Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Im Lande Rheinland-Pfalz - frühere französische Zone - ist ein Apothekenrecht, das auf der bayerischen Verordnung über das Apothekenwesen vom 27. Juni 1913 beruht, auf den 1. Januar 1955 als Gewerbeberechtigung zu bewerten.

 

Normenkette

BewG §§ 21, 58, 100; BewDV § 50

 

Tatbestand

Streitig ist die Einheitsbewertung des Apothekenbetriebsrechts als Gewerbeberechtigung.

Der Bf. hat im Lande Rheinland-Pfalz eine Apotheke von der Witwe des Vorbesitzers im Jahre 1950 gepachtet. Im September 1954 wurde ihm von der Landesregierung das Recht zum Fortbetrieb der Apotheke verliehen. Auf den 1. Januar 1955 erfolgte die Nachfeststellung des Apothekenrechts (Gewerbeberechtigung) auf X DM, berechnet mit 7 % eines durchschnittlichen Jahresumsatzes der letzten drei Jahre.

Der Bf. machte geltend, "nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom Januar 1957 ist das Apothekenrecht mit 0 DM zu bewerten". Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In den Gründen der Entscheidung heißt es, subjektiv-persönliche Apothekenkonzessionen seien bewertungsfähige Wirtschaftsgüter, sofern ihnen durch Ausgestaltung und Verwaltungsübung faktisch die Eigenschaft eines vererblichen Rechtes zukomme. Das gelte auch für die nach der bayerischen Verordnung über das Apothekenwesen vom 27. Juni 1913 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt - BayGVBl - 1913 S. 343), hier im Gebiete der früheren Rheinpfalz verliehenen Konzessionen. Danach sei die Witwe befugt, die Apotheke für eine gewisse übergangszeit betreiben zu lassen und vom Nachfolger eine Abfindung der für die Apotheke aufgewendeten Beträge zu verlangen. Zum Stichtage sei in der Pfalz das bisher geübte Verfahren der Ausschreibung einer nur begrenzten Anzahl von Apothekenkonzessionen üblich gewesen. Der Grundsatz der Gewerbefreiheit habe sich bis dahin tatsächlich nicht derart ausgewirkt, daß auch Bewerber ohne Konzessionsverleihung eine Apotheke hätten eröffnen können.

Mit der Berufung macht der Bf. geltend, die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts in dem Urteil 1 BvR 596/56 vom 11. Juni 1958 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 7 S. 377) über die Nichtigkeit des Art. 3 Abs. 1 des Bayer. Apothekengesetzes vom 16. Juni 1952 in der Fassung vom 10. Dezember 1955 wegen Verstoßes gegen Art. 12 des Grundgesetzes (GG) mache das Gesetz vom Inkrafttreten des GG an nichtig. Außerdem sei hier das Apothekenbetriebsrecht nicht bewertbar, weil es nicht vererblich und veräußerlich sei. Er habe an die Witwe des Vorbesitzers keine Abfindung gezahlt.

