Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Für eine Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter müssen die Voraussetzungen aller drei Ziffern des § 6 Abs. 1 StBerG (kumulativ) erfüllt sein.

 

Normenkette

StBerG § 6 Abs. 1, § 5/1, § 5/3/1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (StBerG) für die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter vorliegen.

Der Kläger hat die Volksschule und ein Jahr lang eine kaufmännische Privathandelsschule besucht. Dann hat er eine dreijährige kaufmännische Lehre bei einer Elektrogroßhandlung absolviert und während der Lehrzeit die kaufmännische Berufsschule besucht; die kaufmännische Gehilfenprüfung hat er mit der Note "befriedigend" bestanden. Vom 11. Juli 1959 bis 30. April 1961 ist er bei drei Firmen als Buchhalter beschäftigt gewesen, am 1. Juli 1961 ist er in die Praxis eines Steuerbevollmächtigten als Gehilfe eingetreten. In der Zeit vom 1. Oktober 1961 bis zum 31. März 1962 hat der Kläger an einem Lehrgang einer kaufmännischen Privatschule über Steuerrecht, an einem Bilanzbuchhalterfernkurs und von März bis August 1962 sowie im Herbst 1963 an Vorbereitungskursen sowie an verschiedenen Lehrgängen der Volkshochschule teilgenommen.

Am 20. Juni 1963 stellte der Kläger den Antrag auf Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter. In der Sitzung vom 15. Oktober 1963 lehnte der Zulassungsausschuß für Steuerbevollmächtigte bei der Oberfinanzdirektion den Antrag mit der Begründung ab, daß die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 StBerG nicht gegeben seien. Die Oberfinanzdirektion beschied den Kläger im Schreiben vom 23. Oktober 1963 dementsprechend.

Die vom Kläger dagegen eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht sah gleichfalls nicht den Nachweis einer der wahlweise erforderten Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG als erbracht an. Auch eine vierjährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG liege bei dem Kläger nicht vor.

Der Kläger hat Rb. eingelegt, die jetzt als Revision anzusehen ist. Er beantragt,

festzustellen, daß nach dem Willen des Gesetzgebers bei Erfüllung der Voraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 StBerG die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter auch dann zu erfolgen hat, wenn die Voraussetzung nach § 6 Abs. 1 Ziff. 1 a. a. O. nicht erfüllt sein sollte,

festzustellen, daß der Kläger die Voraussetzung nach § 6 Abs. 1 Ziff. 1 StBerG (letzter Halbsatz: "oder sich auf andere Weise entsprechende Kenntnisse erworben hat") erfüllt hat,

die Oberfinanzdirektion anzuweisen, ihn zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter dann zuzulassen, wenn die Voraussetzung nach § 6 Abs. 1 Ziff. 3 a. a. O. (spätestens 30. Juni 1965) erfüllt ist,

die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.

Der Kläger bemängelt unrichtige Auslegung des § 6 Abs. 1 StBerG; das Finanzgericht hätte an Hand der Entstehungsgeschichte des Gesetzes prüfen müssen, ob für eine Zulassung des Bewerbers zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter nach § 6 Abs. 1 StBerG stets auch eine der wahlweisen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG erfüllt sein müsse. Im übrigen habe sich der Kläger "auf andere Weise entsprechende Kenntnisse erworben"; das Finanzgericht hätte ihn zum Termin vorladen und sich selbst von seinen Kenntnissen ein Bild machen müssen; die Bemühungen des Klägers um die Erlangung eines "entsprechenden" Kenntnisstandes seien auch nachgewiesen. Der etwaige Mangel der seinerzeitigen Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG sei spätestens am 30. Juni 1965 geheilt.

Die Oberfinanzdirektion beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg.

Wie der erkennende Senat in dem Urteil VII 239/63 U vom 26. November 1963 (BStBl 1964 III S. 23, 24, Slg. Bd. 78 S. 64) ausgeführt hat, müssen für eine Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter die Voraussetzungen aller drei Ziffern des § 6 Abs. 1 StBerG (kumulativ) im Einzelfall gegeben sein; fehlt es auch nur an den Voraussetzungen einer der drei Ziffern des § 6 Abs. 1 StBerG, so kann die Zulassung nicht ausgesprochen werden. Soweit innerhalb der drei Ziffern des § 6 Abs. 1 StBerG mehrere Möglichkeiten wahlweise angegeben sind, braucht im einzelnen Fall nur eine dieser Möglichkeiten erfüllt zu sein. An dieser Rechtsprechung, der auch das Finanzgericht gefolgt ist., hält der Senat nach nochmaliger überprüfung auch gegenüber den Einwendungen des Klägers fest.

