Leitsatz (amtlich)

Bei der nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG vorzunehmenden Prüfung, ob die Einkünfte, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen wurde, insgesamt mehr als 800 DM betragen, sind die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ohne Kürzung um den Freibetrag nach § 13 Abs. 3 EStG anzusetzen.

 

Normenkette

EStG 1969 § 2 Abs. 4, 6, § 13 Abs. 3, § 46 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3

 

Tatbestand

Der Kläger bezog im Streitjahr 1970 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 9 909 DM. Daneben hatte er Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) - entsprechend den Gewinnen der Wirtschaftsjahre 1969/70 und 1970/71 - bei der Veranlagung mit 1 984 DM ansetzte. Den Freibetrag von 1 200 DM gemäß § 13 Abs. 3 EStG zog das FA erst von der, Summe der Einkünfte ab. Dadurch lagen die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft über der Besteuerungsgrenze von 800 DM nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 EStG. Der Kläger war dagegen der Meinung, seine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft betrügen infolge der Kürzung durch den Freibetrag nur 784 DM, deshalb komme § 46 Abs. 3 EStG zur Anwendung. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG vertrat die Auffassung, das FA habe den Kläger zu Recht wegen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zur Einkommensteuer veranlagt. Da diese Einkünfte 1 984 DM betragen hätten, liege weder der Fall der Nichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG vor, der voraussetze, daß die Einkünfte, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden sei, 800 DM nicht übersteigen würden, noch sei ein Härteausgleich gemäß § 46 Abs. 5 EStG in Verbindung mit § 70 EStDV durchzuführen, da die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auch über 1 600 DM lägen. Der Kläger ziehe aus der Wortfassung des § 13 Abs. 3 EStG zu Unrecht den Schluß, daß die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sich aus dem um den Freibetrag von 1 200 DM geminderten Gewinn ergäben. Diese Auffassung würde bedeuten, daß Steuerpflichtige mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft bis zu 2 000 DM, bei zusammenveranlagten Ehegatten sogar bis zu 3 200 DM, nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht zur Einkommensteuer herangezogen würden. Auch die Bestimmung des § 46 Abs. 3 EStG, deren Anwendung der Kläger begehre, komme nicht zur Anwendung. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage ließ das FG gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zu.

Mit der Revision beantragt der Kläger, für die Frage des Überschreitens der Besteuerungsgrenze von 800 DM nach § 46 EStG die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft mit 784 DM anzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Bei der Streitfrage geht es darum, ob im Veranlagungszeitraum 1970 die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft, die bei ihm identisch sind mit den Einkünften, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist, im Sinne des § 46 EStG 1 984 DM betragen haben, wovon das FA ausgegangen ist, oder 784 DM, wie der Kläger meint. Betrügen sie nur 784 DM, so lägen sie unter der Besteuerungsgrenze von 800 DM. Es käme dann § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG zum Zuge, wonach bei Einkommen bis zu 24 000 DM eine Veranlagung nur durchgeführt wird, wenn die Einkünfte, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist, insgesamt mehr als 800 DM betragen. Ist hingegen der Ansatz von 1 984 DM zutreffend, so muß der Kläger mit diesen Einkünften und den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG zur Einkommensteuer veranlagt werden. Eine Kürzung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft um 800 DM gemäß § 46 Abs. 3 EStG, die der Kläger vor dem FG begehrt hat, und ein Härteausgleich nach § 46 Abs. 5 EStG in Verbindung mit § 70 EStDV, der nur bei Einkünften zwischen 1 600 DM und 800 DM anzuwenden ist, kommt also hier - gleichgültig wie die Streitfrage zu entscheiden ist - nicht in Betracht.

Die Entscheidung hängt zunächst davon ab, ob bei der Veranlagung 1970 der sich aus den Gewinnen der zugehörigen Wirtschaftsjahre 1969/70 und 1970/71 ergebende Betrag nach § 13 Abs. 3 EStG um den Freibetrag von 1 200 DM gemindert werden muß, um die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 13 Abs. 1 und 2 EStG zu erhalten.

