Leitsatz (amtlich)

Bei der Entnahme eines dem Preisstopp unterliegenden Grundstücks kann als Teilwert auch ein höherer als der preisrechtlich genehmigungsfähige Wert angesetzt werden.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 4, 1

 

Tatbestand

Streitig war im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung einer OHG, inwieweit durch die Übertragung eines der OHG gehörenden Grundstücks auf deren Gesellschafter stille Reserven aufgedeckt wurden.

Die OHG, an der drei Gesellschafter mit gleichen Gewinnanteilen beteiligt waren, betrieb im Jahre 1959 ein Unternehmen. In ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1958 stand ein unbebautes Grundstück von 4329 qm mit 11 496 DM zu Buche. Durch notariellen Vertrag vom 21. April 1959 wurde das Grundstück auf die Gesellschafter übertragen. Die OHG wies den Unterschied zwischen dem Buchwert von 11 496 DM und dem sich bei Ansatz des Grundstücks-Stopp-Preises von 5,25 DM/qm ergebenden Wert von 22 727,25 DM, somit 11 231,25 DM als Buchgewinn aus.

Bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1959 ging das FA davon aus, daß das Grundstück mit dem geschätzten Teilwert von 25 DM/qm, d. h. somit mit einem Wert von 108 225 DM entnommen worden sei. Der erklärte Gewinn wurde dementsprechend um 85 498 DM erhöht. Der Einspruch, mit dem die OHG geltend machte, für den Entnahmewert dürfe nicht ein Schwarzmarktpreis, sondern müsse der gesetzliche Stopp-Preis maßgeblich sein, hatte Erfolg. Der Steuerausschuß machte die Gewinnerhöhung rückgängig. Er war der Meinung, bei einer Divergenz zwischen Teilwert und Stopp-Preis gebühre der Preisbindungsvorschrift der Vorrang vor der Bewertungsvorschrift des EStG.

Mit der seinerzeit noch gegebenen Berufung hatte der Vorsteher des FA Erfolg. Das FG ging von dem für Entnahmen maßgeblichen Teilwertbegriff aus (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit Nr. 1 Satz 3 EStG). Den Teilwert bestimme nicht ein tatsächlicher Kaufpreis für das einzelne Wirtschaftsgut Grundstück, sondern der gedachte Wert, den ein Erwerber des gesamten Betriebes dem Grundstück im Rahmen des Betriebsvermögens beimesse. Die Vorschriften über die Preisbindung könnten deshalb bei der Bemessung des Entnahmewertes nicht zum Zuge kommen (Hinweis auf das Urteil des FG Düsseldorf vom 18. Mai 1962, EFG 1963, 58).

Mit der Revision wird unrichtige Rechtsanwendung gerügt. Es sei eine unbegründete Unterstellung, den Verkauf von Grundstücken zu Stopp-Preisen als Ausnahmefall und zu Schwarzmarktpreisen als Regelfall anzusehen. Die Entnahme des Grundstücks sei erfolgt, weil es nie betrieblich genutzt worden sei und auch in Zukunft dem an anderer Stelle betriebenen Unternehmen nicht dienen könne. Der Hinweis darauf, daß zum Entnahmezeitpunkt die bevorstehende Aufhebung der Preisbindung bekanntgewesen sei, rechtfertige nicht den Schluß, die OHG würde bei einem Verkauf einen unzulässigen Preis gefordert haben. Die Ausführungen des FG zum Teilwert gingen fehl, weil ein gedachter Erwerber dem Grundstück im Rahmen des Betriebes keinen Wert beigemessen hätte. Der vom FG aus dem Teilwertbegriff gezogene Schluß, daß die Preisbindungsvorschriften hier nicht zum Zuge kommen könnten, sei falsch; denn mit den drei Gesellschaftern seien tatsächliche Erwerber vorhanden, die sich an die gesetzliche Preisbindung hätten halten müssen. Der notarielle Vertrag vom 21. April 1959 habe der Überprüfung durch die Preisbehörde unterlegen und sei Grundlage für die Berechnung der Grunderwerbsteuer gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Der BFH hat die hier zu beantwortende Frage, ob der Entnahmewert (Teilwert) eines den Preisbindungsvorschriften unterliegenden Grundstücks mit einem höheren als dem preisrechtlich höchsten genehmigungsfähigen Wert angesetzt werden kann, bisher noch nicht ausdrücklich entschieden. Das FG Düsseldorf hatte diese Frage in der von der Vorinstanz zitierten Entscheidung bejaht. Der Entscheidung lag der Fall zugrunde, daß ein Gesellschafter einer OHG das ihm gehörige, als gewillkürtes Betriebsvermögen in der Bilanz der OHG ausgewiesene Grundstück an seinen Mitgesellschafter veräußerte. Der erkennende Senat hob durch Urteil IV 413/62 vom 29. Juli 1966 (BFH 86, 686) das Urteil des FG Düsseldorf auf, weil es sich nicht um eine Entnahme, sondern um eine Veräußerung des Grundstücks gehandelt habe, so daß zunächst nicht vom Entnahmewert, sondern vom Veräußerungspreis hätte ausgegangen werden müssen. Zum Teilwert äußerte sich der Senat nur dahingehend, daß hierfür nicht der tatsächlich genehmigte niedrigere, sondern "mindestens" der preisrechtlich höchstzulässige genehmigungsfähige Wert maßgeblich sei. Die Frage, ob der Teilwert nicht auch über dem höchstens genehmigungsfähigen Preis liegen könne, konnte der Senat, worauf er ausdrücklich hinwies, dahingestellt sein lassen.

