Leitsatz (amtlich)

Gegen die Kostenverfügung des Kostenbeamten ist auch dann eine Beschwerde nur bei Zulassung statthaft, wenn nur der Ansatz des Streitwertes streitig ist.

 

Normenkette

FGO § 148 Abs. 3 S. 2, § 115 Abs. 2, §§ 128, 140 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführer (Steuerpflichtigen) hatten gegen den Bescheid, mit dem das FA die Einkommensteuervorauszahlungen 1966 festgesetzt hatte, Beschwerde eingelegt. Sie waren der Ansicht, daß die berichtigten Einkommensteuervorauszahlungen für die voraussichtliche Einkommensteuerjahresschuld 1966 um den Betrag anteilig ermäßigt werden sollten, der einen Veräußerungsgewinn gemäß § 17 EStG betraf, weil § 17 EStG verfassungswidrig sei. Das FA hatte vierteljährliche Vorauszahlungen von 814 294 DM festgesetzt. Die OFD setzte in der Beschwerdeentscheidung die Vorauszahlungen auf 790 254 DM herab. Gegen die Beschwerdeentscheidung erhoben die Steuerpflichtigen Klage, die das FG als unbegründet kostenpflichtig zurückwies. Den Streitwert setzte das Gericht nicht fest.

Der Kostenbeamte beim FG legte der Kostenverfügung einen Streitwert zugrunde, der der vollen Höhe des Einkommensteuerbetrages entsprach, um den bei der Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlung gestritten worden war. Hiergegen wandten sich die Steuerpflichtigen mit einem als Erinnerung bezeichneten Rechtsbehelf und beantragten, den Streitwert mit 10 v. H. des streitigen Betrages festzusetzen, weil das Vorauszahlungsverfahren gegenüber der Veranlagung nur vorläufigen Charakter habe. Das FG wies die Erinnerung gegen den Kostenansatz unter Berufung auf das Urteil des BFH IV 427/62 U vom 9. Juli 1964 (BFH 80, 154, BStBl III 1965, 530) als unbegründet zurück. Die Zulassung der Beschwerde sprach das FG nicht aus.

Mit der Beschwerde, der das FG nicht abhalf, beantragen die Steuerpflichtigen die Zulassung der Beschwerde, weil es sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung handele. Der hier zu entscheidende Sachverhalt weiche von dem ab, der dem Urteil des BFH IV 427/62 U (a. a. O.) zugrunde gelegen habe. Damals habe im finanzgerichtlichen Rechtsweg eine Rechtsfrage abschließend entschieden werden können. Im jetzigen finanzgerichtlichen Verfahren hätte dagegen nur die Verfassungsmäßigkeit des § 17 EStG festgestellt werden können, nicht aber die Unvereinbarkeit dieser Vorschrift mit dem GG. Die Steuerpflichtigen hätten daher im Verfahren vor dem FG keine abschließende Klärung der Rechtsfrage erlangen können. Daher sei es nicht gerechtfertigt, als Streitwert den vollen Steuerbetrag anzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig (§ 148 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 115 Abs. 3 FGO).

Es fehlte für sie allerdings das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Beschwerde ohnhin zulässig wäre, es also einer Zulassung nicht bedürfte, wie das bei einem Teil der Streitwertbeschwerden der Fall ist (vgl. § 146 Abs. 3 FGO). Für den vorliegenden Fall gilt indessen die Sonderregelung des § 148 Abs. 3 Satz 2 FGO. Da eine gerichtliche Streitwertfestsetzung nicht vorlag (vgl. § 146 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGO), legte der Kostenbeamte zulässigerweise in eigener Kompetenz im Rahmen des Kostenansatzverfahrens dem Kostenansatz einen Streitwert zugrunde. Dieser Ansatz eines Streitwerts ist dann Teil des Kostenansatzverfahrens, und es ist - wie im Zivilprozeß - anerkannten Rechts, daß auch, soweit es sich um die Höhe dieses Streitwerts handelt, gegen die Kostenverfügung die Erinnerung nach § 148 Abs. 1 Satz 1 FGO (bzw. nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GKG) gegeben ist (vgl. BFH-Beschlüsse I B 11/66 vom 25. Januar 1967, BFH 88, 19, BStBl III 1967, 253; III B 56/67 vom 6. Oktober 1967, BFH 90, 284, BStBl II 1968, 65; VI B 90/69 vom 5. Dezember 1969, unveröffentlicht; I R 101/66 vom 4. Februar 1970, BFH 97, 487, BStBl II 1970, 222; Drischler, Gerichtskostengesetz, 2. Aufl., § 23 Anm. 14; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 146 FGO, Anm. 3; Lauterbach, Kostengesetze, 15. Aufl., § 4 GKG, Anm. 2 Ea; Markel, Gerichtskostengesetz, § 23 Anm. 1; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. bis 4. Aufl., § 128 FGO, Anm. 3 c, § 146 FGO, Anm. 4, § 148 FGO Anm. Abs. 6).

