand i. S. der gesetzlichen Regelung nur dann unterhalten, wenn der Arbeitnehmer eine Wohnung besitze, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspreche und in der hauswirtschaftliches Leben herrsche, an dem sich der Arbeitnehmer sowohl finanziell als auch durch seine persönliche Mitwirkung maßgeblich beteilige. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der geschiedene Kläger führt in C keinen eigenen Haushalt, so daß die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG nicht gegeben sind. Wie der Senat in seinem Urteil vom 9. November 1971 VI R 285/70 (BFHE 103, 498, BStBl II 1972, 148) ausgesprochen hat, wird ein eigener Hausstand i. S. der gesetzlichen Bestimmung nur dann unterhalten, wenn in einer im Besitz des Klägers befindlichen und für die Erfüllung seiner Lebensbedürfnisse eingerichteten Wohnung hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem sich der Arbeitnehmer sowohl finanziell als auch persönlich maßgeblich beteiligt. Dabei ist im Fall von geschiedenen Eheleuten, die räumlich getrennt, wenn auch in einer Wohnung leben, nicht davon auszugehen, daß sie einen gemeinsamen Hausstand unterhalten. Jeder geschiedene Ehegatte übt vielmehr den Alleinbesitz an den ihm überlassenen Gegenständen und Räumen aus, so daß der Kläger nur Inhaber eines möblierten Zimmers ist. Auch die bei der geschiedenen Ehefrau lebenden Kinder gehören unabhängig von dem weiterbestehenden Verwandtschaftsverhältnis nicht zum Hausstand des Klägers. Die Aufwendungen des Klägers für seine Fahrten nach C können steuerlich daher nicht anders beurteilt werden als die eines ledigen Arbeitnehmers, der nach einer Versetzung oder Abordnung an einen anderen Beschäftigungsort nahe Angehörige an den Wochenden besucht. Fährt ein geschiedener Ehemann zu seinen Kindern, mit denen er keinen eigenen Hausstand unterhält, so handelt es sich um Besuchsfahrten, die der allgemeinen Lebenshaltung (§ 12 Nr. 1 EStG) zuzurechnen sind (BFH-Urteil vom 16. November 1971 VI R 347/69, BFHE 103, 520, BStBl II 1972, 152). Bei dem seit 1966 als Soldat auf Zeit verpflichteten Kläger können im Jahre 1968 auch keine Werbungskosten für gelegentliche Fahrten zur Beaufsichtigung seiner alten Wohnung anerkannt werden, weil diese nur für eine gewisse Übergangszeit zugestanden werden könne, die hier nicht vorliegt (BFH-Urteil vom 19. November 1971 VI R 132/69, BFHE 103, 533, BStBl II 1972, 155).

 

Fundstellen

Haufe-Index 71160

BStBl II 1975, 66

BFHE 1975, 379

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