Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Änderung einer bestandskräftigen Zollfestsetzung

 

Leitsatz (NV)

1. Die gemeinschaftsrechtliche Erstattungsregelung für Zölle gilt nur für Fälle ,,buchmäßiger Erfassung" der Abgaben (durch Zollbescheid usw.) ab 1. Juli 1980; für frühere Fälle gilt innerstaatliches Recht.

2. Nach innerstaatlichem Recht maßgebend für die Änderung von Zollbescheiden ist § 172 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, doch müssen im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung die in § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 enthaltenen Tatbestandsmerkmale berücksichtigt werden (Bestätigung der Rechtsprechung).

3. Beruht eine Zollfestsetzung darauf, daß der Zollbeteiligte anzumeldende (günstige) Tatsachen zurückgehalten hat, so liegt ein grobes Verschulden vor, das es nicht gerechtfertigt erscheinen läßt, die Bestandskraft des Zollbescheids durch Änderung zugunsten des Beteiligten zu durchbrechen.

 

Normenkette

EWGV 1430/79 (Erlaß/Erstattung); AO 1977 § 172 Abs. 1 Nr. 1, § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 5; FGO § 102

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Die Klägerin ließ in der Zeit vom 11. Januar 1979 bis 2. Mai 1980 Stahlerzeugnisse aus Spanien zum freien Verkehr abfertigen. In dieser Zeit bestand ein auf Empfehlungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften beruhendes Gemeinschaftssystem zur Überwachung der Einfuhr bestimmter drittländischer Stahlerzeugnisse, das bezweckte, Dumping- Preisen durch die Einführung von Anti- Dumping-Zöllen entgegenzuwirken. Für die Zollwertfestsetzung meldete die Klägerin ihr von der Firma X-AG in Zürich berechnete, den Empfehlungen entsprechende Preise an, nicht die ihr bekannten - niedrigeren - Preise der spanischen Lieferanten. Die Klägerin war Alleingesellschafter der von ihr gegründeten X- AG, über die die Kaufverträge mit drittländischen Stahllieferanten abgewickelt wurden. Bei den Abfertigungen gab die Klägerin nicht an, daß die X-AG - lt. Zollanmeldungen ,,Verkäufer/Versender" - ein zwischengeschaltetes Unternehmen war. Sie beantwortete auch nicht die in den Zollwertanmeldungen enthaltene Frage nach einer geschäftlichen Verbundenheit. Die Zollwerte wurden entsprechend den Anmeldungen festgestellt. Im Jahre 1980 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung statt. In seinem Bericht vom 26. November 1980 vertrat der Prüfer die Auffassung, maßgebend für den Zollwert der eingeführten Waren seien die Preise gemäß den von der X-AG mit den spanischen Lieferanten abgeschlossenen Verträgen; es seien Zölle in Höhe von insgesamt . . . DM zuviel entrichtet worden. Den darauf von der Klägerin gestellten Erstattungsantrag lehnte das Hauptzollamt (HZA) ab, zunächst mit der Begründung, es sei ein grobes Verschulden, daß die Klägerin die höheren Preise als Zollwerte angemeldet habe, später - durch neuen Verwaltungsakt -, weil keine neuen Tatsachen vorlägen, die Verkaufspreise der X-AG vielmehr die der Verzollung zugrundezulegenden Normalpreise seien.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht - FG - entschied, die Klägerin habe keinen Rechtsanspruch auf Berichtigung der Zollfestsetzungen, weil sie grob schuldhaft die zwischen den Lieferanten und der X-AG vereinbarten Preise verschwiegen habe (Urteil vom 22. November 1985 IV 138/83 H, Entscheidungen der Finanzgerichte 1986, 381).

