Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einer Gebäudeversicherung Nebengebühren (z. B. Einschreibungsgebühren, Umschreibungsgebühren, Schätzungsgebühren, Blitzableiterprüfungsgebühren) Versicherungsentgelte im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 VersStG sind oder als Zahlungen zur Abgeltung einer Sonderleistung des Versicherers oder als aus einem sonstigen in der Person des einzelnen Versicherungsnehmers liegenden Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 VersStG gezahlt anzusehen sind.

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Nachforderung der Versicherungsteuer gegen Treu und Glauben verstößt, wenn solche Gebühren früher im Anschluß an wiederholte Betriebsprüfungen der Umsatzsteuer unterworfen worden waren.

 

Normenkette

AO § 223; VersStG § 3

 

Tatbestand

I. - Die Bfin. zu 1 (Steuerpflichtige - Stpfl. -), eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, betreibt nach den Bestimmungen des Landesfeuerversicherungsgesetzes (LFG) die Gebäudeversicherung im Land X. Von gewissen Ausnahmen abgesehen soll jedes im Land X belegene Gebäude bei der Stpfl. versichert werden. Jedes Gebäude wird durch örtliche Schätzer, die auf Antrag der Stpfl. und im Einvernehmen mit ihr durch die Ortsbehörde bestellt sind, nach Maßgabe des LFG in Verbindung mit einer von der Aufsichtsbehörde genehmigten Dienstvorschrift für die Schätzer der Anstalt (abgekürzt: SchätzDV) geschätzt (im folgenden kurz: Normalschätzung). Unter Mitwirkung des Bürgermeisters ist eine Schätzungsniederschrift aufzunehmen. Die Wirksamkeit der Versicherung beginnt mit der Aufnahme dieser Niederschrift. Außerdem kann (z. B. auch in Fällen, in denen der Eigentümer seiner ihm durch das LFG auferlegten Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist) ein Versicherungsverhältnis dadurch entstehen, daß im Rahmen einer Revisionsprüfung durch Schätzer der Stpfl. über ein noch zu versicherndes Gebäude eine Schätzungsniederschrift aufgenommen wird. Auch in diesem Fall beginnt die Wirksamkeit des Versicherungsverhältnisses mit der Aufnahme der Niederschrift. Die Stpfl. führt ein Feuerversicherungsverzeichnis (abgekürzt: FV-Verzeichnis), in das die versicherten Gebäude und deren Veränderungen eingetragen werden.

Zur Deckung aller Ausgaben der Stpfl. tragen die Gebäudeeigentümer außer den Versicherungsbeiträgen noch Nebengebühren, so u. a. für die Eintragung oder Umschreibung von Gebäuden im FV-Verzeichnis Einschreibungs- und Umschreibungsgebühren, für die Normal- und für die Revisionsschätzung Schätzungskosten und für die Prüfung von Blitzableiteranlagen überprüfungsgebühren.

Die Versicherungsbeiträge selbst hatte das Finanzamt früher der Versicherungsteuer unterworfen, dagegen Nebengebühren - insbesondere Umschreibe-, Blitzableiterprüfungs- u. ä. Gebühren - im Anschluß an frühere Betriebsprüfungen in den Jahren 1929, 1937, 1942 und 1946 der Umsatzsteuer. Nach einer Verkehrsteuerprüfung im Oktober 1955 und Januar 1956 hielt das Finanzamt - der Auffassung des Prüfers folgend - auch die Ein- und Umschreibungsgebühren für Teile des Versicherungsentgelts. Es setzte demgemäß aus den in der Zeit vom 1. Januar 1949 bis 31. Dezember 1955 vereinnahmten Einschreibungs- und Umschreibungsgebühren eine entsprechende Versicherungsteuer fest, die es in der Einspruchsentscheidung herabsetzte, da es die Steuer für das Jahr 1949 als verjährt betrachtete.

Mit der Berufung begehrte die Stpfl. Freistellung von der nachgeforderten Versicherungsteuer, da es sich bei den Einschreibungs- und Umschreibungsgebühren nicht um Leistungen zur Begründung und Durchführung des Versicherungsverhältnisses, sondern um besondere und auch besonders angeforderte Verwaltungsgebühren zur Abgeltung von Sonderleistungen handle.

