Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Dienstleistungen des Erben in einem ihm und dem Erblasser gemeinsam gehörenden Betrieb handelt es sich um Dienstleistungen der Erben auch in seinem eigenen Betrieb. Es ist nicht angängig, die geleisteten Dienste nach dem auf den Erben und dem auf den Erblasser entfallenden Betriebsanteil aufzuteilen. Dem Erben steht deshalb ein Abzug nach § 24 ErbStG vom Erwerb nicht zu.

Ein zum Gesamtgut der ehelichen allgemeinen Gütergemeinschaft oder fortgesetzten Gütergemeinschaft des Bürgerlichen Gesetzbuches gehörender Betrieb ist ein solcher auch der Ehefrau (in ersterem Fall) bzw. der anteilsberechtigten Abkömmlinge (in letzterem Fall). Die genannten Personen können also einen Abzug nach § 24 ErbStG für unentgeltliche Dienstleistungen in dem zum Gesamtgut gehörenden Betrieb nicht beanspruchen.

 

Normenkette

ErbStG §§ 24-25

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (Bg.) ist Testamentsvollstrecker über den Nachlaß des am 11. Dezember 1946 in H verstorbenen Kaufmanns Friedrich B. Er hat in der Erbschaftsteuererklärung gemäß § 24 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) beantragt, von dem Erwerb der Witwe und Alleinerbin des B. einen Betrag von jährlich 4.800 RM für die Zeit der unentgeltlichen Arbeitsleistung der Erbin in dem zum Gesamtgut der allgemeinen Gütergemeinschaft gehörenden Betrieb abzuziehen, und den Antrag demnächst durch Schreiben vom 11. Mai 1948 auf die Zeit der Dienstleistung nach dem 31. Dezember 1923 beschränkt. Die Eheleute B hatten vor 1900 in H die Ehe geschlossen und ihren ersten ehelichen Wohnsitz in H genommen. Sie lebten somit, da sie das maßgebende eheliche Güterrecht nicht späterhin durch Ehevertrag geändert hatten, im Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft des Bürgerlichen Gesetzbuches, in die der für die vor 1900 in H geschlossenen Ehen geltende Güterstand der Gütergemeinschaft des ..... Rechts übergeleitet worden ist. Das Finanzamt hat dem Antrag weder in dem - vorläufigen - Erbschaftsteuerbescheid noch in seiner Einspruchsentscheidung entsprochen. Das Finanzgericht hat für die Zeit vom 1. Januar 1924 bis 31. Dezember 1944 (- der Betrieb ist seit April 1945 verpachtet -), also für 21 Jahre, einen Barlohn für die Erbin nur in Höhe von 300 RM monatlich (3.600 RM jährlich) als angemessen angesehen und mit Rücksicht darauf, daß nur die auf den Erblasser B entfallende Hälfte des Gesamtguts zur Erbschaftsteuer herangezogen wird, von dem Betrag dieses Barlohns mit 21 x 3.600 RM = 75.600 RM die Hälfte (75.600 : 2 37.800 RM) zum Abzug zugelassen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Finanzamtsvorstehers, mit der beantragt wird, einen Abzug gemäß § 24 ErbStG nicht zuzubilligen. Der Bg. hat innerhalb der ihm zur Erklärung auf die Rb. gesetzten Frist beantragt, einen Abzug von 400 RM monatlich für die ab 1. Januar 1924 geleisteten Dienste zuzubilligen; dieser Antrag ist als Einlegung einer Anschlußbeschwerde anzusehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Finanzamtsvorstehers ist begründet.

I. der Reichsfinanzhof hat in dem Urteil VI A 22/22 vom 1. März 1922 (Mrozek-Kartei, ErbStG 1919, Rechtsspr. 3 zu § 25 Abs. 4) ausgeführt, daß der Erbe, der in einem ihm und dem Erblasser gemeinsam gehörenden Betrieb unentgeltliche Dienste geleistet hat, einen Abzug vom Erbschaftserwerb wegen dieser Dienste nicht beanspruchen kann. Bei Dienstleistungen des Erben in einem ihm und dem Erblasser gemeinsam gehörenden Betriebe handle es sich um Dienstleistungen des Erben auch in seinem eigenen Betrieb, es sei aber nicht angängig, die geleisteten Dienste etwa nach dem auf den Erben und den Erblasser entfallenden Betriebsanteil aufzuteilen. An diesem allgemeinen Grundsatz hat der Reichsfinanzhof auch in der Folgezeit festgehalten (Urteil V e A 260/25 vom 13. November 1925, Mrozek-Kartei, ErbStG 1925, Rechtsspr. 1 zu § 24). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Späterhin hat der Reichsfinanzhof den Anwendungsbereich des erwähnten allgemeinen Grundsatzes eingeschränkt, und zwar zunächst für den Fall der fortgesetzten westfälischen Gütergemeinschaft (Urteil V e A 726/27 vom 14. Februar 1928, Mrozek-Kartei, ErbStG 1925, Rechtsspr. 4 zu § 24), danach auch für den Fall der fortgesetzten allgemeinen Gütergemeinschaft des Bürgerlichen Gesetzbuches (Urteil V e A 20/33 vom 16. Februar 1934, Reichssteuerblatt 1934 S. 708 = Mrozek-Kartei, ErbStG 1925, Rechtsspr. 22 zu § 24). Der Reichsfinanzhof ist in diesen beiden Entscheidungen - abgesehen von der für die fortgesetzte westfälische Gütergemeinschaft geltenden Besonderheit - davon ausgegangen, daß bei fortgesetzter Gütergemeinschaft das Verhältnis zwischen überlebendem Ehegatten und anteilsberechtigten Abkömmlingen wirtschaftlich so geregelt sei, daß letztere auf keinen Fall als Mitinhaber des zur fortgesetzten Gütergemeinschaft gehörenden Betriebs angesehen werden könnten; nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde der überlebende Ehegatte Herr des Gesamtguts. Deshalb sei den anteilsberechtigten Abkömmlingen ein Abzug nach § 24 ErbStG zuzubilligen.

