Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe für juristische Personen

 

Leitsatz (NV)

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet es nicht, einer juristischen Person entgegen dem Tatbestandsmerkmal des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO (Rechtsverfolgung aus allgemeinen Interessen) Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO § 116 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine GmbH. Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung erließ das Finanzamt (FA) geänderte Körperschaftsteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide für die Streitjahre 1974 und 1976 bis 1980 sowie geänderte Feststellungsbescheide gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes zum 31. Dezember der Jahre 1976 bis 1980. Gegen diese Bescheide legte die Antragstellerin Einsprüche ein, über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig beantragte die Antragstellerin beim FA, die Vollziehung dieser Bescheide auszusetzen. Das FA lehnte diesen Antrag ab; die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Die Antragstellerin beantragte beim Finanzgericht (FG), ihr zur Durchführung eines Klageverfahrens gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Das FG lehnte den Antrag ab, weil die Unterlassung der Rechtsverfolgung nicht allgemeinen Interessen zuwiderlaufe.Gegen diesen Beschluß des FG hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt, der das FG nicht abgeholfen hat. Die Beschwerde bezieht sich im wesentlichen auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 3. Juli 1973 1 BvR 163/69 (BVerfGE 35, 348). Wegen des Grundrechts des rechtlichen Gehörs gebiete eine verfassungskonforme Anwendung des § 116 Satz 1 Nr. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO), eine Rechtsverfolgung aus allgemeinen Interessen zu bejahen.

Die Antragstellerin beantragt, ihr unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des FG Prozeßkostenhilfe zu gewähren.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig. Dies gilt auch dann, wenn - wie einem vom FA vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister des Amtsgerichts zu entnehmen ist - die Antragstellerin aufgelöst ist, weil durch Beschluß des Amtsgerichts vom 19. April 1985 die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde. Für das seit dem 16. Januar 1985 beim FG anhängige Verfahren wegen Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist dies schon deshalb nicht von Bedeutung, weil die Antragstellerin durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war und ist (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Oktober 1980 IVa 79/80, Juristenzeitung 1981, 631).

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

a) Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO erhält eine inländische juristische Person auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn - neben weiteren Voraussetzungen - die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Dies ist der Fall, wenn außer den an der Führung des Prozesses wirtschaftlich Beteiligten ein erheblicher Kreis von Personen durch die Unterlassung der Rechtsverfolgung in Mitleidenschaft gezogen werden kann (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Juli 1973 VII R 125/71, BFHE 110, 176, BStBl II 1973, 851; vom 26. Mai 1982 I B 98-99/81, BFHE 136, 62, BStBl II 1982, 600). An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall. Die Antragstellerin hat keine Umstände vorgetragen, die auf einen derartigen Sachverhalt hindeuten könnten. Auch aus dem Inhalt der Akten ergeben sich keine entsprechenden Anhaltspunkte.

b) Nach Auffassung der Antragstellerin gebietet ,,das Grundrecht des rechtlichen Gehörs die Rechtsverfolgung aus Gründen von allgemeinem Interesse". Diese Auffassung liefe darauf hinaus, daß das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der ,,allgemeinen Interessen" in § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO und damit die strengeren Anforderungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für juristische Personen entfielen. Eine solche Auslegung widerspräche dem Beschluß in BVerfGE 35, 348. Der BFH hat in den nicht veröffentlichten Beschlüssen vom 1. Juli 1982 V S 22-23/81 und vom 25. November 1982 V S 13/82 unter Hinweis auf die Entscheidung in BFHE 110, 176, BStBl II 1973, 851 den Begriff der ,,allgemeinen Interessen" im vorgenannten Sinne ausgelegt. Das BVerfG hat dies verfassungsrechtlich nicht beanstandet (vgl. Beschluß vom 26. Januar 1983 1 BvR 1036/82, 1 BvR 26/83, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1983, 227).

c) Damit kann dahinstehen, ob die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und ob die Kosten von der Antragstellerin oder von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden könnten.

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 485

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