Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbeschränkte Steuerpflicht eines in Deutschland stationierten US-Soldaten

 

Leitsatz (NV)

Ein in der Bundesrepublik Deutschland stationiertes Mitglied der US-Streitkräfte ist unbeschränkt steuerpflichtig, wenn es sich in der Bundesrepublik nicht nur als Mitglied der Truppe, sondern auch mit Rücksicht auf seine Eheschließung mit einem in der Bundesrepublik wohnhaften und dort berufstätigen Ehepartner aufhält.

 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 1 S. 1, § 26 Abs. 1 S. 1; NATO-Truppenstatut (BGBl II 1961, 1183) Art. X Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 8

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer (§ 26 b des Einkommensteuergesetzes - EStG -) durchzuführen ist.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Bundeswehroffizier. Er ist seit dem Jahr 1983 verheiratet. Seine Ehefrau ist als Offizier der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) stationiert. Die Eheleute lebten seit 1983 gemeinsam in X (Inland).

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 1985 begehrten der Kläger und seine Ehefrau, zusammen veranlagt zu werden. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) führte für den Kläger dagegen eine Einzelveranlagung gemäß § 25 EStG durch. Zur Begründung führte das FA aus, eine Zusammenveranlagung (§ 26 b EStG) sei nur möglich, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig seien. Die Ehefrau des Klägers sei aber als Angehörige der US-Streitkräfte nach dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19. Juni 1951 - NATOTrStat - (BGBl II 1961, 1183, 1190) nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung im Streitfall vorgelegen hätten. Insbesondere seien beide Ehegatten unbeschränkt steuerpflichtig gewesen. Unbeschränkt steuerpflichtig seien natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Ehefrau des Klägers habe Ende 1983 mit dem Kläger einen gemeinsamen Wohnsitz im Inland begründet. Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat stehe der unbeschränkten Steuerpflicht der Ehefrau nicht entgegen (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Mai 1971 I R 55/69, BFHE 102, 499, BStBl II 1971, 659).

Mit der - vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen - Revision rügt das FA, daß das FG die Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung zu Unrecht bejaht habe. Nach Art. X NATOTrStat seien Mitglieder der Truppe oder des zivilen Gefolges unabhängig von den tatsächlichen Verhältnissen steuerlich so zu behandeln, als ob sie im Inland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hätten. Die Eheschließung und die Begründung einer gemeinsamen ehelichen Wohnung könnten - für sich allein betrachtet - die unbeschränkte Steuerpflicht für beide Ehegatten nicht rechtfertigen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger mit seiner Ehefrau gemäß § 26 b EStG zusammen zu veranlagen ist.

1. Eheleute können die Zusammenveranlagung wählen, wenn sie beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben (§ 26 Abs. 1 Satz 1 EStG).

a) Unbeschränkt steuerpflichtig sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG). Seinen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 8 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der BFH gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, wohnten der Kläger und seine Ehefrau seit Jahren in einer gemeinsamen Wohnung in X; damit hatten sie dort beide ihren Wohnsitz.

b) Dieser Wohnsitz ist ungeachtet des Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat für die Beurteilung der unbeschränkten Steuerpflicht der Ehefrau des Klägers maßgebend.

Nach Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat gelten zwar Zeitabschnitte, in denen sich ein Mitglied der Truppe des Entsendestaats nur in dieser Eigenschaft im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaats aufhält, nicht als Zeiten des Aufenthalts in diesem Gebiet. Bei dem genannten Personenkreis können deshalb die im Aufnahmestaat verbrachten Aufenthaltszeiten einen Wohnsitz im Sinne des § 8 AO 1977 nicht begründen. Handelt es sich dagegen um Personen, die sich nicht ,,nur" als Mitglieder der Truppe (bzw. als Mitglieder des ziviles Gefolges), sondern auch mit Rücksicht auf ihre Eheschließung mit einem im Aufnahmestaat (Bundesrepublik) wohnhaften und dort berufstätigen Ehepartner aufhalten, so kommt die Regelung des Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat nicht zur Anwendung; für diesen Personenkreis gelten vielmehr die in § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG vorgesehenen Regeln für die unbeschränkte Steuerpflicht (BFH-Urteile vom 16. September 1970 I R 2/69, BFHE 100, 102, BStBl II 1970, 869; in BFHE 102, 499, BStBl II 1971, 659, und vom 24. Februar 1988 I R 69/84, BFHE 153, 30; BFH-Beschluß vom 24. Januar 1990 I B 58/89, BFH/NV 1990, 488).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417783

BFH/NV 1992, 373

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