Mit der Revision rügt die Klägerin, das FG habe unerwähnt gelassen, daß das Formular ,,Angaben über den Zollwert" - wie von ihr im Klageverfahren vorgetragen - nicht die Frage nach den Normalpreisen enthalten habe. Das Urteil beruhe daher auf einer unvollständigen Tatsachenermittlung. Soweit es auf den Betriebsprüfungsbericht verweise, ergebe es nicht, in welchen Punkten die Darstellungen der Parteien als unterschiedlich angesehen worden seien. Der Versuch, den Maßnahmen der EG-Kommission ohne Verstoß gegen bestehende Gesetze zu begegnen, sei im übrigen rechtlich indifferent und dürfe bei der zollwertrechtlichen Beurteilung keine Rolle spielen. Die Anmeldung der Rechnungspreise anstelle der Normalpreise sei nicht Bestandteil eines vorgefaßten Plans gewesen. Der Klageanspruch könnte sich zudem unmittelbar aus der gemeinschaftlichen Erstattungsregelung ergeben, wenn diese auf Vorgänge angewandt würde, bezüglich derer bei ihrem Inkrafttreten am 1. Juli 1980 die Antragsfrist von drei Jahren noch nicht abgelaufen gewesen sei. Das FG habe auch seine Überzeugung, sie - Klägerin - habe den Begriff des Normalpreises gekannt, nicht hinreichend durch Feststellungen belegt. Sie - Klägerin - habe Beweis dafür angeboten, daß sie sich zur Verzollung nach den Rechnungspreisen verpflichtet gefühlt habe; darauf habe sie im übrigen allein aufgrund der Ausgestaltung des Formulars vertrauen dürfen. Dieser Beweisantrag sei übergangen worden. Die wenigsten Kaufleute gingen davon aus, daß sie auch durch Angaben, die höhere Abgaben zur Folge hätten, ihre Pflichten als Steuerzahler verletzten. Insoweit beruhe das Urteil auf einer Abweichung von der allgemeinen Lebenserfahrung und auf unrichtiger Subsumtion des Sachverhalts unter den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit als Sorgfaltsverletzung in ungewöhnlichem Maße. Schließlich habe das FG nicht festgestellt, daß die Ausfüllung der Rückseite (,,Tochtergesellschaft") des sehr unübersichtlichen Formulars eine andere Abgabenfestsetzung zur Folge gehabt hätte. Das FG habe der Klägerin als grobes Verschulden eine Rechtsauffassung angelastet, die sich mit der vom HZA noch in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung gedeckt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die Klägerin die Änderung der Zollfestsetzungen - Voraussetzung für die begehrte Erstattung - nicht verlangen kann. Die von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen tragen dieses Ergebnis. Zu Unrecht rügt die Revision, das Urteil verstoße gegen § 96 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, da es ,,wegen der im einzelnen nicht ganz unstreitigen Vorgänge bei der Abwicklung der Einfuhren" auf den Betriebsprüfungsbericht verweise. Die maßgebenden Feststellungen werden durch die Unklarheit, die hinsichtlich nicht entscheidungserheblicher Einzelheiten bestehen mag, nicht betroffen. Wie sich aus dem der Vorentscheidung zugrundegelegten Sachverhalt ergibt - Zollwertfeststellung nach den Rechnungspreisen der X-AG; spätere Berufung der Klägerin auf die ihr von Anfang an bekannten niedrigeren spanischen Rechnungspreise -, haben etwa streitig gebliebene Einzelheiten keine Bedeutung gewonnen.

1. In Übereinstimmung mit der Vorentscheidung kann offenbleiben, ob die zwischen den spanischen Lieferanten und der X-AG vereinbarten Preise für die Zollwertfeststellung in Betracht kommende Normalpreise im Sinne von Artikel 9, Artikel 1 der für die Beurteilung des Streitfalles maßgebenden Zollwertverordnung 1968 waren. Es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob schon aus zollrechtlichen Gründen nach erfolgter Abfertigung unter Zugrundelegung der angemeldeten Rechnungspreise eine Berufung auf solche ,,Normalpreise" ausgeschlossen war (zur Problematik Senat, Urteil vom 22. Oktober 1974 VII R 21/72, BFHE 114, 126, 131). Jedenfalls konnte die Klägerin diese Preise nicht mehr zu ihren Gunsten geltend machen, nachdem die Zollbescheide bestandskräftig geworden waren. Aufgrund der Vorentscheidung ist davon auszugehen, daß diese Voraussetzung - Bestandskraft der Bescheide - gegeben ist.

