Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr; Zuziehung eines Sachverständigen

 

Leitsatz (NV)

1. Bei der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr handelt es sich - zumindest bei summarischer Prüfung - um ein objektives Tatbestandsmerkmal, bei dem es - anders als bei der Gewinnerzielungsabsicht - auf die persönlichen Vorstellungen des Steuerpflichtigen nicht ankommt.

2. Zu den Anforderungen an die Rüge, das FG hätte zur hinreichenden Aufklärung des Sachverhalts einen Sachverständigen hinzuziehen müssen.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV 1974 § 1 Abs. 1; EStG § 15 Abs. 2; FGO §§ 76, 96, 82; ZPO § 402 ff.

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Gründe

1. Die Verfahren III B 84/88 und III B 85/88 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden (§ 121 der Finanzgerichtsordnung - FGO - analog i. V. m. § 73 FGO).

2. Die Beschwerden haben keinen Erfolg. Sie sind jedenfalls unbegründet.

a) Der Senat kann auch hier offenlassen, ob die Beschwerdeschriften rechtzeitig beim Finanzgericht (FG) eingegangen sind (siehe dazu näher den Beschluß vom selben Tage III B 82/88 in der Streitsache des Ehemannes der Klägerin und Beschwerdeführerin - Klägerin -, vertreten durch diese, wegen Investitionszulage).

b) Der behauptete Verfahrensmangel ist schon nicht ordnungsgemäß gerügt worden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Mangelnde Sachkunde des FG vermag zwar grundsätzlich einen Verfahrensverstoß zu begründen (so schon Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Juni 1968 I R 25/67, BFHE 92, 336, BStBl II 1968, 543; siehe auch das Urteil des VIII. Senats des BFH vom 14. Dezember 1976 VIII R 76/75, BFHE 121, 410, BStBl II 1977, 474). Doch hat die Klägerin schon nicht dargelegt, aus welchen Ausführungen das FG auf dessen mangelnde Sachkunde geschlossen werden könnte.

Ähnlich unvollständig ist die Rüge der Klägerin, das FG hätte einen Sachverständigen hinzuziehen müssen. Sie hat nicht dargelegt, wann und auf welche Weise (schriftsätzlich oder in der mündlichen Verhandlung) ein entsprechender Beweisantrag gestellt wurde; auch ist nicht vorgetragen, inwiefern das Urteil auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen könne (siehe zu diesen und weiteren Anforderungen an die Rüge der Nichterhebung eines angebotenen Beweises auch das Urteil des BFH vom 25. Oktober 1988 VIII R 262/80, BFHE 154, 536, BStBl II 1989, 291, zur insoweit identischen Vorschrift des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO, sowie Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Anm. 226, mit Rechtsprechungshinweisen). Im übrigen hat das FG von der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht deswegen abgesehen, weil es sich selbst für hinreichend sachkundig hielt, sondern weil die Klägerin es unterlassen hatte, ihre Tätigkeit selbst genau zu definieren und zu beschreiben.

c) Die von der Klägerin als von grundsätzlicher Bedeutung angesehene Frage, ob eine wissenschaftliche Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, erste Alternative des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch ohne wissenschaftliches Studium ausgeübt werden kann, könnte in einem sich anschließenden Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Es fehlt insoweit an der Entscheidungserheblichkeit (siehe hierzu Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Anm. 11). Das FG hat die Einschlägigkeit des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, erste Alternative EStG vor allem deswegen verneint, weil die Klägerin in erster Linie praktische Berufsarbeit geleistet habe. Auf ihre mangelnde wissenschaftliche Qualifikation ist in dem angefochtenen Urteil nur zusätzlich (,,Hinzu kommt . . .") abgestellt worden.

Ungeachtet dessen hat es das FG auch nicht für erforderlich gehalten, daß die Klägerin ein Hochschulstudium hätte absolviert haben müssen; es hat nur ganz allgemein eine entsprechende Qualifikation verlangt, ohne die Art und Weise ihrer Erlangung vorzugeben.

d) In der Gewerbesteuermeßbetragssache mißt die Klägerin außerdem der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, ob eine gewerbliche Betätigung auch dann angenommen werden könne, wenn der subjektive Wille fehle, am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilzunehmen.

Diese Rüge ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Die Klägerin hat nicht dargelegt, ob und in welchem Umfang hier ein Meinungsstreit besteht (siehe hierzu Herrmann, a. a. O., Anm. 153). Die aufgeworfene Rechtsfrage ist auch nicht von offenkundig grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des BFH-Beschlusses vom 9. Mai 1988 IV B 35/87 (BFHE 153, 378, BStBl II 1988, 725). Denn bei summarischer, oberflächlicher Betrachtung ist die Frage eindeutig - wenn auch entgegen den Vorstellungen der Klägerin - zu beantworten. Nach § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes 1974 (GewStG 1974) i. V. m. § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung 1974 - heute § 2 Abs. 1 GewStG i. V. m. § 15 Abs. 2 EStG - ist eine Betätigung dann ein Gewerbebetrieb, wenn sie sich u. a. als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Daraus folgt, daß es sich hier - zumindest bei summarischer Prüfung - um ein objektives Tatbestandsmerkmal handelt, bei dem es - anders als bei der Gewinnerzielungsabsicht - auf die persönlichen Vorstellungen des Steuerpflichtigen nicht ankommt.

3. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i. d. F. des Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 3. Dezember 1987 (BGBl I 1987, 2442) ohne Angabe von Gründen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416421

BFH/NV 1990, 124

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