Leitsatz (amtlich)

Für den Erwerb eines neuen hölzernen Verkaufskioskes, der auf städtisches Straßengelände lediglich aufgesetzt ist, kann eine Investitionszulage nach § 19 BHG 1964 gewährt werden.

 

Normenkette

BHG 1964 § 19

 

Tatbestand

Die Klägerin hat für ihren Einzelhandel mit Zeitungen, Zeitschriften und Tabakwaren im Jahre 1966 für 4 255 DM einen neuen hölzernen, 3,80 qm großen Verkaufskiosk angeschafft. Der Kiosk hat nach allen Seiten – einschließlich Dach und Boden – doppelte Wände, die mit Isoliermaterial gefüllt sind, und ist ringsum vom Fußboden bis zum Straßenpflaster mit Leisten verkleidet. Er ist auf städtischem Straßengelände aufgestellt und ruht auf neun an ihm befestigten, dem unveränderten Straßenboden aufliegenden Kanthölzern.

Den Antrag der Klägerin auf Investitionszulage lehnte as FA ab, weil der Kiosk alle Merkmale eines Gebäudes habe. Bei einem Verkaufskiosk genüge die eigene Schwere, um die Standfestigkeit zu gewährleisten. Sein Fundament werde durch die untere Rahmenkonstruktion in Verbindung mit dem Straßenpflaster gebildet. Auch der RFH habe im Urteil III A 1295/30 vom 30. Juli 1931 (RStBl 1931, 840) einen auf Straßengelände aufgestellten hölzernen Zeitungskiosk mit einer Nutzfläche von 3,5 qm als Gebäude angesehen.

Die Klage der Antragstellerin hatte Erfolg. Das FG führte aus: Es könne dahingestellt bleiben, ob Gebäude, wie die Verwaltung meine, stets zu den nicht beweglichen Wirtschaftsgütern im Sinne des § 19 BHG 1964 gehörten, also auch dann, wenn sie nach bürgerlichem Recht ausnahmsweise als bewegliche Sachen zu behandeln seien. Der Verkaufskiosk sei kein Gebäude. Ihm fehle eine feste Verbindung mit dem Grund und Boden durch ein Fundament. Wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen und der Tischlermeister N., der Lieferant, glaubhaft bestätigt habe, lägen die Kanthölzer, die die untere Rahmenkonstruktion des Kioskes bildeten, auf dem Straßenpflaster lose auf, so daß der Kiosk, ohne daß er selbst oder der Bürgersteig beschädigt würde, jederzeit an einen anderen Ort gebracht werden könne. Der gegenwärtige Fall unterscheide sich aus tatbestandsmäßigen Gründen wesentlich von dem des RFH-Urteils III A 1295/30 (a. a. O.).

Mit der Revision rügt das FA unter Hinweis auf höchstrichterliche Entscheidungen unrichtige Anwendung des § 19 BHG. Die feste Verbindung mit dem Grund und Boden sei dadurch gegeben, daß der Kiosk mit den Kanthölzern auf dem gepflasterten Bürgersteig als Fundament ruhe. Eine tiefere Gründung sei überflüssig, weil keine besonders schwere Last aufzunehmen sei. Auf die Tiefe der Fundamente oder ihre Art komme es nicht an. Die vorliegende Bauweise biete eben den Vorteil, daß das Bauwerk jederzeit ohne großen Kostenaufwand leicht entfernt werden könne. Besondere Fundamente seien nur erforderlich, wenn die Tragfähigkeit des Erdbodens nicht ausreiche. Sei diese auf natürliche oder künstliche Weise gewährleistet, genüge es für den Gebäudebegriff, wenn die räumliche Umschließung durch eigene Schwere auf dem Erdboden oder der Befestigung ruhe.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Nach § 19 BHG 1964 wird die Investitionszulage gewährt für neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Daß hier der Kiosk ein bewegliches Wirtschaftsgut ist, hat das FG ohne Rechtsirrtum festgestellt.