Das Finanzamt beantragte, durch eine Zwischenverfügung des Finanzgerichts angeregt, außer den Einschreibungs- und Umschreibungsgebühren auch die Gebühren für die Revisionsschätzungen und für die Prüfung der Blitzableiteranlagen zur Versicherungsteuer heranzuziehen.

Auch hiergegen wandte die Stpfl ein, daß die Revisionsschätzungsgebühren und die Blitzableiterprüfungsgebühren ausschließlich durch die Person des einzelnen Versicherungsnehmers veranlaßte Sonderentgelte darstellten. Außerdem widerspreche es Treu und Glauben, wenn das Finanzamt trotz mehrfacher Betriebsprüfungen und entgegen der auf diese Prüfungen gegründeten 25jährigen übung statt der niedrigeren Umsatzsteuer nunmehr rückwirkend für die Jahre 1950 bis 1955 die Versicherungsteuer nachfordere.

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Außer den Einschreibungs- und Umschreibungsgebühren hielt es auch die Schätzungsgebühren für Teile des Versicherungsentgelts, die der Abgeltung genereller Leistungen in Verbindung mit dem Versicherungsverhältnis dienten. Es beschränkte die Versteuerung der Schätzungsgebühren, wie vom Finanzamt beantragt, nur auf die Revisionsschätzungsgebühren und setzte eine entsprechende Versicherungsteuer fest. Den Einwand des Verstoßes gegen Treu und Glauben ließ es nicht gelten, da nach seiner Auffassung die Nachforderung gemäß § 223 AO nur dann unzulässig gewesen wäre, wenn das Finanzamt seine Rechtsauffassung nach Abschluß der Prüfung nochmals geändert hätte. Die Blitzableiterprüfungsgebühren nahm es als Sonderentgelte im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 des Versicherungsteuergesetzes (VersStG) von der Besteuerung aus.

Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Rb. eingelegt.

Der Vorsteher des Finanzamts erstrebt die Versteuerung auch der ihrer Höhe nach noch festzustellenden Schätzungsgebühren für Normalschätzungen und der Blitzableiterprüfungsgebühren.

Die Stpfl. beantragt erneut Freistellung von der nachgeforderten Versicherungsteuer.

 

Entscheidungsgründe

II. -

Die Rbn. beider Parteien führen zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt.

Zur zutreffenden Abgrenzung des versicherungsteuerpflichtigen Entgeltes von nicht versicherungsteuerbaren sonstigen Leistungen des Versicherungsnehmers ist davon auszugehen, daß der Begriff des Versicherungsentgelts im Sinne des § 3 VersStG 1937 nach der vom Gesetz bewußt weit gefaßten Begriffsbestimmung umfassender ist als der der Prämie (des Entgelts) oder des Beitrags nach dem Versicherungsrecht (Wunschel-Kostboth, Versicherungsteuergesetz, § 3 Anm. 3, S. 84; Gambke-Heiliger, Versicherungsteuergesetz, 3. Aufl., § 3 Anm. 1, S. 75). Wie der Senat in dem Urteil II 64/58 U vom 11. Oktober 1961 (BStBl 1961 III S. 559, Slg. Bd. 73 S. 807, 809) ausgeführt hat, stellt Versicherungsentgelt jede Leistung dar, die für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses zu bewirken ist und der sich niemand entziehen kann, der einen Versicherungsvertrag abschließt oder wirksam fortsetzen will. Aus § 3 Abs. 1 Satz 2 VersStG, wonach die dort bezeichneten Sonderleistungen nicht zum Versicherungsentgelt rechnen, ergibt sich, daß grundsätzlich nur solche Kosten, deren Tragung der Gesamtheit der Versicherungsnehmer nicht zugemutet werden kann, vor allem also solche, die von dem einzelnen Versicherungsnehmer verschuldet oder aus in seiner Person liegenden Gründen veranlaßt sind, nicht zum Versicherungsentgelt gehören. Alle anderen Leistungen sind demnach als Versicherungsentgelte zu behandeln (vgl. insoweit auch das Urteil des erkennenden Senats II 30/60 vom 28. November 1963, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964 Nr. 137 S. 151 zu II 1).