2. Entgegen der von der Klägerin in der Revision vertretenen Auffassung läßt sich das Erstattungsbegehren nicht auf Gemeinschaftsrecht - Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 des Rates vom 2. Juli 1979 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L 175/1) - stützen. Ein solches Erstattungsbegehren ist zwar auch zulässig, wenn der Zollbescheid bereits bestandskräftig geworden ist (Senat, Urteil vom 30. Oktober 1984 VII R 56/84, BFHE 142, 212, 214). Die gemeinschaftsrechtliche Erstattungsregelung gilt jedoch nur für Fälle buchmäßiger Erfassung der Abgaben - insbesondere durch Zollbescheid - ab 1. Juli 1980, dem Inkrafttreten der Erstattungsverordnung (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 27. Mai 1982 Rs. 113/81, EuGHE 1982, 1957, 1965 - Absatz 14, 15 der Entscheidungsgründe -, auch in Verbindung mit dem die Nacherhebung betreffenden Urteil vom 12. November 1981 Rs. 212- 217/80, EuGHE 1981, 2735, 2752). Fälle früherer buchmäßiger Erfassung von Zöllen, wie sie hier vorliegen, werden selbst dann nicht betroffen, wenn sie kurz vor dem 1. Juli 1980 eingetreten sind. In diesen Fällen richtet sich die Beurteilung des Erstattungsbegehrens ausschließlich nach innerstaatlichem Recht, das eine entsprechende Abänderung der Steuerbescheide voraussetzt. Im übrigen kommt eine Erstattung nach Gemeinschaftsrecht nur in Irrtumsfällen in Betracht, nicht aber, wenn etwa bei der Zollbehandlung bewußt Falschangaben über (höhere) Preise gemacht wurden, die die genehmigungsgebundene Abfertigung zum freien Verkehr ermöglichen sollten (EuGH, Urteil vom 15. Dezember 1987 Rs. 328/85, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1988, 482). Ob ein solcher Irrtumsfall hier gegeben wäre, kann zweifelhaft sein, braucht aber nicht entschieden zu werden, da die gemeinschaftsrechtliche Erstattungsregelung ohnehin als Rechtsgrundlage ausscheidet.

