Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Frage, ob und in welcher Höhe bei der Veranlagung für den Veranlagungszeitraum 1952 wegen einer für den Veranlagungszeitraum 1950 gewährten Vergünstigung für nicht entnommenen Gewinn eine Nachversteuerung vorzunehmen ist, kann die im § 30 EStDV 1950 vorgesehene Verrechnung auch nachträglich durchgeführt werden, wenn die Veranlagungen für die Veranlagungszeiträume 1950 und 1951 zwar rechtskräftig sind, aber durch die Verrechnung nicht berührt werden.

 

Normenkette

EStG § 10a/1; EStDV §§ 30, 58b

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (Bg.) ist an einer OHG beteiligt. Für die Veranlagungszeiträume 1950 und 1951 ist er seinen Erklärungen entsprechend veranlagt worden. Für den Veranlagungszeitraum 1950 hat er die Vergünstigung für nicht entnommenen Gewinn in Anspruch genommen. Der im Steuerbescheid 1950 festgestellte Betrag ist 2.760 DM. Die Veranlagungen sind rechtskräftig.

Weil die Entnahmen des Veranlagungszeitraums 1952 den Gewinn um mehr als den festgestellten Betrag überschritten, versteuerte das Finanzamt den Betrag nach, indem es ihn den Einkünften des Jahres 1952 hinzusetzte. Der Bg. wandte sich gegen die Nachversteuerung, indem er geltend machte: Bei Berücksichtigung seiner einkommensteuerlichen Zahlungsverpflichtungen und Erstattungsansprüche für die Jahre 1950 bis 1952 gemäß § 30 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1950 ergebe sich für den Veranlagungszeitraum 1952 keine Mehrentnahme. Wenn er seine außerhalb der Bilanz vorgenommenen Abgrenzungen nicht eher eingereicht habe, so sei das darauf zurückzuführen, daß die Abgrenzung weder für die Veranlagung 1950 noch für die Veranlagung 1951 von Bedeutung gewesen sei.

Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht hielt die nachträgliche Geltendmachung der Abgrenzung für zulässig und demgemäß eine Mehrentnahme nicht für gegeben.

Mit seiner Rechtsbeschwerde wehrt sich der Vorsteher des Finanzamts gegen die Aufhebung der Nachversteuerung. Er trägt vor: Wenn der Steuerpflichtige von der Möglichkeit des § 30 EStDV 1950 Gebrauch machen wolle, so könne er dies nur durch Aktivierung seiner Erstattungsansprüche oder Passivierung seiner Zahlungsverpflichtungen in der Handelsbilanz. Auf Grund des § 30 EStDV 1950 seien die hier in Betracht kommenden privaten Forderungen und Schulden wie betriebliche zu behandeln. Wenn auch der Gewinn nicht berührt werde, so ändere sich durch die Bildung von Besitz- und Schuldposten doch die Höhe des in der Schlußbilanz ausgewiesenen Kapitals. Die Vorschrift des § 30 EStDV 1950 sei eine Kannvorschrift. Mache der Steuerpflichtige von ihr keinen Gebrauch, so sei die Bilanz nicht unrichtig. Nach Rechtskraft der Veranlagungen sei eine änderung der einmal eingereichten Bilanzen nicht mehr möglich.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist im Streitpunkt unbegründet.

Das Finanzgericht hat die Zulässigkeit der nachträglichen Verrechnung zu Recht bejaht. Wie der IV Senat in seiner Entscheidung IV 269/54 U vom 15. September 1955 (Slg. Bd. 61 S. 378, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 345) ausgeführt hat, ist den Erfordernissen des § 30 EStDV 1949 und des § 30 EStDV 1950 ausreichend Rechnung getragen, wenn die Erstattungsansprüche und Zahlungsverpflichtungen nicht buchmäßig in der Bilanz ausgewiesen, sondern außerhalb der Bilanz durch Zu- und Abrechnung bei den buchmäßig festgestellten Entnahmen und Einlagen berücksichtigt werden. Der erkennende Senat ist derselben Auffassung. Wegen der Gründe wird auf die erwähnte Entscheidung verwiesen. Weil eine Aktivierung und Passivierung innerhalb der Bilanz nicht erforderlich ist, die den Veranlagungen im Streitfall zugrunde liegenden Bilanzen durch die vom Bg. geltend gemachte Verrechnung also nicht berührt werden, taucht die vom Finanzamt aufgeworfene Frage der Bilanzänderung gar nicht auf. Zuzugeben ist dem Finanzamt, daß sich gewisse Bedenken daraus ergeben, daß der Bg. in seinen Einkommensteuer-Erklärungen für 1950, 1951 und 1952 nur die tatsächlichen Entnahmen angegeben und die Verrechnung erst später, nämlich im Berufungsverfahren, geltend gemacht hat. In der Regel ist der Steuerpflichtige auch bei der Ausübung ihm offenstehender Wahlmöglichkeiten an seine Erklärungen gebunden. Ihre änderung ist insbesondere dann ausgeschlossen, wenn sie einer rechtskräftigen Veranlagung zugrunde liegen und deren Wiederaufrollung Voraussetzung für die änderung wäre. Daß sich eine zunächst günstig scheinende Erklärung später als ungünstig erweist, wird in der Regel kein ausreichender Grund sein, um das Finanzamt zur Wiederaufrollung des Veranlagungsverfahrens (ß 94 der Reichsabgabenordnung - AO -) zu veranlassen. Da es jedoch der Zweck des § 30 EStDV 1950 (ß 58 b EStDV 1952) ist, dem Steuerpflichtigen die Inanspruchnahme der Vergünstigung für nicht entnommenen Gewinn durch die in der Vorschrift vorgesehene Verrechnungsmöglichkeit zu erleichtern, und die Vorschrift über den Zeitpunkt der Ausnutzung dieser Möglichkeit nichts sagt, wird man, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, dem Steuerpflichtigen die nachträgliche Verrechnung jedenfalls dann nicht verwehren können, wenn, wie im Streitfall, die laufende Veranlagung noch nicht rechtskräftig ist und die vorhergehenden Veranlagungen zwar rechtskräftig sind, aber durch die Verrechnung nicht berührt werden.

Die Entscheidung des Finanzgerichts ist danach nicht zu beanstanden. Trotzdem muß sie aufgehoben werden. Sie geht noch davon aus, daß der Bg. mit seiner Ehefrau zusammen zu veranlagen sei. Nach der auch für den Streitfall geltenden Regelung aus § 26 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (Bundesgesetzblatt 1957 I S. 848) ist die Veranlagung grundsätzlich getrennt durchzuführen (vgl. die Entscheidung des erkennenden Senats VI 33/56 U vom 31. Oktober 1957, BStBl 1957 III S. 433). Die Sache war, weil nicht spruchreif, an das Finanzamt zurückzuverweisen, das nunmehr im Einspruchsverfahren zu entscheiden hat.

 

Fundstellen

BStBl III 1958, 74

BFHE 1958, 188

BFHE 66, 188

StRK, EStG:10a R 38

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