Die Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze führt bei den einzelnen Gebühren zu folgender Beurteilung:

Die Einschreibungsgebühren für die Eintragung von Gebäuden oder Versicherungssummen in dem FV-Verzeichnis werden von allen Versicherungsnehmern in Verbindung mit dem Eintritt in das Versicherungsverhältnis erhoben. Der Versicherungsnehmer kann sich der gesetzlich geschuldeten Gebühr bei Begründung des Versicherungsverhältnisses nicht entziehen. Versicherungsentgelte im Sinne des § 3 VersStG sind nicht nur die unmittelbar für die Wagnisübernahme (Gefahrtragung) bestimmten Entgelte, sondern - von den Ausnahmen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VersStG abgesehen - auch die zur Bestreitung der allgemeinen und der durch die einzelnen Versicherungsverhältnisse allen Versicherungsnehmern entstehenden Verwaltungskosten, z. B. also auch die Schreibgebühren für die (erste) Ausstellung des Versicherungsscheins einschließlich der dazugehörigen Nachträge. Wie es unerheblich ist, ob eine Pflicht zur Ausstellung eines Versicherungsscheins besteht oder nicht und daß das Zustandekommen des Versicherungsverhältnisses nicht von der Ausfertigung eines Versicherungsscheines abhängt (Urteile des Reichsfinanzhofs II A 213/26 vom 3. August 1926, Bd. 19 S. 241; II A 473/29 vom 9. Oktober 1929, RStBl 1929 S. 676, Slg. Bd. 26 S. 32; II A 199/30 vom 29. April 1930, RStBl 1930 S. 370), so ist es im Streitfall ebenfalls nicht entscheidend, ob die Eintragung in das FV-Verzeichnis die Ausstellung eines Versicherungsscheins ersetzen soll oder nicht und ob die dem Versicherungsnehmer von der Stpfl. übersandte Abschrift der Schätzungsniederschrift den Charakter eines Versicherungsscheins hat oder zum besseren Verständnis des Versicherungsnehmers nur als solcher bezeichnet wird. Insbesondere kann die Versicherungsteuerpflicht der Einschreibungsgebühren also auch nicht daran scheitern, daß die Wirksamkeit des Versicherungsverhältnisses nicht erst mit der Eintragung des aufgenommenen Gebäudes im FV-Verzeichnis, sondern bereits mit der Aufnahme der Schätzungsniederschrift beginnt. Schließlich ist es unwesentlich, daß, wie die Stpfl. vorträgt, für die Abwicklung aller wichtigen versicherungstechnischen Geschäftsvorfälle (z. B. Einstufung der Gebäude, Schadensabwicklung) nicht das FV-Verzeichnis, sondern die Schätzungsniederschrift maßgebend ist. Entscheidend ist nur, daß das FV-Verzeichnis nach gesetzlicher Vorschrift zu führen ist und daß alle Versicherungsnehmer gleichmäßig zu entsprechenden Einschreibungsgebühren verpflichtet sind. Nicht gefordert ist, daß die Leistungen des Versicherers, die durch einen Entgeltsteil abgegolten werden, selbst unmittelbare Voraussetzungen des rechtswirksamen Zustandekommens eines Versicherungsverhältnisses sind. Auf die Art der Erhebung - getrennt oder zusammen mit den Versicherungsbeiträgen im engeren Sinn - kommt es nicht an.

