Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Essensfreibetrag bei Anwendung der amtlichen Sachbezugswerte

 

Leitsatz (NV)

1. Die Gewährung eines steuerfreien Betrages von 1,50 DM je arbeitstäglicher Mahlzeit kommt nicht in Betracht, wenn der Essenswert mit den amtlichen Sachbezugswerten ermittelt worden ist.

2. Für die inhaltliche Bestimmtheit eines Lohnsteuer-Haftungsbescheides reicht es aus, daß die erforderlichen Angaben aus dem als Anlage beigefügten Prüfungsbericht ersichtlich sind.

3. Zum Ausschluß der Haftung durch entschuldbaren Rechtsirrtum des Arbeitgebers.

4. Zur Berechnung der Lohnsteuer mit Nettosteuersätzen in Haftungsbescheiden.

 

Normenkette

LStDV § 3 Abs. 2; LStR 1972 Abschn. 15 Abs. 1; LStR 1975 Abschn. 19 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Bei dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) fand im Jahre 1978 eine Lohnsteuer-Außenprüfung statt. Geprüft wurde der Zeitraum 1. Januar 1973 bis 31. Dezember 1977. Bei der Prüfung wurde festgestellt, daß die Arbeitnehmer des Klägers im Prüfungszeitraum die Möglichkeit hatten, das Mittagessen in einem Casino zu Preisen von 1,20 DM (1973 und 1974) und 1,50 DM (1975 bis 1977) einzunehmen. Die Zahl der Mahlzeiten, die die Arbeitnehmer tatsächlich eingenommen haben, ist nicht streitig. Der Lohnsteuer-Außenprüfer ermittelte einen nachzuversteuernden geldwerten Vorteil wegen der Gewährung verbilligter Mahlzeiten, indem er von den durch die Oberfinanzdirektion (OFD) gemäß § 3 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) jeweils für die einzelnen Jahre festgesetzten Sachbezugswerten den gezahlten Eigenanteil der Arbeitnehmer (1,20 oder 1,50 DM) absetzte. Er stellte fest, daß diese Methode für den Kläger günstiger war als der gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 LStDV gleichfalls mögliche Ansatz der um den Freibetrag von 1,50 DM nach Abschn. 15 Abs. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1972 bzw. Abschn. 19 Abs. 1 LStR 1975 sowie den Eigenanteil der Arbeitnehmer gekürzten üblichen Mittelpreise des Verbrauchsorts. Die auf diesen unversteuert gebliebenen geldwerten Vorteil entfallende Lohnsteuer ermittelte der Prüfer mit insgesamt . . . DM.

Den Feststellungen des Prüfers folgend erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) einen Haftungsbescheid, der die nachgeforderte Lohnsteuer für alle Streitjahre in einem Betrag ausweist. Auf den Prüfungsbericht ist im Haftungsbescheid Bezug genommen.

Mit der Sprungklage machte der Kläger geltend, der Sachverhalt sei unstreitig. Es gehe lediglich um die Rechtsfrage, ob nämlich auch bei Ansatz der Sachbezugswerte nach § 3 Abs. 2 LStDV der Essensfreibetrag von 1,50 DM abgezogen werden dürfe. Wäre das der Fall, verbliebe für alle Streitjahre kein unversteuert gebliebener geldwerter Vorteil.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, es verbiete sich, von den ortsüblichen Mittelwerten den Abzug des Essensfreibetrags zuzulassen, ihn hingegen zu verweigern, wenn der Essenswert mit den amtlichen Sachbezugswerten angesetzt worden sei. Denn beide Werte - ortsüblicher Mittelpreis und amtlicher Sachbezugspreis - seien praktisch identisch. Die Sachbezugswerte seien lediglich eine Ausformung der ortsüblichen Mittelpreise. Wenn die ortsüblichen Mittelpreise regelmäßig höher als die amtlichen Sachbezugswerte seien, so beruhe das vor allem darauf, daß bei der Ermittlung der ortsüblichen Mittelpreise zu Unrecht von Gaststättenpreisen ausgegangen werde. Richtig sei es indessen, für Vergleichszwecke Kantinenessen heranzuziehen. Die Kantinenpreise seien aber sehr niedrig, zumal die Kantinenbetriebe regelmäßig nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Eine verbilligte Essensgewährung an Arbeitnehmer ist, was zwischen den Verfahrensbeteiligten auch nicht streitig ist, dem Grunde nach lohnsteuerpflichtig (Urteil in BFHE 129, 158, BStBl II 1980, 122). Der Kläger macht geltend, für jede von den Arbeitnehmern erhaltene Mahlzeit sei ein lohnsteuerlicher Essensfreibetrag von 1,50 DM anzusetzen, so daß im Streitfall nicht von einem unversteuert gebliebenen geldwerten Vorteil ausgegangen werden könne. Dies ist indessen unzutreffend.