II. Die angefochtene Entscheidung ist der Auffassung, daß die Stellung der Ehefrau in der ehelichen Allgemeinen Gütergemeinschaft nicht wesentlich stärker sei als die der anteilsberechtigten Abkömmlinge in der fortgesetzten allgemeinen Gütergemeinschaft, und hat deshalb den in den beiden letzterwähnten Urteilen niedergelegten Rechtsgedanken auch auf den Fall der unentgeltlichen Mitarbeit der Ehefrau B in dem zum Gesamtgut der allgemeinen Gütergemeinschaft gehörenden Betrieb angewandt. Dem Finanzgericht ist zuzugeben, daß die neuere Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs folgerichtig zu dem von der Vorentscheidung eingenommenen Standpunkt führen müßte; die gegenteilig von der Rb. vertretene Auffassung ist nicht zutreffend.

III. Indessen kann der erkennende Senat dem in den Urteilen des Reichsfinanzhofs V e A 726/27 vom 14. Februar 1928 und V e A 20/33 vom 16. Februar 1934 vertretenen Rechtsstandpunkt nicht beitreten. Wenn diese beiden Entscheidungen, wie bereits oben erwähnt, davon ausgehen, bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft werde der überlebende Ehegatte "Herr des Gesamtguts", so kann dem, abgesehen von der rechtlichen Unbestimmtheit dieses Ausdrucks, schon um deswillen nicht gefolgt werden, weil von einer Herrschaft des überlebenden Ehegatten nur hinsichtlich seines - allerdings weitgehenden - Verwaltungsrechts gesprochen werden kann. Es kommt aber für die hier zu entscheidende Frage nur auf die Beteiligung des anteilsberechtigten Abkömmlings an der Substanz des zum Gesamtgut gehörenden Betriebs an, wie die Worte in § 24 ErbStG "im Betrieb des Erblassers" erkennen lassen; § 24 ErbStG stellt nur auf die Eigentumsverhältnisse an dem zum Gesamtgut gehörenden Betrieb ab. Diese Beteiligung des anteilsberechtigten Abkömmlings an der Substanz des zum Gesamtgut gehörenden Betriebs kann nun auch vom Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus nicht bestritten werden. Der Reichsfinanzhof hat in dem Gutachten I D 3/18 vom 9. April 1919 (Bd. 1 Teil B S. 51 ff. der Amtl. Slg.) ausgeführt (a. a. O. S. 59), es genüge, festzustellen, daß die Ansicht von einer besonderen Rechtstellung bezüglich der Substanz des Vermögens für einen verwaltungsberechtigten Miteigentümer - den überlebenden Ehegatten - (in der Wissenschaft und Praxis) nicht vertreten wird. In der Tat sei auch durch das Recht des Ehemanns (bei der ehelichen allgemeinen Gütergemeinschaft) bzw. des überlebenden Ehegatten (bei der fortgesetzten allgemeinen Gütergemeinschaft) das Recht der übrigen Beteiligten zwar zurückgedrängt, aber nicht beseitigt. Bei dieser Sachlage lasse sich der Standpunkt nicht halten, daß für die wirtschaftliche Betrachtungsweise das Gesamtgut Vermögen des Ehemanns (bei der ehelichen allgemeinen Gütergemeinschaft) bzw. des überlebenden Ehegatten (bei der fortgesetzten allgemeinen Gütergemeinschaft) sei und die damit nicht übereinstimmende (zivil-)rechtliche Konstruktion außer Betracht zu bleiben habe. Nach Auffassung des Reichsfinanzhofs (a. a. O. S. 60) gehört auch für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise der Gesamtgutsanteil zum Vermögen der Ehefrau (bei der ehelichen allgemeinen Gütergemeinschaft) oder des Abkömmlings (bei der fortgesetzten allgemeinen Gütergemeinschaft). Der erkennende Senat pflichtet diesen Ausführungen in vollem Umfang bei. Infolgedessen kann insbesondere auch nicht der in dem Urteil vom 16. Februar 1934 - ohne nähere Begründung - von der fortgesetzten westfälischen Gütergemeinschaft auf die fortgesetzte allgemeine Gütergemeinschaft des Bürgerlichen Gesetzbuches übertragenen Auffassung gefolgt werden, daß der anteilsberechtigte Abkömmling (- bei der ehelichen allgemeinen Gütergemeinschaft die Ehefrau -) von dem überlebenden Ehegatten (- bei der ehelichen allgemeinen Gütergemeinschaft von dem Ehemann -) wirtschaftlich durchaus abhängig sei; abgesehen von der auch hier vorliegenden Unbestimmtheit der Ausdrucksweise trifft das jedenfalls hinsichtlich der Beteiligung an der Substanz des Gesamtguts nicht zu. Für die hier vertretene Auffassung spricht schließlich die ausdrückliche Bestimmung des § 76 des Bewertungsgesetzes - BewG - (RBewG), deren es nicht bedurft hätte, wenn das Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft ohnehin nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise als im alleinigen Eigentum des überlebenden Ehegatten stehend anzusehen wäre (vgl. hierzu auch noch § 20 Abs. 2 des Vermögensteuergesetzes - VStG -). Dahingestellt bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob in den Fällen der fortgesetzten westfälischen Gütergemeinschaft mit Rücksicht auf die in ihr herrschenden besonderen Rechtsverhältnisse ein Abzug nach § 24 ErbStG für den anteilsberechtigten Abkömmling zuzubilligen ist.