3. Von den für die rechtliche Beurteilung maßgebenden Vorschriften des innerstaatlichen Rechts über die Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden kann § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 - bei Zollbescheiden nicht - unmittelbar - angewandt werden. Unmittelbar maßgebend ist insoweit § 172 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, der die Änderung oder Aufhebung von Zollbescheiden in das Ermessen des HZA stellt (vgl. § 5 AO 1977, § 102 FGO). Es ist in der Regel nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Berichtigung bestandskräftiger Zollbescheide abgelehnt wird: Das gilt selbst dann, wenn der Steuerpflichtige ein Rechtsbehelfsverfahren deshalb nicht angestrengt hat, weil er - wie es die Klägerin hier für sich in Anspruch nimmt - die Fehlerhaftigkeit des Steuerbescheids weder erkannte noch erkennen mußte (Senat, Urteil vom 27. Mai 1982 VII R 30/80, BFHE 136, 433, 435). Allerdings bedeutet die fehlende unmittelbare Anwendbarkeit von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 nicht, daß diese Vorschrift für die Ermessensentscheidung nach § 172 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 bedeutungslos sei. Wie der Senat entschieden hat (Urteil vom 25. Februar 1986 VII R 14/83, BFHE 146, 18, 22), müssen im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung die in § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 enthaltenen Tatbestandsmerkmale berücksichtigt werden. Insofern ist es im Ergebnis richtig, wenn das FG die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen an diesen Kriterien gemessen hat. Seine Entscheidung, daß die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin auf Änderung der Zollbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 nicht vorliegen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Der Tatbestand dieser Vorschrift - nachträgliches Bekanntwerden steuermindernder Tatsachen, ohne daß den Steuerpflichtigen ein grobes Verschulden an dem erst nachträglichen Bekanntwerden trifft - ist nicht (vollständig) erfüllt. Zwar ist dem HZA die Tatsache niedrigerer Rechnungspreise der spanischen Lieferanten - diese Preise als zollwertrechtlich maßgebend unterstellt (vorstehend Nr. 1) - erst nachträglich, aufgrund der Feststellungen des Prüfers, bekanntgeworden (zur Maßgeblichkeit der Kenntnis der zuständigen Finanzbehörde Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 29. Juni 1984 VI R 34/82, BFHE 141, 234, 236, BStBl II 1984, 694). Auch mag unter Berücksichtigung des ersten Ablehnungsbescheids des HZA unterstellt werden, daß die Zollstellen bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsache die Zollwerte niedriger festgestellt hätten (vgl. dazu BFH, Beschluß vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, 499, BStBl II 1988, 180). Es liegt aber insoweit ein grobes Verschulden der Klägerin vor, das die beantragte Berichtigung ausschließt. Dieses Verschulden ist in Übereinstimmung mit der Vorinstanz darin zu sehen, daß die Klägerin die ihr von Anfang an bekannten spanischen Rechnungspreise in den Zollwertanmeldungen - vgl. Teil II A der Anlage (,,Angaben über den Zollwert der Waren"; hier: in Rechnung gestellter Preis) zur Verordnung (EWG) Nr. 375/69 der Kommission über die Anmeldung der Angaben über den Zollwert der Waren vom 27. Februar 1969 (ABlEG Nr. L 52/1) - nicht angegeben, sie überdies noch nicht einmal innerhalb der Rechtsbehelfsfrist geltend gemacht hat. Der Umstand, daß in den Zollwertanmeldungen nicht der Normalpreis als solcher, sondern der Rechnungspreis anzugeben war, kann die Klägerin nicht entlasten. Die kraft Rechtsvorschrift zu beantwortende Frage nach dem Rechnungspreis ließ die Angabe des in Betracht kommenden Preises (ggf. als Normalpreis) zu; Zweifel, die die Klägerin hinsichtlich des ,,Unterschieds zwischen Rechnungspreis und Normalpreis" etwa gehabt haben sollte, konnten sie nicht daran hindern, die niedrigeren spanischen Rechnungspreise anzumelden. Die insoweit erhobenen Aufklärungsrügen der Klägerin gehen fehl, weil es auf die vermißten Feststellungen nicht ankam. Ebenfalls keine Rolle spielt die Frage, ob eine Anmeldung der besonderen Beziehung zwischen der Klägerin und der X-AG (Tochtergesellschaft) zu einer anderen Abgabenfestsetzung geführt hätte. Allein maßgebend bleibt, daß die Klägerin die ihr bekannten niedrigeren Rechnungspreise der spanischen Lieferanten nicht rechtzeitig angegeben und sich auf sie erst berufen hat, als sie dem Betriebsprüfungsbericht entnommen hatte, daß diese Preise als Grundlage der Zollwertfeststellungen hätten in Betracht kommen können.