Auf die im vorliegenden Rechtsstreit aufgeworfene Frage, ob der Kiosk nicht schon nach § 95 BGB ein bewegliches Wirtschaftsgut sei, weil er auf fremdem Grund und Boden stehe, braucht hier nicht eingegangen zu werden. Wie im Urteil des Senats VI R 170/69 vom 1. Dezember 1970, BStBl II 1971, 159, dargelegt ist, kann § 95 BGB bei Anwendung des § 19 BHG zwar nicht dazu führen, daß ein auf fremdem Grund und Boden vorübergehend errichtetes Gebäude als beweglich anzusehen sei. Im Streitfall ist aber die Gebäudeeigenschaft schon von vornherein zu verneinen.

Nach den in der Steuerrechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist ein „Gebäude” gegeben, wenn das betreffende Gebilde Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt, den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden, von einiger Beständigkeit und standfest ist (Entscheidung des BFH III 228/59 U vom 19. Januar 1962, BFH 74, 315, BStBl III 1962, 121; III 140/60 U vom 24. Mai 1963, BFH 77, 156, BStBl III 1963, 376; III 17/65 vom 13. Juni 1969, BFH 96, 57, 63, BStBl 1969, 517). Daß dieser Gebäudebegriff im wesentlichen zum BewG und zum GrEStG geprägt worden ist, hindert nicht, ihn auch im Falle des § 19 BHG anzuwenden, da Gründe, eine solche Übernahme abzulehnen, nicht ersichtlich sind.

Von diesen Voraussetzungen des Gebäudebegriffes ist im Streitfall zumindest jene nicht erfüllt, die eine feste Verbindung des „Bauwerks” mit dem Grund und Boden verlangt. Denn der Kiosk ist lose, ohne irgendeine Verbindung auf die Straßenoberfläche aufgesetzt. Diese Tatsache wird nicht dadurch geändert, daß der Kiosk mit seinem Fußboden nicht unmittelbar aufsteht, sondern – offenbar aus Witterungsgründen (Bodenkälte, Bodenfeuchtigkeit) – mittels der Kanthölzer vom Untergrund etwas abgehoben ist. Infolge dieses losen Aufliegens kann, wie das FG unbeanstandet festgestellt hat, der Kiosk jederzeit abtransportiert werden, ohne daß er selbst oder die Straßenoberfläche irgendwie versehrt würde. Selbst das FA spricht in der Revisionsschrift von dem „Vorteil”, daß der Kiosk ohne große Kosten „leicht entfernt werden” könne. Es fehlt eben an einer „festen Verbindung” mit dem Grund und Boden.

