Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleisanlage als selbständiges Wirschaftsgut - Teilwertabschreibung

 

Leitsatz (NV)

1. Hat sich ein gewerblicher Unternehmer in einem Erbbaurechtsvertrag verpflichtet, für seinen Frachtverkehr die Bahn zu benützen und hierzu einen Gleisanschluß zu erstellen, so sind die zur Erstellung der Gleisanlage aufgewendeten Kosten als Herstellungskosten zu aktivieren.

2. Auf die Herstellungskosten der Gleisanlage sind gemäß § 7 Abs. 1 und 2 EStG AfA auch dann vorzunehmen, wenn der Gleisanschluß nicht für Transportleistungen benützt worden ist.

3. Es wird vermutet, daß der Teilwert der Gleisanlage den um die AfA verminderten Herstellungskosten entspricht. Zur Widerlegung dieser Vermutung muß der Unternehmer vortragen, daß die Eingehung des Erbbaurechtsverhältnisses unter Einbeziehung auch der Aufwendungen für die Gleisanlage eine Fehlmaßnahme darstellte.

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1-2; HGB § 247 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, betreibt den Großhandel mit . . .

Sie schloß im Jahre 1974 mit . . . einen Erbbaurechtsvertrag hinsichtlich eines unbebauten Grundstücks . . . Das Erbbaurecht war auf 60 Jahre befristet. Im Zusammenhang mit diesem Vertrag hatte sie sich verpflichtet, für ihren Frachtverkehr die Bahn zu benutzen und hierzu einen Gleisanschluß zu erstellen. Eine entsprechende Verpflichtung hatten auch zwei Nachbarn der Klägerin übernommen. Gemeinsam mit diesen erstellte die Klägerin den Anschluß mit einer Weiche zum Hauptstammgleis. Von den Herstellungskosten entfielen . . . DM auf die Klägerin; sie aktivierte diesen Betrag und schrieb ihn entsprechend einer Nutzungsdauer von 25 Jahren ab. Zum 31. Dezember 1980 schrieb die Klägerin den Restbuchwert auf 1 DM ab, da sich die Investition als Fehlmaßnahme erwiesen habe; der Anschluß sei nie benutzt worden und werde auch in Zukunft nicht benutzt werden. Nach einer Außenprüfung ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Teilwertabschreibung nicht zu und änderte den Gewinnfeststellungsbescheid und den Gewerbesteuermeßbescheid 1980 ensprechend; auch in den Einheitswertfeststellungen des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1981 und 1982 berücksichtigte das FA die Teilwertabschreibung nicht.

Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat über den Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuermeßbescheid 1980 sowie die Einheitswertbescheide zum 1. Januar 1981 und 1982 in zwei gesonderten Urteilen entschieden.

Hiergegen richten sich die vom FG zugelassenen Revisionen der Klägerin, mit denen die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat die Revisionen gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu gemeinsamer Entscheidung verbunden; die Revisionen erweisen sich als unbegründet.

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Gleisanlage in der Steuerbilanz der Klägerin als selbständiges Wirtschaftsgut zu aktivieren und zu bewerten ist.

Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz war die Errichtung und Unterhaltung der Gleisanlage allerdings Vorbedingung für den Abschluß des Erbbaurechtsvertrages. Dies bedeutet, daß die Vorhaltung des Gleisanschlusses eine zusätzliche Leistung der Klägerin darstellte, die sie neben der Zahlung des Erbbauzinses im Rahmen des Erbbaurechtsverhältnisses übernahm. Dieses Rechtsverhältnis stellt trozt der ,,Verdinglichung" des Erbbaurechtes ein Dauerschuldverhältnis dar, das auf eine rechtlich befristete Nutzungsüberlassung gerichtet und deshalb als schwebendes Geschäft anzusehen ist (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Januar 1983 IV R 158/80, BFHE 138, 53, BStBl II 1983, 413; vom 8. Dezember 1988 IV R 33/87, BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407).

Es liegt deshalb nahe, die Kosten aus der Errichtung der Anlage als aktiven Rechnungsabgrenzungsposten zu aktivieren und ihn über die Dauer des Erbbaurechts zu verteilen, da es sich um eine Ausgabe vor dem Abschlußstichtag handelt, die Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tage darstellt (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes 1981 - EStG -). Die Rechtsprechung hat dies insbesondere für Erschließungsleistungen angenommen, die der Erbbauberechtigte im Interesse des Grundstückseigentümers übernimmt; sie hat hierin eine Vorleistung des Erbbauberechtigten für eine zeitbezogene Gegenleistung des Erbbauverpflichteten gesehen und eine Aktivierung der angefallenen Aufwendungen in einem aktiven Rechnungsabgrenzungsposten verlangt (vgl. BFH-Urteil vom 17. April 1985 I R 132/81, BFHE 144, 213, BStBl II 1985, 617; BFH in BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407).