Wenn die Stpfl. meint, daß die Entgelte der Begründung und Durchführung des Versicherungsverhältnisses zugleich dienen müßten und daß auch deshalb die Versicherungsteuerpflicht hinsichtlich der Einschreibungsgebühren verneint werden müsse, weil das Versicherungsverhältnis nicht auf der Grundlage des FV- Verzeichnisses, sondern auf der der Schätzungsniederschrift abgewickelt werde, so kann ihr insoweit nicht gefolgt werden. Schon aus dem Wortlaut "für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses" sowie aus der Geschichte der Neufassung des § 3 VersStG 1937 auf Grund der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (siehe Begründung zum Versicherungsteuergesetz 1937, RStBl 1937 S. 839, 841) und schließlich aus dem Sinn und Zweck dieser weiten Fassung des § 3 VersStG ergibt sich, daß es genügt, wenn das Entgelt für die Begründung des Versicherungsverhältnisses einerseits bzw. zu dessen (weiteren) Durchführungen andererseits gezahlt werden muß. Träfe die Auffassung der Stpfl. zu, so könnten entgegen aller bisherigen Rechtsprechung z. B. die im Klammerzusatz des § 3 VersStG 1937 ausdrücklich beispielhaft genannten Eintrittsgelder (Urteil des Reichsfinanzhofs II A 213/26, a. a. O.) und die Gebühren für die erste Ausfertigung eines Versicherungsscheins (Urteile des Reichsfinanzhofs II A 473/29 und II A 109/30, a. a. O.) - als in diesem Sinne nur der Begründung des Versicherungsverhältnisses dienend - nicht der Versicherungsteuer unterliegen. Ebenso könnten nicht Versicherungsteuerpflicht sein - weil nur der Durchführung dienend - Regulierungskosten, die erst bei Eintritt des Versicherungsfalles entstehen (Urteil des Reichsfinanzhofs II A 199/30, a. a. O., S. 370, rechte Spalte Mitte) oder Gebühren für Umzugsbestätigungen, insbesondere bei der Feuerversicherung (vgl. Wunschel-Kostboth, Versicherungsteuergesetz, § 3 Anm. 5 Abs. 4, S. 87), oder die trotz rechtzeitiger Zahlung berechneten Hebegebühren für Folgeprämien (Urteil des Reichsfinanzhofs II A 199/30, a. a. O., S. 371, rechte Spalte), oder gar die ebenfalls im Klammerzusatz des § 3 VersStG nunmehr erwähnten nachträglich nach Bedarf erhobenen Umlagen und Nachschüsse.

Aus den gleichen Erwägungen sind die Umschreibungsgebühren, die bei jedem Wechsel im Eigentum des versicherten Gebäudes erwachsen, in das versicherungsteuerpflichtige Entgelt einzubeziehen, da - wie das Finanzgericht festgestellt hat - durch den Wechsel des Eigentümers mit dem neuen Eigentümer ein neues Versicherungsverhältnis begründet wird. Da diese Einschreibungs- und Umschreibungsgebühren von allen Versicherungsnehmern gleichermaßen zu tragen sind, handelt es sich schließlich nicht um versicherungsteuerfreie Sonderentgelte im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 VersStG, die nur in Betracht kommen, wenn der einzelne Versicherungsnehmer noch besondere, auch besonders zu vergütende Leistungen des Versicherers begehrt.

Der Senat bejaht, wie das Finanzgericht, auch die Versicherungsteuerpflicht der Schätzungsgebühren, und zwar der Gebühren für die Revisionsschätzung und auch für die Normalschätzung.

Die Schätzung des Gebäudes ist unabdingbare gesetzliche Voraussetzung für das Versicherungsverhältnis. Von der Aufnahme der Schätzungsniederschrift hängt sowohl bei der Normal- als auch bei der Revisionsschätzung die Wirksamkeit des Versicherungsverhältnisses ab. Die Beitragshöhe, die Abschätzung des Brandschadens und die an den Versicherungsnehmer zu leistende Vergütung werden, wie die Stpfl. selbst vorträgt, maßgebend von Schätzung und Schätzungsniederschrift beeinflußt. Die Revisionsschätzung wird durch Schätzer, die von der Stpfl. anzustellen sind, vorgenommen. Ob diese Schätzer auf beamten-, arbeitsrechtlicher oder anderer vertraglicher Grundlage tätig werden, ist unerheblich; erheblich ist nur, daß sie im Auftrag der Stpfl. arbeiten. Die Schätzungsgebühren für die Revisionsschätzung vereinnahmt die Stpfl.; daß diese Gebühren von der Stpfl. an die Revisionsschätzer "wieder ausgekehrt" werden, ist nicht maßgebend, da hierdurch lediglich die Ansprüche der Revisionsschätzer gegenüber der Stpfl. (und nicht gegenüber den Versicherungsnehmern) getilgt werden.