Dieser meint, das Finanzgericht habe § 6 Abs. 1 StBerG nicht richtig ausgelegt. Ein Berichterstatter des Bundestages habe zu der Bundestagsdrucksache 2859, III. Wahlperiode, einen anderen Standpunkt eingenommen. Bundestag und Bundesrat hätten § 6 Abs. 1 StBerG so beschlossen, daß am Schluß des § 6 Abs. 1 Nr. 1 ein Strichpunkt (;) gestanden habe, während die Vorschrift im BGBl mit einem Komma (,) am Ende des § 6 Abs. 1 Nr. 1 verkündet worden sei. Dadurch sei dem Gesetz unzulässig ein anderer Sinn gegeben worden. Wäre es richtig, daß durch die änderung eines beschlossenen Strichpunkts in ein Komma der Sinn des Gesetzes geändert worden wäre, so wäre das Gesetzesverfahren nach Art. 82 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) insoweit nicht ordnungsmäßig gewesen und das Gesetz insoweit nichtig. Das Gericht, das nach der neueren Rechtsauffassung diesen Mangel zu berücksichtigen hätte (vgl. u. a. H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I, Studienbuch, 6. Aufl. 1965, § 28 II b S. 124/5; Hallier, Archiv des öffentlichen Rechts, 85. Band 1960, S. 404/5 I A 4), hätte dann gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Der erkennende Senat hat sich jedoch nicht davon überzeugen können, daß die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 1 StBerG begründet sind; eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erübrigt sich somit. Es läßt sich allerdings nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen nicht klären, worauf es beruht, daß im Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Bundestagsdrucksache III 2859 und Bundesratsdrucksache Nr. 301/61 vom 30. Juni 1961) im § 6 Abs. 1 Nr. 1 am Schluß ein Strichpunkt steht, während im BGBl 1961 I S. 1301, 1304 im § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG am Schluß ein Komma steht. An der Auslegung des Gesetzes ändert sich dadurch jedoch nichts. Für die Auslegung des § 6 Abs. 1 StBerG ist es unerheblich, ob die Nr. 1 a. a. O. mit einem Strichpunkt oder einem Komma endet. Ein Strichpunkt könnte am Schluß von Nr. 1 deshalb gesetzt worden sein, weil die Nrn. 2 und 3 durch das Wort "und" ("und nach Erfüllung der Voraussetzung zu Nr. 2 ...") verbunden sind; bei Nr. 1 steht das Wort "und" - sprachlich richtig - am Schluß nicht. Es steht dort aber auch nicht das Wort "oder". Eine Auslegung des Gesetzes dahin, wie der Kläger sie wünscht, daß im Falle der Erfüllung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StBerG die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter auch dann auszusprechen sei, wenn keine der wahlweisen Voraussetzungen der Nr. 1 a. a. O. gegeben sei, widerspricht dem Zusammenhang und dem Sinn des Gesetzes. Der Kläger gibt in seiner Berufungsbegründungsschrift selbst zu, daß es der Wille des Gesetzes sei, "keinen Bewerber wegen mangelnder Schulbildung abzuweisen, der nachweisen kann, daß er sich auf andere Weise entsprechende Kenntnisse erworben hat". "Entsprechende Kenntnisse" im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG bedeutet aber: dem Zeugnis der mittleren Reife oder der Abschlußprüfung der in § 6 Abs. 1 Nr. 1 genannten Anstalten entsprechende. Das ergibt sich aus Wortlaut und Sinn des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG. Diese Vorschrift regelt die Anforderungen an die Allgemeinbildung. § 6 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StBerG regeln die fachlichen Vorbildungserfordernisse für die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter. Die Erfordernisse der Allgemeinbildung (ß 6 Abs. 1 Nr. 1) und fachlicher Vorbildung (ß 6 Abs. 1 Nrn. 2 und 3) sind nicht gleichwertig, nicht vergleichbar und nicht auswechselbar. Es reicht nicht aus, daß der Bewerber um die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter nur das eine der beiden Erfordernisse erfüllt. Die Allgemeinbildung, die § 6 Abs. 1 Nr. 1 erfordert und für die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter abschließend normiert, kann nicht durch kaufmännische usw. Lehre + Gehilfenprüfung + vierjährige hauptberufliche Betätigung auf dem Gebiet des Steuerwesens ersetzt werden. Andererseits reicht die Allgemeinbildung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG nicht anstelle der Voraussetzung des § 6 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StBerG aus, um etwa ohne fachliche Vorkenntnisse zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter zugelassen zu werden. Eine solche Auslegung des § 6 Abs. 1 StBerG würde dem Sinn des Gesetzes in keiner Weise gerecht. Sie würde auch dem immer wieder betonten Gesichtspunkt späterer Zusammenführung der beiden steuerberatenden Berufe (Steuerberater und Steuerbevollmächtigter) widersprechen, weil unverhältnismäßig geringe Anforderungen an die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter zu stellen wären. Auf die Ausführungen des Berichterstatters im Bundestag (III zu Drucksache 2859 S. 6), an die der Senat nicht gebunden ist, kann sich der Kläger demgegenüber nicht mit Erfolg berufen.