Gemäß § 2 Abs. 4 EStG sind die Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus Land- und Forstwirtschaft sein Gewinn aus dieser Einkunftsart, wobei gemäß § 2 Abs. 6 EStG bei Land- und Forstwirten der Gewinn des abweichenden Wirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr beginnt, und auf das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr endet, entsprechend dem zeitlichen Anteil aufzuteilen ist. Danach betrugen die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft 1970 1 984 DM. Wenn es in § 13 Abs. 3 EStG heißt, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft werden bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte nur berücksichtigt, soweit sie den Betrag von 1 200 DM bzw. 2 400 DM übersteigen, so ergibt sich nach Auffassung des Senats bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, daß der Abzug des Freibetrages für Land- und Forstwirte die Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und ihre Höhe nicht ändern soll. Denn nach dem Wortlaut ist der Freibetrag erst bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte abzuziehen, und zwar in der Weise, daß die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in den Gesamtbetrag der Einkünfte nur einzubeziehen sind, soweit sie den Betrag von 1 200 DM bzw. 2 400 DM übersteigen. Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sind zunächst, ohne Berücksichtigung des Freibetrages, neben den anderen ermittelten Einkünften in der sich aus den obigen Ausführungen ergebenden Höhe anzusetzen; sie sind nicht unmittelbar, vorihrem Ansatz als "ermittelte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft" um den Freibetrag zu mindern, was im vorliegenden Fall bedeuten würde, daß sie überhaupt nicht anzusetzen wären, weil sie durch den Freibetrag unter 800 DM sinken würden. Der Zweck des Freibetrages nach § 13 Abs. 3 EStG liegt nicht darin, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft selbst zu mindern, sondern ihre Besteuerung zu ermäßigen. Wären die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft selbst von vornherein um den Freibetrag zu mindern, so müßte § 13 Abs. 3 EStG den Abzug des Freibetrages bei der Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft vorschreiben. Außerdem wäre ein entsprechender Hinweis in § 2 Abs. 4 EStG erforderlich.

Mit der Erkenntnis, daß die Höhe der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, wie sie sich aus § 2 Abs. 4 und 6 und § 13 Abs. 1 und 2 EStG ergibt, durch den Abzug des Freibetrages nach § 13 Abs. 3 EStG keine Änderung erfährt, ist aber die Streitfrage noch nicht entschieden. Man könnte daran denken, daß wenigstens im Rahmen des § 46 Abs. 2 und 3 EStG bei der Feststellung der Besteuerungsgrenze von 800 DM die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in der um den Freibetrag gekürzten Höhe anzusetzen seien. Zu dieser Frage vertritt der Senat die Auffassung, daß der Begriff der einzelnen Einkünfte des Einkommensteuergesetzes und ihre Höhe in den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und der Steuergesetze überhaupt stets derselbe ist. Wenn also im Rahmen des § 34 EStG oder - wie hier - im Rahmen des § 46 EStG bestimmte Einkünfte zu berücksichtigen sind, so können sie auch der Höhe nach nur die Einkünfte sein, wie sie nach den §§ 2, 13 bis 24 EStG zu ermitteln sind. Danach sind in allen Fällen, in denen es nach den Steuergesetzen auf die Höhe der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ankommt, diese Einkünfte ohne Minderung durch den Freibetrag nach § 13 Abs. 3 EStG zugrunde zu legen. So ist z. B. auch bei der Frage zu verfahren, ob der Steuerpflichtige gemäß § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e AO buchführungspflichtig ist, weil seine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 12 000 DM übersteigen. Der Eintritt in die Buchführungspflicht ist von der Berücksichtigung des Freibetrages und seiner Höhe (1 200 DM oder 2 400 DM) unabhängig. Dasselbe gilt für die Berechnung der Besteuerungsgrenze von 800 DM nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG, nach § 46 Abs. 3 EStG und ebenso für die Anwendung des Härteausgleiches nach § 46 Abs. 5 EStG in Verbindung mit § 70 EStDV.

Für die Frage, ob die Einkünfte, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist, die Besteuerungsgrenze von 800 DM nicht übersteigen und deshalb eine Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht durchzuführen ist, sind also die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ohne Abzug des Freibetrages anzusetzen. Da die Einkünfte des Klägers, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist, nur aus den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 1 984 DM bestehen, sind diese Einkünfte - auch ohne Vornahme eines Härteausgleiches nach § 46 Abs. 5 EStG - zur Einkommensteuer zu veranlagen, weil sie über 800 DM und auch über 1 600 DM liegen. Es kann nicht deshalb von einer Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG abgesehen werden, weil diese Einkünfte nach Abzug des Freibetrages von 1 200 DM nur noch mit 784 DM der Besteuerung unterliegen.

 

Fundstellen

BStBl II 1976, 413

BFHE 1976, 209

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