Aber auch bei der Normalschätzung hat nicht der Versicherungsnehmer ein Schätzungsgutachten vorzulegen, anders als in dem vom Finanzgericht München durch das rechtskräftige Urteil IV 105/58 vom 9. Mai 1961 entschiedenen Fall, auf den sich die Stpfl. deshalb nicht berufen kann. Der Versicherungsnehmer hat auch keinen Einfluß auf die Wahl des Schätzers. Die Gebäudeschätzung ist auch bei der Normalschätzung vielmehr gesetzliche Aufgabe der Stpfl. selbst, die auch bei der Bestimmung der Ortsschätzer mitwirkt. Zutreffend hat das Finanzgericht deshalb darauf abgestellt, daß auch im letzteren Falle die Schätzungskommission auf Veranlassung und im Auftrag der Stpfl. tätig wird. Entscheidend ist ferner, daß die Gebühren auch der Normalschätzer gesetzlich von der Stpfl. zu tragen sind. Die Rechtsbeziehungen zwischen der Stpfl. und dem Versicherungsnehmer beruhen, soweit es sich um die Gebäudeschätzung handelt, unmittelbar auf Gesetz. Wenn nun nach der SchätzDV die Schätzungsvergütung vom Gebäudeeigentümer unmittelbar an die Schätzer zu zahlen ist, so kann dieser Anweisung gegenüber der gesetzlichen Regelung nur die Bedeutung einer vereinfachenden Zahlungsmodalität zukommen. Durch diese Zahlung der Schätzungsgebühren, die übrigens auch in die dem Versicherungsnehmer auszuhändigende Ausfertigung der Schätzungsniederschrift aufzunehmen sind, an den Schätzer wird der gesetzlich begründete Anspruch der Stpfl gegenüber dem Versicherungsnehmer auf Tragung dieser Kosten getilgt.

Bei dem durch diese Rechtsgestaltung begründeten engen rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Schätzungsgebühren und Begründung und Durchführung des Versicherungsverhältnisses handelt es sich um Leistungen, denen sich kein Versicherungsnehmer entziehen kann, nicht aber um Sondervergütungen für besondere Inanspruchnahme des Versicherers auf Grund von Sonderwünschen des einzelnen Versicherungsnehmers. Wie schon bei den durch Vermittlung eines Versicherungsvertrags entstehenden Maklerlöhnen (Urteil des Reichsfinanzhofs II A 199/30, RStBl 1930 S. 370 rechte Spalte), so ist auch hier die Tragung der Schätzungskosten als eines allgemeinen bzw. gleichermaßen bei Zustandekommen eines einzelnen Versicherungsverhältnisses erwachsenden Personalverwaltungskostenaufwandes der Gesamtheit aller Versicherungsnehmer zumutbar. Hieran ändert auch der Umstand nichts, daß die der Stpfl. zustehenden Schätzungsgebühren im Ergebnis der Honorierung der Schätzer dienen.

Da das Finanzgericht die Steuerpflicht auch hinsichtlich der Normalschätzungsgebühren für gegeben hielt und hinsichtlich der Nachforderung einen Verstoß gegen Treu und Glauben verneinte, hätte es das Finanzamt nicht auf ein neues, gemäß § 223 AO einzuleitendes Verfahren verweisen, sondern von Amts wegen auf Grund eigener entsprechender Ermittlungen (§§ 243, 244, 204 AO) die Steuer neu festsetzen oder den Rechtsstreit an das Finanzamt zurückverweisen müssen.

Dagegen erblickt der Senat in übereinstimmung mit dem Finanzgericht in den Blitzableiterprüfungsgebühren Sonderentgelte für die besondere Inanspruchnahme der Stpfl. Wie die Stpfl. unwidersprochen vorgetragen hat, besteht ein gesetzlicher Zwang zur Errichtung von Blitzschutzanlagen im Gebiet der Stpfl. nicht. Daß die Stpfl. im Interesse der Schadensminderung an schwach Bemittelte freiwillige Beihilfen zum Bau von Blitzschutzanlagen gewähren kann, ist auf die Beurteilung der Versicherungsteuerpflicht ohne Einfluß. Entschließt der Eigentümer sich freiwillig, an seinem Gebäude eine Blitzschutzanlage anzubringen, so kann er die Ordnungsmäßigkeit der Anlage nach seiner Wahl durch die Stpfl. oder durch private Sachverständige überprüfen lassen. Wenn die Stpfl. seit langem ohne rechtliche Verpflichtung auf Wunsch des Versicherungsnehmers die Blitzschutzanlagen überprüft, so erbringt sie eine besondere Leistung im Sinn des § 3 Abs. 1 Satz 2 VersStG, deren Vergütung nicht auf die Gesamtheit aller Versicherungsnehmer abgewälzt werden kann. Insbesondere kann sich der Versicherungsnehmer der Inanspruchnahme dieser Leistung durch Nichterrichtung einer Blitzschutzanlage entziehen, ohne daß diese der Wirksamkeit des Versicherungsverhältnisses an sich entgegenstünde. An dieser Beurteilung ändert der Umstand nichts, daß der Jahresversicherungsbeitrag sich bei fehlendem Nachweis einer ordentlichen Blitzschutzanlage nicht um ... v. H. ermäßigt, da es sich insoweit nur um eine Folgewirkung hinsichtlich der Beitragshöhe, nicht aber um eine das Versicherungsverhältnis selbst betreffende Wirkung handelt.