a) Der Senat hat wiederholt entschieden, daß die Gewährung einer steuerfreien Annehmlichkeit von 1,50 DM je arbeitstäglicher Mahlzeit grundsätzlich gerechtfertigt sei (zuletzt Urteil in BFHE 129, 158, BStBl II 1980, 122). Er braucht im Streitfall nicht auf die Bedenken einzugehen, die das FG gegen die Gewährung dieses Essensfreibetrags geltend gemacht hat. Denn jedenfalls kommt die Inanspruchnahme eines solchen Freibetrags schon nach der bisherigen Rechtsprechung nicht in Betracht, wenn der Essenswert mit den amtlichen Sachbezugswerten nach § 3 Abs. 2 LStDV ermittelt worden ist.

Für die Zeit vor dem 1. Januar 1978 - um die es im Streitfall geht - bestätigte der BFH im Urteil in BFHE 129, 158, BStBl II 1980, 122 die Auffassung der Finanzverwaltung, daß entweder der ortsübliche Mittelpreis einer Mahlzeit abzüglich des Freibetrags von 1,50 DM oder der Wert der Mahlzeit nach der Sachbezugsverordnung ohne Abzug des Freibetrags der Besteuerung der Mahlzeit im Betrieb zugrunde zu legen ist. Er hat diese Auffassung schon früher in einem nichtveröffentlichten Urteil vom 27. Juli 1973 VI R 363/69 vertreten. Von derselben Auffassung ist er wiederum - im Ergebnis - in seiner Entscheidung vom 2. Juni 1978 VI R 34/76 ausgegangen. Mit diesem gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen ergangenen Beschluß bestätigte der erkennende Senat ein Urteil des FG Baden-Württemberg vom 18. Dezember 1975 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1976, 206), nach welchem der Essensfreibetrag nicht angesetzt werden darf, wenn der Essenswert lediglich mit den amtlichen Sachbezugswerten ermittelt worden ist.

b) Es sind keine Gründe erkennbar, weshalb der Senat im Streitfall von seiner somit wiederholt vertretenen Ansicht abweichen sollte.

aa) Die Entscheidung des Senats in BFHE 129, 158, BStBl II 1980, 122 betraf zwar, wie der Kläger zutreffend vorträgt, den Fall von Arbeitnehmern, die im Unternehmen des seinerzeitigen Klägers untergebracht und voll verpflegt worden sind, während die Arbeitnehmer im Streitfall beim Kläger lediglich eine Mahlzeit (in der Kantine) zu sich genommen haben. Da indessen in beiden Fällen der Wert der einzelnen Mahlzeit mit dem amtlichen Sachbezugswert angesetzt worden ist, sind keine Gründe dafür ersichtlich, weshalb bezüglich der Gewährung des Essensfreibetrags insoweit unterschiedliche Auffassungen vertreten werden könnten. Der Senat folgt der gegenteiligen Auffassung von Bein (Deutsche Steuer-Zeitung 1981, 100 ff.) also nicht.

bb) Insbesondere zieht der Haupteinwand des Klägers nicht, der amtliche Sachbezugswert und der ortsübliche Mittelpreis seien praktisch identisch, weshalb auch bei beiden die Gewährung des Essensfreibetrags gerechtfertigt sei. Der Senat hat bereits im Urteil in BFHE 129, 158, BStBl II 1980, 122 ausgeführt, daß der Ansatz eines Essens nach der Sachbezugsverordnung 1978 von 2,40 DM kaum dem objektiven ortsüblichen Mittelpreis für eine volle Mahlzeit entspreche. Das FG hat dies für den Streitfall konkret bestätigt. Es hat - zu Recht von Großküchenpreisen und nicht von Gaststättenpreisen ausgehend - festgestellt, daß in jedermann zugänglichen Kantinen in . . . bereits für das einfachste Mittagessen über den Sachbezugswerten liegende Preise zu zahlen gewesen seien. Im Verbrauchsort des Streitfalles seien die Kantinenpreise eher noch höher gewesen, so daß der ortsübliche Mittelpreis hier noch weiter über dem amtlichen Sachbezugswert gelegen habe als in . . . Gegen diese auf tatsächlichem Gebiet liegende Feststellung des FG hat der Kläger keine Einwendungen erhoben. Sie sind für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend. Somit steht für den erkennenden Senat fest, daß der ortsübliche Mittelpreis im Streitfall über den amtlichen Sachbezugswerten lag. Dann war es gerechtfertigt, die Arbeitnehmer des Klägers nicht noch zusätzlich in den Genuß des Essensfreibetrags kommen zu lassen; denn sie hätten sonst einen weiteren Vorteil erlangt, der mit der Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Verhältnis zu den Arbeitnehmern nicht zu vereinbaren wäre, bei denen der Wert der Mahlzeit nach im Einzelfall festgestellten ortsüblichen - und damit höheren - Mittelpreisen angesetzt wird (vgl. Urteil in BFHE 129, 158, BStBl II 1980, 122 unter 2. c).