Nach der Rechtsprechung verletzt der Steuerpflichtige die von ihm zu fordernde Sorgfaltspflicht sogar dann, wenn er es trotz Kenntnis der später eingetretenen Umstände unterläßt, diese noch vor Bestandskraft des Steuerbescheides zu seinen Gunsten geltend zu machen; diese Versäumnis beinhaltet ein grobes Verschulden, das es nicht mehr gerechtfertigt erscheinen läßt, die Bestandskraft nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 zu durchbrechen (BFH, Urteil vom 25. November 1983 VI R 8/82, BFHE 140, 18, 21, BStBl II 1984, 256). Ob dem uneingeschränkt zu folgen ist, kann dahinstehen (vgl. Förster in Koch, AO 1977, 3. Aufl., § 173 Rz. 24). Grobes Verschulden liegt jedenfalls vor, wenn der Steuerpflichtige eine ihm schon bei der Steuerfestsetzung bekannte Tatsache nicht angibt, obwohl er dazu gehalten wäre. § 173 AO 1977 ist keine Fehlerberichtigungsvorschrift; er hat nicht den Sinn, dem Steuerpflichtigen das Risiko eines Rechtsbehelfsverfahrens dadurch abzunehmen, daß es ihm gestattet wird, sich gegenüber der Finanzbehörde auf Tatsachen erst bei späterer Änderung der Rechtserkenntnis zu berufen (BFH in BFHE 151, 495, 500, BStBl II 1988, 180). Worauf diese Rechtserkenntnis beruht, ob etwa auf geänderter Rechtsprechung oder eigenen Einsichten des Steuerpflichtigen, ist unerheblich. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich bereits aus diesen Grundsätzen ergibt, daß Gründe, wie sie die Klägerin nach ihrer Darstellung veranlaßt haben, mit ihrer Kenntnis zurückzuhalten, keine rechtliche Bedeutung gewinnen können. Offen bleiben kann auch - die Rechtserheblichkeit eines nicht auf grober Fahrlässigkeit beruhenden Irrtums über die Erfolgsaussichten rechtzeitigen Vorbringens unterstellt (vgl. dazu Beck, Deutsches Steuerrecht 1984, 671, 673) -, ob von einem Rechtsirrtum im Streitfalle auszugehen wäre. Das FG hat festgestellt, daß die Klägerin im Importgeschäft erfahren und mit den Zollwertvorschriften vertraut ist und daß ihr die Möglichkeit bekannt war, im Falle des Direktbezuges von den drittländischen Lieferanten deren Rechnungspreise anzumelden. Allein diese Feststellungen rechtfertigen den Schluß, daß die Klägerin grob schuldhaft handelte, wenn sie unter diesen Umständen die von der X-AG berechneten Preise glaubte anmelden zu müssen. Dieser Schluß ist möglich, insbesondere unter Berücksichtigung des beschränkten Zwecks der gemeinschaftlichen Überwachungsregelung (keine Zollwertvorschrift), der die Klägerin nach dem Revisionsvorbringen durch ihr Verhalten ,,begegnen" wollte. Er beruht auf einem richtigen Verständnis des Rechtsbegriffs groben Verschuldens - hier bezogen auf den von der Klägerin geltend gemachten Irrtum - und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze; er kann mithin revisionsrechtlich nicht beanstandet werden (vgl. BFH, Urteil vom 26. August 1987 I R 144/86, BFHE 151, 299, 303, BStBl II 1988, 109). Auch auf die von der Klägerin vermißte Beweiserhebung über die Gründe, die sie zur Anmeldung der Preise der X-AG geführt hatten - Vernehmung des Handlungsbevollmächtigten v.B. -, konnte es hiernach nicht ankommen. Die insoweit erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch.

4. § 172 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, die Vorschrift, von der bei der Aufhebung oder Änderung von Zoll- und Verbrauchsteuerbescheiden auszugehen ist (vorstehend Nr. 3), läßt Änderungen zugunsten des Steuerpflichtigen freilich auch dann zu, wenn die Voraussetzungen von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 nicht vorliegen (Senat in BFHE 146, 18, 22). Daß das HZA sich der bei Zollbescheiden stets bestehenden freien Änderungsmöglichkeit nicht bewußt gewesen sei, kann nicht angenommen werden. Wenn es einen Änderungsanspruch nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 verneint hat - aus Gründen, die bei Steuerbescheiden mit höherer Bestandskraft eine Änderung nicht rechtfertigen (zweiter Änderungsbescheid: keine rechtserhebliche neue Tatsache) -, so bedeutet dies nicht, daß die Möglichkeit einer Berichtigung nicht erkannt worden sei. Ein Ermessensfehler bei der Ausübung des Ermessens kann nicht festgestellt werden. Das gilt jedenfalls, wenn in dem Bekanntwerden der spanischen Rechnungspreise keine rechtserhebliche neue Tatsache gesehen wird, weil dann die Zollwerte nicht unrichtig festgestellt worden wären. Das gilt aber auch, wenn unterstellt wird, daß bei Kenntnis dieser Tatsache die Zollwerte niedriger festgestellt worden wären (vgl. vorstehend Nr. 3). In diesem Falle wäre es - wie ausgeführt - der Klägerin als grobes Verschulden anzulasten, daß sie die ihr bekannte steuermindernde Tatsache nicht rechtzeitig geltend gemacht hat. Ein solcher Grund, der schon eine Änderung auf Grund von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 ausschließt, ist auch geeignet, die Ablehnung eines Berichtigungsbegehrens nach § 172 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu stützen (Senat a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 31. März 1981 VII R 1/79, BFHE 133, 13, 16, BStBl II 1981, 507).

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 359

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