IV. Der erkennende Senat kommt hiernach zu dem Ergebnis, daß ein zum Gesamtgut der ehelichen allgemeinen Gütergemeinschaft oder der fortgesetzten allgemeinen Gütergemeinschaft gehörender Betrieb ein solcher auch der Ehefrau (im ersteren Fall) bzw. der anteilsberechtigten Abkömmlinge (im letzteren Fall) ist, die genannten Personen also auf Grund des oben dargelegten allgemeinen Grundsatzes einen Abzug nach § 24 ErbStG für unentgeltliche Dienstleistungen in dem zum Gesamtgut gehörenden Betrieb nicht beanspruchen können. Hiernach muß die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Einspruchsentscheidung des Finanzamts aufrechterhalten werden. Die Anschlußbeschwerde des Bg. erweist sich dementsprechend als unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 307 ff. der Reichsabgabenordnung (AO).

V. Die Vorinstanzen haben übersehen, daß §§ 104, 106 Abs. 2 AO dem Testamentsvollstrecker die steuerlichen Pflichten bezüglich des von ihm verwalteten Vermögens auferlegen und die Erbin deshalb nicht befugt ist, ihre Interessen an dem verwalteten Vermögen selbständig im Sinne des § 241 Abs. 1 Satz 2 AO wahrzunehmen. Beteiligter im vorliegenden Verfahren ist deshalb der Testamentsvollstrecker, nicht die Erbin, so daß die Entscheidungsformel der Einspruchsentscheidung entsprechend zu berichtigen ist.

Das Finanzamt hat auch verkannt, daß der Testamentsvollstrecker einen Abzug nach § 24 ErbStG nicht für 41 Jahre, sondern nur für 21 1/4 Jahre begehrt hat (Bl. 25 ErbSt-Akte).

Die Streitwertfestsetzung in der Einspruchsentscheidung muß demnach entsprechend berichtigt werden.

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Berufung des Testamentsvollstreckers gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 31. August 1949 wird mit folgender Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen:

Die Formel der Einspruchsentscheidung wird dahin berichtigt, daß die Worte "In der Erbschaftsteuersache der Ehefrau Wilhelmine B als Alleinerbin des am 11. Dezember 1946 in H verstorbenen Johann Friedrich Martin B" ersetzt werden durch die Worte "In der Erbschaftsteuersache des Steuerberaters C als Testamentsvollstrecker über den Nachlaß des Kaufmanns Friedrich B".

Der Streitwert für den Einspruch wird auf 31.600 RM = 3.160 DM festgestellt.

Die Anschlußbeschwerde des Testamentsvollstreckers wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung und der Rechtsbeschwerde hat der Testamentsvollstrecker zu tragen. Der Streitwert wird für die Berufung auf 45.400 RM = 4.540 DM und für die Rechtsbeschwerde auf 31.600 RM = 3.160 DM festgestellt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407552

BStBl III 1953, 50

BFHE 1954, 127

BFHE 57, 126

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