2. Auch in formeller Hinsicht ist der angegriffene Haftungsbescheid nicht zu beanstanden.

a) Im Haftungsbescheid ist der Gesamtbetrag, mit dem der Kläger für mehrere Jahre in Anspruch genommen wird, nicht auf die einzelnen Kalenderjahre aufgeteilt. Dies ist grundsätzlich jedoch erforderlich, schon weil der Haftungsschuldner in der Lage sein muß zu prüfen, ob und gegebenenfalls welcher Teil des Gesamthaftungsbetrags verjährt ist. Der Senat stimmt dem FG indessen zu, daß es ausreicht, wenn in dem Haftungsbescheid insoweit auf den als Anlage beigefügten Prüfungsbericht Bezug genommen wird und wenn die für eine inhaltliche Bestimmtheit erforderlichen Angaben aus diesem Prüfungsbericht ersichtlich sind. Das ist hier der Fall. Im Prüfungsbericht sind die Haftungsbeträge für jedes der Streitjahre aufgegliedert.

b) Der Kläger macht mit der Revision auch geltend, seine Inanspruchnahme sei wegen der Unsicherheit des maßgebenden Essenswerts ,,unzumutbar". Er meint damit wohl, seine Inanspruchnahme im Wege der Haftung sei wegen eines entschuldbaren (vertretbaren) Rechtsirrtums ausgeschlossen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 18. September 1981 VI R 44/77, BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801). Dies ist indessen nicht zutreffend.

Ein Rechtsirrtum ist dann entschuldbar, wenn Verstöße des mit der Bearbeitung der Lohnsteuer betrauten Arbeitgebers unter vernünftiger Abwägung aller Umstände sowie der Interessen des Steuerfiskus und des Arbeitgebers so verständlich sind, daß seine persönliche Inanspruchnahme wegen der nicht richtigen Einbehaltung der Lohnsteuer nicht gerechtfertigt ist (vgl. Urteil des FG Köln vom 23. November 1982 V 341/80 H, EFG 1983, 426). Der Irrtum des Klägers ist demnach nicht entschuldbar. Denn die LStR bestimmten in den Streitjahren zweifelsfrei, daß der Essensfreibetrag nur berücksichtigt werden dürfe, wenn der Essenswert nicht mit den amtlichen Sachbezugswerten angesetzt wird. Der Kläger konnte sich demnach nicht im Irrtum über die seinerzeitige Praxis befinden. Er mußte sich auf diese Praxis auch einstellen. Er kann sich deshalb nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe sich in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden.

c) Der Einwand des Klägers, die Lohnsteuer habe im Streitfall nicht mit Nettosteuersätzen berechnet werden dürfen, liegt neben der Sache.

Der Kläger bezieht sich für seine Auffassung auf die Rechtsprechung des BFH in Pauschalierungsverfahren (vgl. Urteil des Senats vom 5. November 1982 VI R 219/80, BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91). Sie ist jedoch nicht auf das Haftungsverfahren, um das es vorliegend geht, übertragbar. In diesem Verfahren ist vielmehr, wenn der Arbeitgeber auf den ihm möglichen Regreß hinsichtlich der Lohnsteuer gegenüber den Arbeitnehmern verzichtet, die Zuwendung eines Vorteils an die Arbeitnehmer zu sehen, weshalb auf diesen Vorteil Lohnsteuer zu erheben ist (BFH-Urteil vom 24. April 1961 VI 219/60 U, BFHE 73, 45, BStBl III 1961, 285).

Da der Kläger im Streitfall offensichtlich keine Aufzeichnungen darüber geführt hat, welche Arbeitnehmer wie häufig in seinem Casino gegessen haben, ist ihm ein rechtlich an sich möglicher Regreß durch sein eigenes Verhalten verwehrt. Er kann die Lohnsteuern, die er für seine Arbeitnehmer zu zahlen hat, auf diese also nicht abwälzen. Deshalb hat er ihnen insoweit einen weiteren Vorteil zugewendet, weshalb es gerechtfertigt war, schon im Haftungsbescheid Steuer auf die Lohnsteuer zu erheben. Auf die Ausführungen des Senats zu diese Frage in seinem Urteil vom heutigen Tage VI R 164/79 (BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164) wird verwiesen.

d) Das FA hat die Steuer im Haftungsbescheid mit einem Durchschnittssteuersatz angesetzt. Das war zulässig, weil der Kläger keine Aufzeichnungen geführt hat, die eine Individualermittlung gestatten. Auch insoweit wird auf die Ausführungen im Urteil VI R 164/79 verwiesen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1985, 110

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