Das Finanzgericht wies die Berufung mit nachfolgender Begründung zurück: Im Regierungsbezirk Pfalz als früherem Teil des Landes Bayern habe bis zum Inkrafttreten des Landesgesetzes Rheinland- Pfalz - vorläufiges Apothekengesetz vom 24. Juli 1958, GVBl 1958 S. 127 - das bayerische Apothekenrecht (die oben genannte Verordnung vom 27. Juni 1913) und das Gesetz über das Apothekenwesen (ApoG) vom 16. September 1933 (BayGVBl 1933 S. 274) sowie das Reichsgesetz über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken vom 13. Dezember 1935 (RGBl I S. 1445) gegolten. Der Bayer. Personalkonzession komme wegen der Bewilligungsbedingungen und dem Weiterführungsrecht der Witwe nach den §§ 11 ff. der Verordnung vom 27. Juni 1913 eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zu, so daß mit Recht der Reichsfinanzhof diese bayer. Personalkonzession als Gewerbeberechtigung behandelt und bewertet habe (Urteil I A 330/28 vom 28. September 1928, RStBl 1929 S. 130). Diese wirtschaftliche Bedeutung sei dem hier streitigen Betriebsrecht noch am 1. Januar 1955 zugekommen. Auch noch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts I C 221.54 vom 22. November 1956 (Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwGE - Bd. 4 S. 167) sei die Verleihung der Apothekenrechte im Regierungsbezirk Pfalz nach der Verordnung von 1913 unter Bedürfnisprüfung erfolgt (siehe Erlaß des Innenministers Rheinland-Pfalz vom 5. Juni 1957 über die Ausschreibung von Apothekenbetriebsrechten, Ministerialblatt 1957 Spalte 574). Das Apothekenbetriebsrecht habe frühestens Ende 1957, endgültig erst mit Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 seine Bedeutung verloren (hierzu auch Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Oktober 1959, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1960 S. 332). Das Betriebsrecht sei mit dem gemeinen Werte anzusetzen, so daß die Behauptung des Bf., keine Abfindung an die Witwe gezahlt zu haben, einer abschließenden Prüfung nicht bedürfe. Die Berechnung des Finanzamts entspreche der Rundverfügung der Oberfinanzdirektion, die im Einvernehmen mit der Landesapothekerkammer auf Grund der Kaufpreissammlungen aufgestellt worden sei. Der Bf. habe gegen den Bewertungsmaßstab keine Einwendungen erhoben.

Die Rb. rügt mangelnde Sachaufklärung und unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts.

Die seinerzeit vorhandene Personalkonzession könne nicht durch die abstrakte Regelung der bayer. Verordnung von 1913 über Abfindung und Witwenprivileg zum selbständigen Wirtschaftsgut werden. Nach der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Niederlassungsfreiheit hätten diese Rechte überhaupt keine Bedeutung mehr. Das vom Finanzgericht angezogene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Oktober 1959 a. a. O. habe es lediglich darauf abgestellt, daß vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine tatsächliche Verwaltungspraxis bestanden habe, die jedem Interessenten die Eröffnung einer Apotheke von der Erfüllung verschiedener Voraussetzungen abhängig gemacht habe. Er habe keine Abfindung gezahlt und könne keine Abfindung von einem Nachfolger für das Betriebsrecht verlangen. Heute müsse die Feststellung des Einheitswerts für die Personalkonzession nach dem Rechte vorgenommen werden, das am 1. Januar 1955 tatsächlich gegolten habe. Der vom Finanzamt angesetzte Wert für die Apothekengerechtigkeit sei zu hoch, da im vorliegenden Falle eine Abfindung nicht bezahlt worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Gegenstand der Rb. ist der Einheitswert des Apothekenbetriebsrechtes (Apothekenrecht), nicht etwa ein beim Einheitswert des Betriebsvermögens zu erfassender Geschäftswert (vgl. hierzu Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 65/62 U vom 27. Juli 1962, BStBl 1962 III S. 436, Slg. Bd. 75 S. 460). Nach § 21 Abs. 1 Ziff. 1 und § 58 BewG in der für den Stichtag gültigen Fassung ist für die Gewerbeberechtigung ein Einheitswert festzustellen, wobei die Apothekengerechtigkeit als Beispiel angeführt war.

In den Urteilen des Bundesfinanzhofs III 400/60 S und III 24/61 U, beide vom 19. Oktober 1964 (BStBl 1965 III S. 3 und 6), ist das Vorhandensein eines Einheitswerts für ein Apothekenrealrecht in der ehemaligen britischen Zone auf den 1. Januar 1953, 1954 und 1957 - die streitigen Stichtage im dortigen Verfahren - bejaht worden. Es ist in übereinstimmung mit einer Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen ausgeführt, daß nicht die alte Apothekengerechtigkeit als solche mit dem Inkrafttreten des GG untergegangen sei. Auf die dortigen grundlegenden Ausführungen zur Bewertung der Apothekenrechte als Gewerbeberechtigungen wird Bezug genommen. Es bestehen jedoch zum vorliegenden Falle zwei Unterschiede; es steht nicht ein Apothekenrealrecht (subjektiv- dingliches Realrecht) zur Erörterung und es handelt sich nicht um eine Apotheke in der früheren britischen Zone.

