Leitsatz (amtlich)

Fährt ein lediger Arbeitnehmer, der am Beschäftigungsort ein möbliertes Zimmer bewohnt, jeweils am Wochenende zu seinen Eltern, so sind die Fahrtkosten auch dann nicht als Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung anzusehen, wenn der Ledige minderjährig ist, die Eltern auf den Besuchsfahrten bestehen und der Arbeitnehmer im Haushalt seiner Eltern ein mit eigenen Möbeln ausgestattetes Zimmer beibehalten hat, für das er eine monatliche Miete entrichtet.

 

Normenkette

EStG 1971 § 9 Abs. 1 Nr. 5; LStDV 1971 § 20 Abs. 2 Nr. 3

 

Tatbestand

Der im Streitjahr noch minderjährige Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war 1971 als Justizassistent beim Notariat in X beschäftigt. Dort bewohnte er für eine Jahresmiete von 840 DM ein möbliertes Zimmer. Daneben behielt er sein mit eigenen Möbeln ausgestattetes Zimmer in der Wohnung seiner Eltern bei, für das er 1971 auch 840 DM Miete bezahlt hat. Die Eltern des Klägers verlangten aus erzieherischen Gründen, daß der Kläger die Wochenenden bei ihnen verlebte. Im Lohnsteuer-Jahresausgleich 1971 beantragte der Kläger u. a. die Anerkennung von 4 939 DM für 49 Familienheimfahrten und Verpflegungsmehraufwand von 550 DM als Werbungskosten. Er berechnete dabei für die Hin- und Rückfahrten 2 x 140 km x 0,36 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) erkannte die Aufwendungen für 12 Familienheimfahrten sowie die Zimmermiete in X als Werbungskosten an und lehnte den darüber hinausgehenden Antrag des Klägers ab.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FG gab der Klage statt, mit der der Kläger nur noch die Anerkennung seiner Fahrtaufwendungen als Werbungskosten begehrte. Seine Entscheidung begründete das FG im wesentlichen wie folgt: Nach der Rechtsprechung des BFH hätten unverheiratete Arbeitnehmer, die am Beschäftigungsort ein möbliertes Zimmer bewohnten, zwar in der Regel dort ihre Wohnung. Das könne aber nicht für den minderjährigen ledigen Arbeitnehmer gelten, der auf Verlangen der erziehungsberechtigten Eltern seinen eigenen Hausstand bei den Eltern beibehalten müsse, obwohl er an einem anderen Ort beschäftigt sei. Der Kläger habe über seinen Wohnsitz nicht frei entscheiden können. Unerheblich sei dabei, ob die Eltern einen einklagbaren Anspruch auf die Rückkehr des Minderjährigen an den Wochenenden gehabt hätten. Es könnten danach zusätzlich zu den bereits vom FA anerkannten Kosten für 12 Familienheimfahrten die Aufwendungen für weitere 37 Familienheimfahrten als Werbungskosten anerkannt werden. Dabei sei nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 LStDV 1971 die einfache Fahrstrecke von 140 km anzusetzen.

Mit seiner vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung der §§ 9, 12 EStG, § 20 LStDV. Nach der Rechtsprechung des BFH seien Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung bei einem Unverheirateten nur dann gegeben, wenn dieser vor Aufnahme der auswärtigen Beschäftigung mit einem von ihm finanziell abhängigen Angehörigen einen eigenen Hausstand unterhalten habe, diesen auch nach Aufnahme der auswärtigen Tätigkeit weiterhin unterhalte und die anfallenden Kosten ganz oder überwiegend trage. Selbst die regelmäßige Weiterbenutzung eines mit eigenen Möbeln ausgestatteten Zimmers in der Wohnung der Mutter reiche für die Annahme einer doppelten Haushaltsführung nicht aus. Es sei auch unerheblich, ob der minderjährige ledige Arbeitnehmer das Elternhaus als sein eigentliches Heim ansehe. Der Ansicht des FG, nach der die doppelte Haushaltsführung deshalb anzunehmen sei, weil die erziehungsberechtigten Eltern den Wohnsitz des minderjährigen Klägers bestimmen könnten, sei daher nicht zu folgen. Dem BFH-Urteil vom 19. November 1971 VI R 132/69 (BFHE 103, 533, BStBl II 1972, 155) sei insoweit entsprochen worden, als die Aufwendungen des Klägers für seine Miete am Beschäftigungsort und eine Heimfahrt im Monat als Werbungskosten anerkannt worden seien.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA gegen das in Entscheidungen der Finanzgerichte 1974 S. 256 veröffentlichte Urteil des FG ist begründet.

Das FA hat die Rechtsprechung des Senats zur doppelten Haushaltsführung bei Ledigen zutreffend wiedergegeben. Danach kann bei unverheirateten Arbeitnehmern nur in Ausnahmefällen eine doppelte Haushaltsführung angenommen werden. Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Wie der Senat in seinem Urteil vom 4. August 1967 VI R 261/66 (BFHE 89, 530, BStBl III 1967, 727) ausgeführt hat, ist als Wohnung eines Ledigen auch ein möbliertes Zimmer anzusehen, und zwar unabhängig von der Güte der Einrichtung. Das gilt für volljährige und für minderjährige Berufstätige. Auch ein minderjähriger unverheirateter Arbeitnehmer führt im Haushalt seiner Eltern keinen eigenen Hausstand, selbst wenn er zu den Kosten des elterlichen Haushalts beiträgt und dort ein mit seinen eigenen Möbeln ausgestattetes Zimmer beibehält (BFH-Urteil vom 16. November 1971 VI R 353/69, BFHE 103, 501, BStBl II 1972, 132). Entscheidend ist allein, daß der Arbeitnehmer seine Arbeitsstätte von dem möblierten Zimmer aus aufsucht und nicht von der Wohnung seiner Eltern.

Es kann dahinstehen, ob das Recht der Eltern auf Bestimmung des Wohnsitzes des Minderjährigen (§§ 11, 1631 BGB) dadurch eingeschränkt wurde, daß sie den Kläger zur Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses ermächtigten, mit dem zwangsläufig ein auswärtiger Aufenthalt verbunden war (§ 113 BGB). Es erübrigen sich auch Ausführungen zu den unterschiedlichen Begriffen der Wohnsitzbegründung und Aufhebung nach bürgerlichem und Steuerrecht (§ 7 BGB, § 13 StAnpG). Nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG würde der Kläger nur dann einen doppelten Haushalt führen, wenn er außerhalb seines Beschäftigungs- und Wohnorts einen eigenen Hausstand unterhielte. Diese Voraussetzung ist aber bei ihm nicht erfüllt.

Die Wochenendfahrten des Klägers zu seinen Eltern sind familienrechtlich motiviert und als Besuchsfahrten anzusehen, so daß es an der für den Werbungskostenabzug notwendigen Berufsbezogenheit der Fahrtkosten fehlt (vgl. Urteil vom 14. Februar 1975 VIR 125/74, BStBl II 1975, 607).

Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71430

BStBl II 1975, 606

BFHE 1975, 370

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