Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahren nach billigem Ermessen gemäß § 94 a FGO; Verzicht auf mündliche Verhandlung

 

Leitsatz (NV)

Zur Zulässigkeit einer im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde erhobenen Rüge der Verletzung von § 94 a FGO wegen Verzichts auf mündliche Verhandlung.

 

Normenkette

FGO §§ 94a, 115 Abs. 3 S. 3, § 116 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Gründe

Die Beschwerde ist nicht zulässig erhoben und daher zu verwerfen. Sie erfüllt nicht die Anforderungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde stellt.

1. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Verletzung des § 94 a FGO i. d. F. des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90) rügen, haben sie bereits keinen im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend zu machenden Verfahrensfehler vorgetragen.

Nach ständiger Rechtsprechung zu Art. 3 § 5 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) liegt ein Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO vor, wenn das Finanzgericht (FG) ohne mündliche Verhandlung nach Art. 3 § 5 VGFGEntlG entscheidet, obwohl mündliche Verhandlung beantragt worden ist (vgl. etwa Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. Juli 1991 VI R 100/90, BFH/NV 1992, 53). Das gilt auch für die in den wesentlichen Punkten mit Art. 3 § 5 VGFGEntlG übereinstimmende Nachfolgeregelung des § 94 a FGO (BFH-Beschluß vom 16. Juni 1995 X B 237/94, BFH/NV 1995, 1062). Einem Antrag auf mündliche Verhandlung kommt die Erklärung einer Partei gleich, nicht auf mündliche Verhandlung zu verzichten oder Sachanträge in der mündlichen Verhandlung stellen oder konkretisieren zu wollen (BFH-Urteile vom 18. Juli 1990 I R 12/90, BFHE 161, 409, BStBl II 1990, 986; in BFH/NV 1992, 53; Beschluß vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 94 a Anm. 6). Gleichermaßen wird die mangelnde Vertretung einer Partei im Verfahren und damit ein Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO geltend gemacht, wenn wie im Streitfall der unterbliebene Hinweis des Gerichts auf das beabsichtigte Verfahren mit der Folge gerügt wird, daß ohne mündliche Verhandlung über den Kopf der Beteiligten hinweg entschieden worden sei. Der Begriff der mangelnden Vertretung wird weit ausgelegt; er umfaßt auch die Fälle, in denen ein Beteiligter aus tatsächlichen Gründen gehindert war, seine Belange wahrzunehmen (BFH- Beschluß vom 19. September 1995 VI R 82/93, BFH/NV 1996, 163; Gräber/Ruban, a. a. O., § 119 Anm. 17). Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn das Gericht bei Vorbereitung oder Durchführung der mündlichen Verhandlung den Vorschriften des Gesetzes nicht genügt und dadurch den Beteiligten die Teilnahme unmöglich macht (BFH-Beschlüsse vom 5. Dezember 1994 X R 177/93, BFH/NV 1995, 888; vom 25. Juli 1995 VI R 83/93, BFH/NV 1995, 1085). Die Kläger rügen den vergleichbaren Fall, daß das Gericht -- aus ihrer Sicht -- den Vorschriften des Gesetzes zuwider den Beteiligten unmöglich gemacht hat, auf einer mündlichen Verhandlung zu bestehen.

Verfahrensmängel i. S. des § 116 Abs. 1 FGO können -- unabhängig von ihrer Begründetheit -- nur mit der zulassungsfreien Revision, nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden (BFH- Beschluß in BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679).

Im übrigen haben die Kläger eine Verletzung des § 94 a FGO auch nicht schlüssig gerügt.

Nach § 94 a FGO kann das Gericht sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 1000 DM nicht übersteigt. Diese Bestimmung erlaubt insbesondere, das Verfahren auch dann ohne mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn sich die Beteiligten hiermit nicht ausdrücklich einverstanden erklärt haben (Gräber/Koch, a. a. O., § 94 a Anm. 4; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 94 a FGO). Das FG ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht verpflichtet, die Beteiligten vor Erlaß des Urteils von sich aus darauf hinzuweisen, daß es gemäß § 94 a FGO entscheiden wird. Denn wie auch zu der Vorgängervorschrift in Art. 3 § 5 VGFGEntlG (BFH-Beschlüsse vom 22. Juli 1983 VI B 180/82, BFHE 139, 22, BStBl II 1983, 762; vom 5. Juni 1986 IX R 152/84, BFH/NV 1986, 629) hat der Gesetzgeber dem FG einen solchen Hinweis gerade nicht zur Pflicht gemacht (BFH-Beschlüsse vom 10. Januar 1995 IV B 90/94, BFH/NV 1995, 802; vom 11. Januar 1995 II B 64/94, BFH/NV 1995, 705, und in BFH/NV 1995, 1062).

Unter den genannten Voraussetzungen des § 94 a FGO müssen die Parteien daher von der Möglichkeit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ausgehen (BFH- Beschlüsse in BFH/NV 1995, 802, und in BFH/NV 1995, 1062). Allerdings können sie ihrerseits durch einen entsprechenden Antrag die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sicherstellen (§ 94 a Satz 2 FGO). Die Kläger rügen zwar den mangelnden Hinweis des Gerichts auf das beabsichtigte Verfahren, haben jedoch nicht geltend gemacht, im Klageverfahren einen Antrag auf mündliche Verhandlung ausdrücklich oder konkludent gestellt zu haben.

2. Die Rüge der Kläger, das FG habe seine Verpflichtung verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) und den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren (§ 96 Abs. 2 FGO), entspricht nicht den an eine zulässige Verfahrensrüge zu stellenden Anforderungen. Auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wurde nicht dargelegt.

Insoweit sieht der Senat entsprechend Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 696

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