Obwohl der Regierungsbezirk Pfalz nicht mehr zum Lande Bayern gehört, findet die oben genannte bayer. Verordnung vom 27. Juni 1913 Anwendung, nicht aber das bayer. Apothekengesetz 1952/1955, da vor dessen Ergehen die Loslösung des Regierungsbezirkes Pfalz von Bayern erfolgte. Das Land Rheinland-Pfalz wurde durch die Deklaration des Oberkommandierenden der französischen Zone vom 30. August 1946 ins Leben gerufen (Journal Officiel du Commandement en chef francais en Allemagne 1946 Nr. 35 und Verordnung Nr. 57, ebenda, sowie die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz vom 5. Dezember 1946, GVBl 1947 S. 2). Das Landesgesetz Rheinland-Pfalz, vorläufiges Apothekengesetz, vom 24. Juli 1958, a. a. O., liegt nach dem Stichtage, ist aber insoweit hierbei von Interesse, als auch noch zu diesem späteren Zeitpunkt die Erlaubnis nur für ein bestimmtes Grundstück erteilt wurde.

Auf der bayer. Verordnung von 1913 beruht die hier zur Erörterung stehende Personalkonzession. Die VStR 1949 Abschn. 33 und die VStR 1953 Abschn. 27 unterscheiden 1. grundstücksgleiche Apothekenrechte, 2. subjektiv-dingliche Apothekenrechte und 3. persönliche Apothekenrechte, die entweder veräußerlich und vererblich oder unveräußerlich und unvererblich sind. Nach der dortigen Regelung stellen die unter 1. und 2. aufgeführten Apothekenrechte sowie die veräußerlichen und vererblichen persönlichen Apothekenrechte ein bewertungspflichtiges Wirtschaftsgut dar, während die unveräußerlichen und unvererblichen (die rein persönlichen) Apothekenrechte bei der Bewertung außer Betracht zu lassen sind, da ihnen wegen der Bindung an die Person des Inhabers im Verkehr kein Wert beigemessen wird. Eine entsprechende Unterscheidung, abgestellt auf die Veräußerlichkeit und Vererblichkeit der Betriebsrechte, ist in dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 372/60 S vom 26. September 1963 (BStBl 1963 III S. 565, Slg. Bd. 77 S. 669) vorgenommen worden. Der erkennende Senat kommt für das Bewertungsrecht ebenfalls zu der Auffassung, daß die Personalkonzessionen mit Präsentationsrecht zu den veräußerlichen und vererblichen Betriebsrechten an den hier interessierenden Stichtagen gehören, also bewertungsfähig sind. Eine solche Bewertung als Gewerbeberechtigung entspricht § 58 BewG alter Fassung. Die Frage ist nur, ob einer preußischen Personalkonzession die Personalkonzession auf der Grundlage der bayer. Verordnung von 1913 in etwa gleichzustellen ist. Das ist zu bejahen, denn diese bayer. Konzession war keine reine persönliche öffentlich-rechtliche Betriebserlaubnis ohne jede vermögensrechtliche und erbrechtliche Ausgestaltung. Die Rechte des bayerischen Personalkonzessionsinhabers und seiner Witwe und Erben beruhten nicht, wie in Preußen beim Präsentationsrecht, nur auf Verwaltungsübung, sondern unmittelbar auf der oben genannten bayerischen Rechtsverordnung selbst, waren also rechtlich stärker verankert als die preußische Konzession mit Präsentationsrecht, die früher stets unstreitig als Gewerbeberechtigung behandelt wurde. Nach §§ 11 ff. der Verordnung von 1913 ist die Bewilligung zum Betrieb einer bestehenden Apotheke in der Regel an die Bedingung zu knüpfen, daß der Empfänger binnen einer bestimmten Frist dem Vorgänger, der Witwe oder den Erben des Vorgängers oder den Erben der Witwe das Apothekenanwesen, die Einrichtung und die Vorräte ablöst und daneben abfindet. Bei der Abfindung, die unabhängig von der Ablösung (Bezahlung) des Apothekenanwesens, der Einrichtung und der Vorräte der Bewerber für die Bewilligung des Apothekenbetriebsrechts zu entrichten hatte, ist zu berücksichtigen, was der Vorgänger für die übernahme oder Errichtung des Geschäfts aufwenden mußte und für dessen Hebung selbst leistete. "Unterbleibt die Ablösung und Abfindung innerhalb der gesetzten Frist infolge Verschuldens des Verpflichteten, so wird die Bewilligung anderweitig verliehen" (§ 15 Abs. 2 der Verordnung). Das bayerische Apothekengesetz vom 16. September 1933 bringt für die Streitfrage nichts Neues. Die frühere bayer. Personalkonzession ist in der Pfalz nicht lediglich als Ausfluß der Freiheit der Betriebsausübung anzusehen. Sie stellt vielmehr ein bewertungsfähiges Recht (Gewerbeberechtigung) dar. Es ist auch für den hier maßgeblichen Stichtag der Auffassung des Reichsfinanzhofs zu folgen, daß Apothekenkonzessionen, für die nach §§ 11 ff. der bayer. Verordnung von 1913 ein Abfindung zu zahlen ist vermögensteuerlich in gleicher Weise zu bewerten sind wie die "alten" preußischen Konzessionen nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 172/25 vom 19. Dezember 1925, RStBl 1926 S. 123, Slg. Bd. 18 S. 120 ff. (siehe Urteil I A 330/28 vom 28. September 1928, a. a. O., vgl. auch Urteil III A 229/34 vom 26. Juli 1934, RStBl 1935 S. 1359).