Demgemäß erweist sich insoweit die Rb. des Vorstehers des Finanzamts als unbegründet.

Die Versicherungsteuer wird gemäß § 15 der Durchführungsbestimmungen zum Versicherungsteuergesetz (VersStDB) durch formlosen Steuerbescheid im Sinne des § 212 AO festgesetzt, so daß Nachforderungen nach § 223 AO, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, innerhalb der Verjährungsfrist grundsätzlich ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 AO zulässig sind (Urteil II 260/58 U vom 19. Juli 1961, BStBl 1961 III S. 438, 439 rechte Spalte unten, Slg. Bd. 73 S. 471, 475). Die fünfjährige, durch die Betriebsprüfung und den Nachforderungsbescheid unterbrochene Verjährungsfrist (§§ 144, 147 AO) endet wegen des anhängigen Rechtsstreites frühestens mit dessen rechtskräftiger Erledigung (Urteil des Bundesfinanzhofs V z 72/55 U vom 31. Oktober 1957, BStBl 1957 III S. 454, Slg. Bd. 65 S. 576). Die Vorschrift des § 223 AO ist auf steuerrechtlich bisher überhaupt noch nicht erfaßte und auch auf bereits - wenn auch nicht zutreffend - erfaßte Rechtsvorgänge anwendbar (Urteil des Bundesfinanzhofs II 147/59 U vom 29. November 1961, BStBl 1962 III S. 62, Slg. Bd. 74 S. 159, 161). Allerdings darf die Nachforderung der Steuer nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs auch in den Fällen des § 223 AO unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen (Urteil II 260/58 U, a. a. O., S. 440 linke Spalte). So kann es gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn das Finanzamt einen ihm lückenlos bekannten Sachverhalt viele Jahre hindurch in steuerrechtlich möglicher Weise gewürdigt hat und wenn es, ohne daß neue, bisher nicht berücksichtigte Umstände dies rechtfertigten, lediglich wegen anderer, nunmehr für zutreffend gehaltener Rechtsauffassung die Steuer gemäß § 223 AO für bereits unanfechtbar abgeschlossene Zeiträume nachfordert (Urteile des Bundesfinanzhofs I 25/61 U vom 28. Februar 1961, BStBl 1961 III S. 252, 253 linke Spalte, Slg. Bd. 72 S. 689, 692, und II 260/58 U, a. a. O., S. 440).