Diese Frage ist jedoch im vorliegenden Fall entscheidungserheblich. Zwar hat die OHG das Grundstück im notariellen Vertrag vom 21. April 1959 an die Gesellschafter "veräußert". Hierbei handelt es sich jedoch steuerrechtlich um eine Entnahme, da der Vorgang lediglich die Überführung eines Wirtschaftsguts vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen derselben Berechtigten betrifft und nur die Umwandlung von Gesamthandseigentum in Bruchteilseigentum derselben Personen zur Folge hat. Maßgeblich für die Frage, inwieweit durch diesen Vorgang stille Reserven aufgedeckt wurden, ist daher nicht der in solchen Fällen in der Regel auch nicht ernstlich ausgehandelte "Veräußerungspreis", sondern der für Entnahmen anzusetzende Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit Nr. 1 Satz 3 EStG). Den Teilwert des entnommenen Grundstücks hat die Vorinstanz mit einem Betrag festgestellt, der preisrechtlich nicht mehr genehmigungsfähig gewesen wäre. Hieraus allein ergeben sich jedoch zunächst rechtlich keine Bedenken.

Die Begriffsbestimmung des Teilwerts unterstellt einen Veräußerungspreis für den ganzen Betrieb und die Verteilung dieses Preises auf die einzelnen Wirtschaftsgüter (vgl. z. B. BFH-Entscheidung Gr. S. 7/67 vom 16. Juli 1968, BFH 94, 124, BStBl II 1969, 108). Für Wirtschaftsgüter, die für den Betrieb entbehrlich sind - um ein solches soll es sich nach dem Revisionsvortrag bei dem streitigen Gründstück handeln -, wird allerdings der Teilwert in der Regel mit dem Einzelveräußerungspreis (Verkehrswert) angesetzt. Zu beachten ist jedoch, wie die Vorinstanz mit Recht betonte, daß es sich hier immer nur um gedachte Werte handelt, Werte, die auf einer gedanklichen Konstruktion beruhen, weil mangels einer effektiven Wertverwirklichung auf andere Weise ein wirklichkeitsnaher Teilwert nicht bestimmt werden kann. Gedachte Werte werden aber jedenfalls dann nicht durch Preisbindungsvorschriften begrenzt, wenn die gebundenen Preise nicht der Wertvorstellung der Allgemeinheit entsprechen. Es macht einen Unterschied, ob der Kaufmann ein preisgebundenes Wirtschaftsgut veräußert und sich dann notgedrungen mit einem gebundenen Unterpreis begnügen muß, oder ob er ein solches Wirtschaftsgut lediglich ins Privatvermögen überführt und sich damit den wahren Wert erhält. Der Einwand der OHG, man unterstelle ihr eine Grundstücksveräußerung zu Schwarzmarktpreisen, ist unberechtigt. Unterstellt wird allenfalls, daß die OHG wegen der Preisbindung mangels einer ersichtlichen Notwendigkeit das Grundstück zum Stopp-Preis überhaupt nicht veräußert hätte. Diese Annahme entspricht dem in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, daß bei der Teilwertbemessung auch darauf abzustellen ist, unter welchen Bedingungen der Kaufmann ein Wirtschaftsgut abzugeben bereit ist (vgl. Urteile des BFH I 108/60 U vom 20. September 1960, BFH 71, 565, BStBl III 1960, 461, und I 99/63 vom 11. Januar 1966, BFH 85, 275, BStBl III 1966, 310), und sie gewinnt, wie die Vorinstanz und das FA mit Recht betonen, dadurch an Gewicht, daß im Zeitpunkt der Grundstücksentnahme die Aufhebung der Preisbindung bereits erkennbar war. Dieser Umstand bot keinerlei Anreiz zu einer Veräußerung, u. U. aber einen Anreiz zur Entnahme des Grundstücks, und er mußte, wie von der OHG auch nicht bestritten wird, die Wertvorstellungen über das Grundstück beeinflussen. Auch künftige Verwertungsmöglichkeiten spielen bei der Bemessung des Teilwerts eine Rolle; dies gilt im Streitfall um so mehr, als diese (bessere) Verwertungsmöglichkeit nicht in ferner Zukunft lag, sondern unmittelbar bevorstand. Wertvorstellungen sind aber, um das nochmals zu betonen, nicht durch Preisbindungs- oder sonstige Beschränkungen eingeengt. So hat der Senat im Urteil IV 360/50 U vom 19. September 1951 (BFH 55, 482, BStBl III 1951, 194) ausgesprochen, daß Wirtschaftsgütern, die einem gesetzlichen Veräußerungsverbot unterliegen, im Rahmen des Teilwertbegriffes gleichwohl ein Wert beigemessen werden könne. Auch der I. Senat des BFH hat im Zusammenhang mit der Frage, inwieweit durch Auseinandersetzung mit einem aus einer OHG ausscheidenden Gesellschafter stille Reserven aufgedeckt werden, im Urteil I 33/60 S vom 2. Mai 1961 (BFH 73, 267, BStBl III 1961, 365) ausgeführt, der Einwand, die Grundstückspreise hätten noch dem Preisstopp unterlegen, schließe nicht aus, daß die Beteiligten bei der Auseinandersetzung von einem höheren Grundstückswert ausgegangen seien. Die Vorinstanz war somit nicht gehindert, für die Grundstücksentnahme einen Wert anzusetzen, der über dem Betrag lag, der preisrechtlich genehmigungsfähig gewesen wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69105

BStBl II 1970, 721

BFHE 1970, 482

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