Der Streitfall unterscheidet sich von diesen Entscheidungen jedoch dadurch, daß die Errichtung der Gleisanlage nicht eine Vorleistung an den Grundstückseigentümer bedeutete, sondern die Klägerin dadurch die Voraussetzungen für die ihr übernommene Verpflichtung zur Vorhaltung der Gleisanlage geschaffen hat. Ob derart vorgezogene Ausgaben zur Erfüllung der eigenen Verpflichtung aus einem schwebenden Dauerschuldverhältnis als Rechnungsabgrenzungsposten aktiviert werden können oder dies nur möglich ist, wenn eine Vorleistung gegenüber dem Vertragspartner erbracht wird (vgl. dazu BFH-Urteil vom 4. März 1976 IV R 78/72, BFHE 121, 318, BStBl II 1977, 380) bzw. ob gar eine Aktivierung als Anschaffungskosten für ein Nutzungsrecht am Grundstück in Frage kommt, kann hier dahinstehen. Denn die Gleisanlage muß nach den auch steuerlich bedeutsamen Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) als selbständiger Vermögensgegenstand in das Inventar aufgenommen werden (vgl. §§ 140 der Abgabenordnung - AO 1977 -, 240 Abs. 1 HGB), um anschließend als Vermögensgegenstand bzw. Wirtschaftsgut des Anlagevermögens aktiviert und bewertet zu werden (§ 247 Abs. 2 HGB, §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Als Erbbauberechtigte war die Klägerin Eigentümerin der Gleisanlage. Die danach gebotene Aktivierung der Ausgaben als Herstellungskosten eines materiellen Wirtschaftsguts geht aber ihrer Erfassung als Bestandteil eines Rechnungsabgrenzungspostens vor (vgl. BFH-Urteil vom 23. November 1978 IV R 20/75, BFHE 126, 448, BStBl II 1979, 143, 146, a. E.; Kropff bei Geßler/Hefermehl / Eckhardt / Kropff, Aktiengesetz, § 152 Rdnr. 93).

2. Demgemäß waren auf die Herstellungskosten der Gleisanlage Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 1 und 2 EStG vorzunehmen. Hierauf hat keinen Einfluß, daß der Gleisanschluß nicht für Transportleistungen benützt worden ist; sein wirtschaftlicher Nutzen besteht darin, daß sein Vorhandensein die Ausübung des Erbbaurechts sichert. Das FA hat den Umfang der Absetzungen nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer einer derartigen Anlage bemessen; dies ist nicht zu beanstanden, da diese Nutzungsdauer kürzer als die Laufzeit des Nutzungsrechts aus dem Erbbaurechtsvertrag war, dessen Gewährleistung die Vorhaltung der Anlage dient.

Die von der Klägerin erstrebte Teilwertabschreibung ist unter diesen Umständen nicht gerechtfertigt. Bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gilt die Vermutung, daß der Teilwert den um die AfA verminderten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten entspricht. Diese Vermutung kann widerlegt werden, wenn der Steuerpflichtige dartut, daß es sich bei der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts um eine Fehlmaßnahme handelte. Davon kann im Streitfall aber nicht gesprochen werden, weil die Errichtung der Gleisanlage im Zusammenhang mit der Erlangung des Erbbaurechts stand und die Klägerin nichts dafür vorgetragen hat, daß die Eingehung des Erbbaurechtsverhältnisses unter Einbeziehung auch der Aufwendungen für die Gleisanlage eine Fehlmaßnahme darstellte. Diesen Gegebenheiten hätte auch ein Betriebserwerber Rechnung getragen, der auf die Aufrechterhaltung des Erbbaurechtsverhältnisses angewiesen gewesen wäre; auch er wäre zur Vorleistung des Gleisanschlusses verpflichtet gewesen und hätte ihn daher bei der Ermittlung des Gesamtkaufpreises berücksichtigt.

3. Zu Recht beanstandet die Klägerin jedoch die Kostenentscheidung des FG in seinem Urteil betreffend die Einheitswertfeststellungen des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1981 und 1982. Die Klägerin hatte eine Herabsetzung des Einheitswerts zum 1. Januar 1981 um 32 000 DM und des Einheitswerts zum 1. Januar 1982 um 69 000 DM, insgesamt also um 101 000 DM verlangt. Das FA hat diesem Begehren durch Herabsetzung des Einheitswerts zum 1. Januar 1982 um 38 000 DM entsprochen. Dem ist gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO dadurch Rechnung zu tragen, daß das FA 20 v. H. der Kosten des Klageverfahrens trägt; hierdurch wird berücksichtigt, daß die Verhandlungsgebühr nur nach dem verminderten Wert angefallen, die Klägerin insoweit aber in vollem Umfang unterlegen ist.

Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416766

BFH/NV 1991, 361

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge