Leitsatz (amtlich)
Ein rechtsfähiger Verein, der ihm gehörige Räume in Erfüllung seines satzungsmäßigen Zweckes zur Abhaltung von Versammlungen (hier einer Freimaurerloge) gebraucht, hat den Nutzungswert dieser Räume nicht nach § 21 Abs.2 EStG zu versteuern.
Normenkette
KStG 1968 § 1 Abs. 1 Nr. 4, §§ 5, 6 Abs. 1 S. 1; EStG 1971 § 21 Abs. 2; EinfHausV § 2 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat sich als Freimaurerloge in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins die geistige Bildung und geistige Förderung ihrer Mitglieder auf christlicher Grundlage zum Ziel gesetzt. Sie ist Eigentümerin eines Mietwohngrundstücks. Im Erdgeschoß liegende Räume sowie Fremdenzimmer im Obergeschoß sind ... verpachtet. Weitere im Haus befindliche Räume, insbesondere zwei Versammlungsräume mit Nebengelassen, werden montags, dienstags, mittwochs und freitags von anderen Logen benutzt. Donnerstags nutzt die Klägerin diese Räume selbst. An den Wochenenden stehen sie leer.
Im Einspruchsverfahren gegen den (auf Schätzung beruhenden) Körperschaftsteuerbescheid 1973 reichte die Klägerin die Steuererklärung und eine Einnahme-/Ausgabenüberschußrechnung nach, in der sie den Mietwert der Eigennutzung mit 4 200 DM angab.
In der (geänderten) Einspruchsentscheidung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Ansicht, bei der Bemessung des Mietwerts für die Eigennutzung seien die Wochenenden miteinzubeziehen und der Mietwert deshalb auf 6 400 DM zu erhöhen. Es ergab sich ein Einkommen von 2 102 DM.
Die Klage, mit der die Klägerin in erster Linie geltend machte, § 21 Abs.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei in ihrem Fall nicht anzuwenden und die Festsetzung der Körperschaftsteuer auf 0 DM begehrte, hatte Erfolg.
Mit seiner (wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache vom Finanzgericht --FG-- zugelassenen) Revision rügt das FA (sinngemäß), das FG habe § 6 Abs.1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 21 Abs.2 EStG verletzt.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, ("die Vorentscheidung zu bestätigen und") die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Vorschrift des § 21 Abs.2 EStG ist nicht anzuwenden, wenn ein (körperschaftsteuerpflichtiger) eingetragener Verein Räume im eigenen Hause nutzt, um dort der Satzung entsprechende Versammlungen abzuhalten.
Die Klägerin war als "sonstige juristische Person des Privatrechts" (vgl. §§ 21 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 Abs.1 Nr.4 KStG a.F.). Die Körperschaftsteuer bemißt sich nach dem Einkommen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat (§ 5 Abs.1 KStG). Was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, muß mangels entgegenstehender körperschaftsteuerrechtlicher Vorschriften nach den Regeln des EStG bestimmt werden (§ 6 Abs.1 Satz 1 KStG).
1. Nach § 21 Abs.2 EStG (hier 1971) gehört zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung u.a. auch der Nutzungswert der "Wohnung im eigenen Haus". Ob diese Vorschrift auch auf juristische Personen angewandt werden kann, ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bisher noch nicht geklärt; im Schrifttum wird die Frage allgemein verneint.
Der Reichsfinanzhof (RFH) hatte in seinem Urteil vom 3.November 1936 I A 102/36 (RFHE 40, 183, RStBl 1937, 350) im Falle einer Stiftung, deren Zweck hauptsächlich die Unterstützung notleidender Personen aus der Familie des Gründers war, die Voraussetzungen des § 21 Abs.2 EStG in der Person der Stiftung bejaht, soweit diese Wohnungen an Stiftsinsassen überlassen hatte. Das FG Berlin hat demgegenüber entscheidend auf den Umstand abgestellt, daß eine juristische Person keiner Wohnung bedürfe (Urteil vom 26.April 1977 IV 163/74, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1978, 43). Der letztgenannten Auffassung folgen Herrmann/Heuer/Raupach (Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 8 KStG, grüne Blätter S.3, und Felix/Streck, KStG, Körperschaftsteuergesetz 1977, 2.Aufl., § 8 Anm.19).
2. Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob die Anwendbarkeit des § 21 Abs.2 EStG i.V.m. § 6 Abs.1 Satz 1 KStG a.F. (§ 8 Abs.1 Nr.1 KStG 1977) für Körperschaften allgemein zu verneinen ist. Die Vorschrift kommt jedenfalls dann nicht zum Zuge, wenn --wie hier-- ein rechtsfähiger Verein, zu dessen satzungsmäßigen Zwecken auch die Durchführung von Versammlungen gehört, Räume nur zu diesem Zwecke nutzt.
a) Der Wortlaut des § 21 Abs.2 EStG spricht durch sein Tatbestandsmerkmal "Wohnung" gegen die Anwendbarkeit auf Fälle der vorliegenden Art. Er deutet darauf hin, daß das private Wohnen erfaßt werden soll (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 3.Aufl., § 21 Anm.11 b). Dies wird bestätigt durch den Sinnzusammenhang der Vorschriften des § 21 Abs.2 EStG (Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus) und § 2 Abs.2 der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (EinfHausV) vom 26.Januar 1937 (RGBl I, 99, RStBl I 1937, 161). § 2 Abs.2 EinfHausV läßt von dem Grundbetrag bis zu seiner Höhe die Schuldzinsen absetzen, die mit der Nutzung des Grundstücks "zu Wohnzwecken" in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Dem entspricht auch der Zweck der Vorschrift. Der Gesetzgeber (vgl. schon § 6 Nr.2 des Reichseinkommensteuergesetzes vom 29.März 1920, RGBl 359) ließ sich bei Schaffung der Vorschrift von der Überlegung leiten, daß das Wohnbedürfnis allgemein ist und daß derjenige, der im eigenen Haus wohnt (Eigenwohner), im Vergleich zu anderen die Aufwendungen erspart, die er machen würde, wenn er sich eine Wohnung mieten müßte (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 3.Dezember 1958 1 BvR 488/57, BVerfGE 9, 3, BStBl I 1959, 68).
b) Gerade der Gesichtspunkt des allgemeinen Wohnbedürfnisses läßt sich auf Körperschaften --von besonderen Ausnahmefällen wie dem vom RFH in der Entscheidung in RFHE 40, 183, RStBl 1937, 350 entschiedenen möglicherweise abgesehen-- nicht übertragen. Der Vorschrift des § 21 Abs.2 EStG liegt eine Wertung des Gesetzgebers zugrunde, die auf einer anderen Ebene liegt als die Überlegung, daß auch ein Verein zur Erfüllung seines Vereinszweckes Räume benötigen kann. Der Hinweis, daß Mietzinsen nach § 12 EStG ebensowenig abzugsfähig seien wie Aufwendungen für die Erfüllung des satzungsgemäßen Zweckes (§ 12 KStG), kann daher nicht durchschlagen. Die Erfüllung des privaten Wohnbedarfs und die Erfüllung des Satzungszwecks durch Benutzung von Räumen haben allenfalls eine gewisse Zwangsläufigkeit gemeinsam. Beide Fallgruppen sind aber im übrigen schon wegen der Vielfalt denkbarer Satzungszwecke nicht vergleichbar.
Fundstellen
Haufe-Index 60806 |
BStBl II 1985, 407 |
BFHE 143, 348 |
BFHE 1985, 348 |
BB 1985, 1179-1179 (LT) |
DStR 1986, 481-481 (ST) |
HFR 1985, 374-374 (ST) |