Entscheidungsstichwort (Thema)

Adressierung und Bekanntgabe eines Gewinnfeststellungsbescheides

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Gewinnfeststellungsbescheid ist auch dann zutreffend adressiert, wenn er im Kopf des Bescheides eine bereits erloschene Personengesellschaft benennt, die am Gewinn beteiligten Personen als Adressaten des Bescheides sich jedoch aus dem übrigen Inhalt des Bescheides ergehen.

2. Ein in einem einfachen Brief enthaltener Bescheid ist dem Adressaten zugegangen, wenn er in einen für den Adressaten bestimmten Briefkasten eingeworfen wird.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 122, 124, 179 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war zusammen mit dem im August 1978 verstorbenen L Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Gegenstand der GbR war der Betrieb des Hotels X in Z.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 12. August 1977 verkaufte L das Hotel zum Kaufpreis von 150 000 DM. Der Käufer verpflichtete sich ferner, an L und den Kläger eine monatliche Leibrente in Höhe von 2 000 DM mit Wirkung ab 15. Oktober 1977 bis zum 15. Januar 1987 zu zahlen. Als Übergabetermin wurde der 15. September 1977 vereinbart.

L erklärte die Betriebsaufgabe zum 15. September 1977. Er setzte den Kläger zu seinem Alleinerben ein. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ für das Streitjahr 1977 einen Feststellungsbescheid, den er an L und den Kläger richtete. In dem Feststellungsbescheid vom 9. Juli 1979 stellte er den laufenden Gewinn der GbR für 1977 auf . . . DM fest. Außerdem berücksichtigte das FA entsprechend dem Antrag der steuerlichen Beraterin für L eine Rücklage nach § 6 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von . . . DM.

Das FA übersandte die für den Kläger bestimmte Ausfertigung des Bescheides für 1977 an dessen Anschrift ,,D-Straße, S". Gegen diesen Feststellungsbescheid legte die steuerliche Beraterin des Klägers in dessen Auftrag Einspruch ein mit der Begründung, daß FA habe die Rücklage nach § 6 b EStG zu Unrecht nur dem L und nicht auch dem Kläger zugerechnet. Diesen Einspruch nahm die Beraterin mit Schriftsatz vom 18. Januar 1980 zurück.

Da für das Streitjahr 1978 trotz wiederholter Mahnung keine Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns eingereicht wurde, schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen und stellte den Gewinn der GbR auf . . . DM fest. In den Erläuterungen zu dem Bescheid vom 16. Mai 1980 führte das FA aus, die nach § 6 b EStG gebildete Rücklage sei aufzulösen, da die GbR mit dem Tod des L aufgelöst sei. Das FA adressierte den Bescheid an die Anschrift des Klägers in S. Im Kopf des Feststellungsbescheides heißt es: ,,Gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte 1978 für die Fa. X-Hotel L & B GbR, Sch-Straße 25, Z". Unter ,,B. Begründung und Nebenbestimmung" heißt es: ,,Dieser Bescheid ergeht an Sie als Gesamtrechtsnachfolger." Das FA rechnete in dem Bescheid den Gewinn aus der Auflösung der Rücklage nach § 6 b EStG in voller Höhe dem verstorbenen Gesellschafter L zu.

Gegen diesen Bescheid legte die steuerliche Beraterin Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens reichte sie eine Feststellungserklärung 1978 ein, in der sie als Anschrift des Unternehmens ,,S, D.-Straße" und als Empfangsbevollmächtigten ,,A. B., S, D-Straße" angab. Das FA verwarf den Einspruch als unzulässig. Die Einspruchsentscheidung wurde nicht angefochten.

Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 1982 beantragte die steuerliche Beraterin, die Feststellungsbescheide 1977 und 1978 gemäß § 173 der Abgabenordnung (AO 1977) aufzuheben. Das FA lehnte den Antrag durch Verwaltungsakt vom 9. Dezember 1982 ab. Gegen diesen Bescheid legte die steuerliche Beraterin mit Schriftsatz vom 17. Dezember 1982 erfolglos Einspruch ein.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, die Feststellungsbescheide 1977 und 1978 seien nichtig, da sie ihm nicht wirksam bekanntgegeben seien. Er - der Kläger - habe sich im Zeitpunkt der Bekanntgabe nicht mehr in S, sondern auf Teneriffa aufgehalten. Er und sein Mitgesellschafter L seien schon 1977, spätestens jedoch Anfang 1979 nach Teneriffa übergesiedelt. Sie hätten nicht den Willen gehabt, jemals in die Bundesrepublik zurückzukehren. In S habe der Kläger lediglich eine Kate für Ferienzwecke gemietet. Diese sei nicht geeignet gewesen, dort einen Hauptwohnsitz zu begründen. Hiermit stimme die vorgelegte Aufenthaltsbescheinigung des Amtes S vom 22. November 1984 überein, aus der sich ergebe, daß der Kläger zwar seit dem 1. Juli 1978 mit Wohnsitz in S gemeldet sei, sich aber seit 1979 in dieser Wohnung nicht mehr ständig aufhalte. Der Kläger habe sich nur versehentlich nicht in S abgemeldet. Überdies sei die Eintragung im Melderegister für die Frage der wirksamen Bekanntgabe der Feststellungsbescheide unerheblich.

Das Finanzgericht (FG) hat beim Amt S eine Auskunft aus dem Melderegister der Gemeinde S eingeholt. Aus dieser Auskunft vom 3. Januar 1984 ergibt sich, daß der Kläger seit dem 1. Juli 1978 in der Gemeinde S mit alleinigem Wohnsitz angemeldet ist. Seit dem 1. August 1980 hat der Kläger eine Nebenwohnung in Z angegeben; der Hauptwohnsitz in S wurde beibehalten. Erst zum 20. November 1984 wurde der Hauptwohnsitz in S abgemeldet und eine Wohnung in Z angemeldet.

In der mündlichen Verhandlung vor dem FG hat der Prozeßbevollmächtigte beantragt, eine Auskunft der Polizeibehörde auf Teneriffa einzuholen und die steuerliche Beraterin des Klägers zu vernehmen. Dadurch könne bewiesen werden, daß der Hauptwohnsitz des Klägers seit 1978 Teneriffa gewesen sei.

Das FG hat die Klage abgewiesen.

Die Feststellungsbescheide 1977 und 1978 seien entgegen der Ansicht des Klägers wirksam. Sie seien ihm insbesondere wirksam bekanntgegeben worden.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Gewinnfeststellungsbescheide 1977 und 1978 nicht wegen fehlerhafter Adressierung nichtig sind. Ein Gewinnfeststellungsbescheid betreffend die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977) richtet sich nicht gegen die Gesellschaft, sondern gemäß § 179 Abs. 2 AO 1977 gegen die Gesellschafter (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Mai 1973 I R 121/71, BFHE 110, 1, BStBl II 1973, 746; vom 21. Mai 1987 IV R 134/83, BFHE 150, 300, BStBl II 1987, 764). Dies ist auch bei der Adressierung des Bescheides zu beachten. Als Adressaten eines Gewinnfeststellungsbescheides sind alle am Gewinn der Gesellschaft beteiligten Personen anzusehen (BFHE 110, 1, BStBl II 1973, 746). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Personengesellschaft im Zeitpunkt des Erlasses des Gewinnfeststellungsbescheides noch besteht oder bereits erloschen ist (Urteil des Senats vom 9. September 1986 VIII R 267/80, BFH/NV 1987, 15 m. w. N.). Ein einheitlicher Gewinnfeststellungsbescheid ist auch dann richtig adressiert, wenn er im Kopf des Bescheides zwar eine bereits erloschene Personengesellschaft benennt, sich aus dem Bescheid und den ihm beigefügten Anlagen aber die Angaben über die Gesellschafter entnehmen lassen (BFH-Urteil vom 7. April 1987 VIII R 259/84, BFHE 150, 331, BStBl II 1987, 766).

Die angefochtenen Feststellungsbescheide genügen diesen Anforderungen. Aus den gegen den Kläger ergangenen Bescheiden geht klar hervor, daß sie sich gegen ihn als früheren Gesellschafter der GbR (Gewinnfeststellung 1977) bzw. als Rechtsnachfolger des verstorbenen Gesellschafters L (Gewinnfeststellung 1978) richten.

