Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige Beiladung der nichtklagenden Personengesellschafter bei Streit über die Aufteilung des Einheitswerts des Betriebsvermögens

 

Leitsatz (NV)

Besteht Streit über die Frage, wie der Einheitswert des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft (hier: GmbH & Co. KG) auf die Gesellschafter (Komplementärin und Kommanditisten) aufzuteilen ist, müssen die nichtklagenden Gesellschafter notwendig beigeladen werden.

 

Normenkette

FGO § 48 Abs. 1 Nr. 1, § 60 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, wurde im Jahre 1975 von der Komplementärin, einer GmbH, und dem Wirtschaftsjuristen X als Kommanditisten gegründet. In der Folgezeit traten der Klägerin weitere ...Kommanditisten mit Einlagen von 10000 DM bis 600000 DM bei.

Nach § 16 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin ist der sich nach Abzug der der Komplementärin zustehenden Vergütungen ergebende Gewinn oder Verlust den Kommanditisten im Verhältnis der übernommenen Einlagen zuzurechnen. Am Gesellschaftsvermögen sind die Gesellschafter nach Maßgabe ihrer Einlagen beteiligt.

Das Betriebsvermögen der Klägerin bestand im wesentlichen aus den ihr gehörenden Grundstücken ... sowie den auf den genannten Grundstücken im sozialen Wohnungsbau errrichteten Wohnhäusern. Diese Objekte hat die Klägerin zu ca. 25% mit Eigenmitteln und im übrigen mit langfristigen Hypothekendarlehen finanziert. Da die Mieteinnahmen der Klägerin nicht kostendeckend waren, gewährte ihr die Wohnungsbaukreditanstalt ... laufende Aufwendungshilfen (WBK-Darlehen), die der Klägerin bis zur Tilgung der Fremdmittel als zinsloser Kredit zu Verfügung stehen.

Insbesondere durch die in Anspruch genommenen Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf die Gebäude und die Zunahme der langfristigen Verbindlichkeiten ergaben sich seit Gründung der Klägerin Verluste, die zu negativen Kapitalkonten der Kommanditisten führten.

Das Finanzamt rechnete die negativen Einheitswerte des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1982 bis 1. Januar 1985 in den angefochtenen Feststellungsbescheiden allein der Komplementärin zu. Es meinte, den Kommanditisten könne kein Anteil am Einheitswert zugeteilt werden, weil deren Kapitalkonten auch nach der gedachten Aufdeckung der stillen Reserven negativ blieben.

Mit der Klage machte die Klägerin geltend, daß die negativen Einheitswerte den Kommanditisten - entsprechend den gesellschaftsvertraglich festgelegten Anteilen - zuzurechnen seien. Bei Aufdeckung aller stillen Reserven - d.h. bei Ansatz der Grundstücke mit den Verkehrswerten und des WBK-Darlehens mit dem abgezinsten Gegenwartswert - ergäben sich zu sämtlichen Stichtagen positive Gesellschaftsvermögen und damit positive Kapitalkonten der Kommanditisten.

Das Finanzgericht (FG) lud sämtliche Kommanditisten, nicht hingegen die Komplementärin der Klägerin, zum Verfahren bei und gab der Klage statt.

Mit der Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Denn das FG hätte auch die persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin beiladen müssen (§ 60 Abs. 3 i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO), weil die Frage, wie die (negativen) Einheitswerte des Betriebsvermögens der Klägerin auf die streitigen Stichtage auf die Gesellschafter aufzuteilen sind, auch die Komplementärin der Klägerin betrifft. Die Entscheidung über die Aufteilung des Einheitswerts kann gegenüber der Klägerin und gegenüber deren sämtlichen Gesellschaftern nur einheitlich i.S. des § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO ergehen.

Die Beiladung der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin wäre allerdings dann entbehrlich, wenn als Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren nicht nur die KG, sondern auch deren gesetzliche Vertreterin, die Komplementär-GmbH, anzusehen wäre (subjektive Klagehäufung). Letzteres hat das FG indessen zu Recht - stillschweigend - verneint. Die Auslegung der Klageschrift ergibt keine Anhaltspunkte dafür, daß neben der KG auch die Komplementär-GmbH Klage erheben wollte (zur Auslegungsbefugnis des Revisionsgerichts vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Dezember 1986 IV R 77/84, BFH/NV 1987, 768, zu 1., und vom 21. Juni 1988 VIII R 93/87, BFH/NV 1989, 589, 590).

Die Unterlassung einer notwendigen Beiladung ist absoluter Revisionsgrund (§ 119 Nr. 3 FGO) und stellt einen von Amts wegen zu beachtenden Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. Januar 1966 III 96/62, BFHE 85, 327, BStBl III 1966, 327). Auf die notwendige Beiladung kann weder verzichtet noch kann sie in der Revisionsinstanz nachgeholt werden (§ 123 FGO; BFH-Urteil vom 28. November 1974 I R 62/74, BFHE 114, 167, BStBl II 1975, 209). Ist eine notwendige Beiladung unterblieben, muß die Entscheidung des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden, damit die Beiladung nachgeholt werden kann (Urteil in BFH/ NV 1989, 589, 590).

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 385

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