Aus den Vorschriften des § 6 Abs. 1 StBerG kann im Vergleich mit den Vorschriften des § 5 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StBerG auch nichts Gegenteiliges entnommen werden. § 5 Abs. 1 Nr. 1 StBerG setzt das Vorhandensein von Allgemeinbildung bei dem Hochschüler voraus, weil das Reifezeugnis einer höheren Lehranstalt oder ein entsprechendes Zeugnis bestimmter Anstalten vorliegen muß. Das wirtschafts- oder rechtswissenschaftliche Studium soll neben der Förderung der Allgemeinbildung durch die Hochschule den Studierenden vor allem aber auch ermöglichen, die Zusammenhänge auf den wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Gebieten zu erkennen; es soll ihnen ferner insbesondere Kenntnisse auf den einzelnen Fachgebieten vermitteln. § 5 Abs. 1 Nr. 1 StBerG ist also für die (Zulassung zur) Prüfung als Steuerberater etwa den Vorschriften des § 6 Abs. 1 Nrn. 1 + 2 StBerG über die Vorbereitung für die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter vergleichbar. § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG entspricht etwa der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG, indem jede der beiden Vorschriften für jeden der beiden Berufszweige ein diesen entsprechendes Maß an praktischer Vorbildung vorschreibt. Zwar konnte das StBerG im § 5 Abs. 3 Nr. 1 als Ersatz für Hochschulbildung + dreijährige hauptberufliche praktische Bestätigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 StBerG bestimmen, daß zehnjährige hauptberufliche Tätigkeit als Steuerbevollmächtigter mit besonderer Bewährung für die Zulassung zur Prüfung als Steuerberater ausreichen. Nicht aber folgt aus einem Vergleich zwischen § 5 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StBerG mit § 6 Abs. 1 StBerG, daß für eine Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter die Erfüllung einer der erforderten Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG oder die Erfüllung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nrn. 2 + 3 ausreicht.

Das Finanzgericht hat auch zutreffend dargelegt, daß der Kläger eine Erfüllung einer der im § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG angegebenen wahlweisen Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter nicht nachgewiesen hat. Auch die Verschaffung der "auf andere Weise" erworbenen "entsprechenden Kenntnisse" im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG muß nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes (DVStBerG) durch Zeugnisse (beglaubigte Abschrift) nachgewiesen werden. Es ist nicht Sache des Zulassungsausschusses oder des Finanzgerichts, als Ersatz für den vom Kläger nicht erbrachten Nachweis des Vorliegens der Allgemeinbildung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 die Frage des Vorhandenseins dieser Allgemeinbildung durch eine (Vor-) Prüfung festzustellen. Daß sich der Kläger, wie er im Revisionsverfahren anführt, um die Erlangung "entsprechender Kenntnisse" im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG bemüht hat, ist ihm zuzugeben; das reicht aber nicht aus; er muß vielmehr den Nachweis des Erwerbes der dem Gesetz entsprechenden Kenntnisse, d. h. des ausreichenden Erfolges der Bemühungen, erbringen. Der Kläger rügt mangelnde Sachaufklärung durch das Finanzgericht, weil es ihn nicht zu einem mündlichen Termin geladen und sich ein Bild von seinen Kenntnissen gemacht habe. Diese Rüge ist im Streitfall unbegründet. Es war zwar bereits vor Inkrafttreten der FGO in vielen Fällen geboten, daß die Finanzgerichte mündlich verhandelten. Im Streitfall hatte der Kläger aber beim Finanzgericht keine mündliche Verhandlung beantragt. Seine Ausführungen auf Seite 3 des Berufungsschriftsatzes lassen eher darauf schließen, daß er mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren rechnete. Auch sonst sind keine Gründe ersichtlich, aus denen es im Streitfall für das Finanzgericht geboten gewesen wäre, mündlich zu verhandeln.

Da der Kläger bereits wegen Nichterfüllung einer der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG für die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter mit seinem Antrag nicht durchdringen konnte, bedurfte es keines Eingehens auf die Frage, ob er in dem maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung des Zulassungsausschusses über den Antrag auf Zulassung zur Prüfung - der im Jahre 1963 lag - die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG erfüllte oder nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411976

BStBl III 1966, 178

BFHE 1966, 491

BFHE 84, 491

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