Dem FA ist zuzugeben, daß es auf die Tiefe der Fundamentierung nicht ankommt (BFH-Entscheidung III 5/53 S vom 24. April 1953, BFH 57, 397, BStBl III 1953, 156; III 228/59 U, a. a. O.) und ebensowenig darauf, ob das Fundament aus Stein, Beton oder etwa aus eingerammten Holzpfählen hergestellt ist (BFH-Entscheidungen II 121/55 U vom 22. Juni 1955, BFH 61, 75, BStBl III 1955, 226; III 140/60 U, a. a. O.). Das BFH-Urteil II 44/53 U vom 3. März 1954 (BFH 58, 575, BStBl III 1954, 130) betrifft eine als transportables Holzhaus gelieferte 94 qm große Baracke, die auf einem zu diesem Zweck in einer Dicke von 1 1/2 bis 2 Zregelsteinen hergestellten Betonfundament auf einer Balkenlage ruhte, die keine feste Verbindung mit dem Betonfundament hatte; bei dieser Sachlage hat der BFH als unerheblich bezeichnet, „wie die technische Frage gelöst worden ist, ob es erforderlich war, die Baracke fest mit dem Fundament zu verbinden, oder ob es genügte, sie nur lose aufzusetzen, weil sie infolge der festgefügten Verkeilung der Balken des Balkenfundamentes und ihrer Eigenschwere ohnehin auf dem Fundament ruhen würde”. Allen diesen Entscheidungen ist gemeinsam, daß es nicht auf die Art und das „Wie” des Fundamentes ankommt. Es muß aber grundsätzlich ein Fundament vorhanden sein, d. h. eine eigene Einrichtung, die die feste Verbindung mit dem Grund und Boden bewirkt. Die Tatsache, daß im Streitfall die am Kiosk befestigten Kanthölzer den Straßenboden berühren, bedeutet allenfalls einen „Kontakt” mit der Straßenoberfläche, nicht aber eine feste Verbindung mit dem Boden. Der Gesichtspunkt der Eigenschwere des „Bauwerks” tritt für die Frage nach der festen Verbindung mit dem Grund und Boden zurück und gehört mehr in den Begriffsbereich der Standfestigkeit. Es wird hierzu verwiesen auf die BFH-Entscheidung III 17/65 (a. a. O. S. 65); danach kann im Regelfall ohne nähere Prüfung davon ausgegangen werden, daß ein fest mit dem Grund und Boden verbundenes Bauwerk auch standfest ist. Das läßt aber nicht den umgekehrten Schluß zu, als müsse allein eine gewisse Eigenschwere die feste Verbindung mit dem Erdboden darstellen und damit die Gebäudeeigenschaft begründen. In der Entscheidung II 250/51 U vom 9. April 1952 (BFH 56, 351, BStBl III 1952, 137) bejahte der BFH bei einer 6 × 8m großen Holzbaracke, die auf einem Zementsockel stand, die feste Verbindung der Baracke mit dem Grund und Boden. Auch aus diesem Urteil kann aber für die Gebäudeeigenschaft im gegenwärtigen Fall nichts hergeleitet werden. Die innige Verbindung, die der Zement mit dem unter ihm liegenden Boden eingeht, kann in der Tat als feste Verbindung angesprochen werden. Hätte auch der Kiosk einen solchen Zementsockel, so würde dieser entweder schon beim Abheben des Kioskes zerstört werden oder bei der Wiederherstellung des ursprünglichen Straßenzustandes. In der unvermeidlichen Zerstörung der Zementunterlage käme die Festigkeit der Verbindung des Kioskes mit dem Grund und Boden zum Ausdruck. Ein solcher Zementsockel besteht hier aber nicht. Schließlich kann das FA auch nichts aus der RFH-Entscheidung III A 1295/30 (a. a. O.) herleiten. Die kurze, die Gebäudeeigenschaft des damaligen Zeitungskioskes bejahende Entscheidung ist wesentlich davon bestimmt, daß bereits in ihrem zweiten Satz das Vorhandensein eines „massiven Fundamentes” herausgestellt wird; wie sich aus der Begründung ergibt, stand diese Feststellung der Tatsacheninstanz in Übereinstimmung mit der Äußerung eines Bausachverständigen. Auf diesen entscheidenden Umstand ist bereits im BFH-Urteil III 5/53 S (a. a. O.) hingewiesen. Die gegenteilige Auffassung des FA läßt die Frage offen, unter welchen Umständen eine auf einer Straße stehende Verkaufsbude überhaupt noch als bewegliche Sache angesehen werden könnte. Außerdem würde die Meinung des FA dazu führen, daß man jede befestigte Straße mit jedem Teil ihrer Oberfläche als potentielles Gebäudefundament ansehen müßte, eine Betrachtungsart, die doch wohl der Wirklichkeit fremd ist.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß der gemeinschaftliche Erlaß der Länder-Finanzminister (Finanzsenatoren) betreffend „Hauptfeststellung der EW des Grundbesitzes auf den 1.1.1964” (BStBl II 1967, 127, für Berlin BStBl II 1967, 122 = Steuer- und Zollblatt für Berlin 1967 S. 275) unter Nr. 7 Abs. 2 klar ausspricht: „Bauwerke ohne Fundamente, die lediglich auf dem Erdboden aufliegen, sind nicht mit dem Grund und Boden fest verbunden.” Das entspricht, wie oben dargelegt, der Rechtslage.

 

Fundstellen

Haufe-Index 557298

BStBl II 1971, 161

BFHE 1971, 570

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