Ob diese Voraussetzungen im Streitfall vorliegen, wird noch einer genauen Prüfung bedürfen. Zwar handelte es sich bei den Betriebsprüfungen in den Jahren 1929, 1937, 1942 und 1946 nicht um ausgesprochene Verkehrsteuerprüfungen, sondern um Prüfungen allgemeiner Art, in deren Rahmen jedoch auch die Umsatzsteuer geprüft worden ist. Da aber die Stpfl. ein Versicherungsunternehmen ist, muß - zumal bei der engen Wechselbeziehung zwischen Umsatz und Versicherungsteuer (§ 4 Ziff. 9 UStG) - davon ausgegangen werden, daß im Rahmen der Prüfung der Umsatzsteuer grundsätzlich wohl auch die versicherungsteuerrechtlichen Fragen geprüft und erörtert worden sein müssen. Dies ergibt sich auch aus dem Betriebsprüfungsbericht 1937. Andererseits enthalten die dem Senat vorliegenden Auszüge aus den Betriebsprüfungsberichten 1937, 1942 und 1946 ausdrücklich - soweit hier erheblich - nur Feststellungen über Blitzableiterprüfungsgebühren, Umschreibungs- u. a. Gebühren und sogenannte Hilfsgeschäfte und Bemerkungen darüber, daß diese Leistungen nach Meinung der Prüfer umsatzsteuerpflichtig seien; Einschreibungs- und Schätzungsgebühren sind nicht ausdrücklich erwähnt. Trotz der Bemerkung im Verkehrsteuerprüfungsbericht von 1956, daß sämtliche Nebenleistungen - auch alle Schätzungsgebühren - bisher zur Umsatzsteuer herangezogen worden seien, hält der Senat den Sachverhalt insoweit schon deshalb nicht für hinreichend geklärt, weil z. B. die normalen Schätzungsgebühren regelmäßig nicht durch die Bücher der Stpfl. gelaufen sind; es muß also vermutet werden, daß zumindest diese Schätzungsgebühren früher nicht zur Umsatzsteuer herangezogen worden sind. Es wird deshalb in geeigneter Weise im einzelnen noch festzustellen sein, inwieweit die Tatsachenermittlungen der Prüfer und deren Rechtsauffassung mit der Stpfl., etwa im Rahmen der Schlußbesprechungen, erörtert worden und zur Kenntnis des zuständigen Veranlagungsbeamten des Finanzamts gelangt sind. Ferner wird zu ermitteln sein, inwieweit die streitigen Gebühren tatsächlich zur Umsatzsteuer herangezogen worden sind und inwieweit in der Heranziehung von Gebühren zur Umsatzsteuer bzw. in der Unterlassung versicherungsteuerrechtlicher Folgerungen auf Grund wiederholter Betriebsprüfungen während eines Zeitraums von rund 2 1/2 Jahrzehnten eine ausdrückliche oder stillschweigende Billigung der früheren Auffassung der Betriebsprüfer zu erblicken ist. Dies müßte jedenfalls unter den besonderen Umständen des Streitfalls - zumal angesichts des rechtlich immerhin nicht unmöglichen, offensichtlich bis zur Versicherungssteuerprüfung im Oktober 1955 und Januar 1956 vertretenen Standpunktes des Finanzamts - zur Folge haben, daß die Nachforderungen der bereits unanfechtbar gewordenen Versicherungssteuer für die zurückliegende Zeit nach Treu und Glauben nicht mehr zulässig wäre. Dabei könnten etwaige Unklarheiten, die durch die Finanzverwaltungsbehörden verursacht worden wären, z. B. durch die Fassung der Betriebsprüfungsberichte oder durch nicht rechtzeitige, nur unvollständige Sachaufklärung von Amts wegen (§ 204 AO) unter Würdigung der besonderen, zum Teil schon Jahrzehnte zurückliegenden Verhältnisse des Streitfalls der Stpfl. keinesfalls zum Nachteil gereichen (vgl. insoweit auch Urteile des Bundesfinanzhofs IV 587/55 U vom 2. August 1956, BStBl 1956 III S. 340, 341 rechte Spalte, Slg. Bd. 63 S. 375, 378; VI 207/61 U vom 1. März 1963, BStBl 1963 III S. 271, Slg. Bd. 76 S. 743, 746). Der Unzulässigkeit der Steuernachforderung stünde im übrigen das Urteil des V. Senats V 92/61 S vom 16. Juli 1964 (BStBl 1964 III S. 634) nicht entgegen, da diese Entscheidung noch nicht veranlagte bzw. noch nicht unanfechtbar veranlagte Zeiträume, nicht aber Berichtigungsveranlagungen wie im Streitfall betrifft (siehe a. a. O. S. 635 rechte Spalte zu 2, erster Absatz am Ende, S. 636 linke Spalte oben).

Die Vorentscheidung, die hinsichtlich der Behandlung der Normalschätzungsgebühren (siehe oben II 2 b am Ende) und hinsichtlich der Frage der Verletzung von Treu und Glauben von anderen rechtlichen Erwägungen ausgeht, war aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache geht an das Finanzamt zurück, das die Besteuerung der streitigen Gebühren unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen erneut zu überprüfen haben wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411482

BStBl III 1965, 397

BFHE 1965, 415

BFHE 82, 415

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