Es handelt sich hier um die frühere französische Besatzungszone, so daß die in der damaligen amerikanischen Zone bereits im Januar 1949 verkündete Gewerbefreiheit für das Apothekenwesen nicht durchgreift. Vielmehr sind insoweit französische und britische Zone gleichzustellen. Es ist somit im vorliegenden Falle ein Einheitswert für die Apothekenberechtigung anzusetzen, und zwar aus den gleichen Gründen, die den Senat einen Einheitswert für die Apothekengerechtigkeit in der britischen Zone für die Jahre 1953 bis 1957 bejahen lassen (vgl. die oben genannten Urteile des Bundesfinanzhofs III 400/60 S und III 24/61 U). Das nicht veröffentlichte Urteil des Senats III 438/59 vom 20. Oktober 1961, das auch eine Konzession nach der bayer. Verordnung vom 27. Juni 1913 zum Gegenstand hatte, steht nicht entgegen, weil es sich dort erstens um eine Apotheke in der früheren amerikanischen Zone handelte, und zweitens das Finanzamt nach den für die amerikanische Zone ergangenen VStR die Gewerbeberechtigung bereits auf 0 DM fortgeschrieben hatte, während nur ein etwaiger, beim Betriebsvermögen fortlaufender Firmenwert streitig blieb, dessen Vorhandensein aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen verneint wurde.

Die Ausführungen des Finanzgerichts zu der vom Finanzamt angesetzten Höhe des Wertes der Gewerbeberechtigung sind zutreffend; ebenso der Hinweis auf das Urteil des Reichsfinanzhofs III A 229/34 vom 26. Juli 1934 (a. a. O.). Die Bewertung der Gewerbeberechtigung erfolgt nach dem gemeinen Wert (§ 58 Abs. 4, § 10 BewG alter Fassung). Die Höhe der an den Vorgänger gezahlten Abfindung ist beim gemeinen Wert der Gewerbeberechtigung anders als beim Firmenwert nicht entscheidend. Die Ausführungen des Bf. über Art und Umfang seiner Zahlungen an die Witwe sind daher nicht von Bedeutung. Die Bemessung des gemeinen Wertes ist im wesentlichen Schätzung auf tatsächlichem Gebiet. In den Tatsacheninstanzen hat der Bf. gegen den bereits oben dargestellten Bewertungsmaßstab, den die Oberfinanzdirektion im Einvernehmen mit der zuständigen Landesapothekerkammer aufgestellt hat, keine Einwendungen erhoben. Es verblieb daher bei dieser Berechnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411400

BStBl III 1965, 2

BFHE 1965, 1

BFHE 81, 1

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