2. Die Feststellungsbescheide sind dem Kläger auch wirksam bekanntgegeben worden.

Nach der Vollbeendigung einer Personengesellschaft ist der Gewinnfeststellungsbescheid allen Feststellungsbeteiligten einzeln bekanntzugeben (BFH/NV 1987, 15 m. w. N.). Im Streitfall kam als Empfänger der Bescheide nur noch der Kläger in Betracht, da der Mitgesellschafter L verstorben und vom Kläger allein beerbt worden war.

Das FG ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß die Gewinnfeststellungsbescheide 1977 und 1978 dem Kläger gegenüber wirksam geworden sind (§§ 122, 124 AO 1977).

Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts ist bewirkt, wenn dieser dem Adressaten zugegangen ist (§ 122 AO 1977). Unter Zugang i. S. der AO 1977 ist nicht nur die tatsächliche Kenntnisnahme des Steuerpflichtigen zu verstehen (Klein / Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 122 Anm. 2). Ein Bescheid ist bereits dann zugegangen, wenn er derartig in den Machtbereich des Adressaten gelangt, daß diesem die Kenntnisnahme normalerweise möglich ist und nach den Gepflogenheiten des Verkehrs erwartet werden kann (BFH-Urteil vom 14. August 1975 IV R 150/71, BFHE 119, 201, BStBl II 1976, 764). Diese Voraussetzung ist regelmäßig erfüllt, wenn die Sendung entsprechend den postalischen Vorschriften zugestellt wird. Ein Zugang ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der in einem gewöhnlichen Brief enthaltene Bescheid in einen für den Adressaten bestimmten Briefkasten eingeworfen wird (BFHE 119, 201, BStBl II 1976, 764).

Im Streitfall ist das FG aufgrund verschiedener Umstände zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kläger im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Gewinnfeststellungsbescheide eine Wohnung in S unterhielt und daß ihm deshalb die Bescheide dort bekanntgegeben werden konnten.

Die Sachverhaltswürdigung des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie verstößt insbesondere nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze. Die Annahme des FG, der Kläger habe zu den maßgeblichen Zeitpunkten eine Wohnung in S gehabt, wird durch die (unstreitigen) Feststellungen des FG gestützt, daß der Kläger bis zum Jahre 1984 in S mit Hauptwohnsitz gemeldet war, daß er dort ein Wohnhaus gemietet und ferner dafür Sorge getragen hatte, daß die an die Anschrift in S gerichtete Post ihn auch während seiner Auslandsaufenthalte erreichte. Das FG konnte bei seiner Beweiswürdigung auch den Umstand berücksichtigen, daß die steuerliche Vertreterin des Klägers in der während des Einspruchsverfahrens gegen den Feststellungsbescheid 1978 eingereichten Feststellungserklärung die Anschrift D-Straße in S angegeben hatte.

Die Angriffe der Revision gegen die Rechtsauffassung des FG greifen nicht durch. Entgegen der Ansicht des Klägers erfordert eine wirksame Bekanntgabe nicht, daß der Bekanntgabeempfänger am Ort der Bekanntgabe den räumlichen Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse hat. Das FG war deshalb auch nicht zu weiteren Ermittlungen über den räumlichen Lebensmittelpunkt des Klägers im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Bescheide verpflichtet.

Fehl geht auch die Rüge der Revision, das FG habe keine Ermittlungen zum Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs der Bescheide getroffen. Denn im Streitfall geht es nicht um die Frage, ob der Kläger die Gewinnfeststellungsbescheide 1977 und 1978 rechtzeitig angefochten hat, sondern allein darum, ob diese Bescheide wegen eines Adressierungs- und Bekanntgabemangels nichtig und deshalb aufzuheben sind.

Die Unwirksamkeit der Bescheide wegen eines Bekanntgabemangels ist aber schon dann zu verneinen, wenn sie dem Kläger überhaupt zugegangen sind. Auf den Zeitpunkt des Zugangs kommt es im Streitfall nicht an.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416997

BFH/NV 1991, 71

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