Auch der weitere Rechtsmittelzug muß sich dann aber nach § 148 FGO richten. Die Beschwerde ist - insoweit abweichend von der für den Zivilprozeß geltenden Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 567 Abs. 2 ZPO - nach der eindeutigen Vorschrift des § 148 Abs. 3 Satz 2 FGO nur gegeben, wenn sie zugelassen wurde. Daß § 148 Abs. 3 Satz 2 FGO gegenüber § 128 Abs. 3 FGO die speziellere Regelung enthalte, nehmen auch Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 148 FGO, Anm. 6, an.

Zwar haben verschiedene Senate des BFH (vgl. die Beschlüsse I B 11/66, III B 56/67 und VI B 90/69) angenommen, in Fällen, in denen der Streitwert im Rahmen des Kostenansatzverfahrens nach § 147 FGO angesetzt und seine Höhe im Wege der Erinnerung nach § 148 FGO angefochten worden sei, komme die Streitwertgrenze des § 128 Abs. 3 FGO zum Zuge. Damit haben sie möglicherweise unterstellt, daß für Streitwertbeschwerden § 128 Abs. 3 FGO lex specialis zu § 148 Abs. 3 Satz 2 FGO sei. Die Frage war indessen in den genannten Verfahren nicht entscheidungserheblich, so daß der erkennende Senat nicht gehalten ist, den Großen Senat des BFH anzurufen. In den erwähnten Fällen ging es um die Frage der Anfechtung einer richterlichen Streitwertfestsetzung (§ 146 Abs. 1 FGO). Insoweit nahmen die genannten Senate an, daß die Streitwertbegrenzung des § 128 Abs. 3 FGO nicht in Betracht komme. Sie fügten nur beiläufig hinzu, diese Grenze gelte nur da, wo die Streitwertfestsetzung im Rahmen des Kostenansatzes angefochten werde.

Der Kostenschuldner wird durch die sich aus dem Gesetzeswortlaut ergebende Auslegung, daß es im Kostenansatzverfahren immer nur bei Zulassung eine Beschwerdemöglichkeit gibt, nicht benachteiligt. Denn es steht ihm frei, in Fällen, in denen die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, d. h. also in allen den Fällen, in denen die Höhe des Streitwerts nicht auf der Hand liegt (BFH-Beschluß I R 101/66), die Festsetzung des Streitwerts durch das Gericht (§ 146 Abs. 1 FGO) zu beantragen, gegen die dann nach § 146 Abs. 3 FGO die Beschwerde gegeben ist. Diese Möglichkeit besteht auch noch, wenn der Streitwert zunächst vom Kostenbeamten im Kostenansatzverfahren angesetzt worden war. Der unveröffentlichte Beschluß des I. Senats des BFH I 52/63 vom 1. August 1968 steht dem nicht entgegen. Dort ist lediglich ausgesprochen, daß der Kostenschuldner, der bereits wegen der Höhe des Streitwerts Erinnerung nach § 148 Abs. 1 FGO eingelegt hat und damit eine Festsetzung des Streitwerts durch das über die Erinnerung befindende Gericht erhalten wird, nicht daneben noch den Antrag auf Festsetzung eben dieses Streitwerts durch das Gericht nach § 146 Abs. 1 Satz 2 FGO stellen kann. Es ist dagegen dem Kostenschuldner nicht verwehrt, statt der Erinnerung oder neben einer sich auf Kostenansatzfragen im engeren Sinn beschränkenden Erinnerung den Antrag nach § 146 Abs. 1 Satz 2 FGO zu stellen. Diese Möglichkeit schließt auch der VII. Senat des BFH in dem Beschluß VII B 64/67 vom 22. Dezember 1969 (BFH 98, 129, BStBl II 1970, 326, im hier bedeutsamen Teil alleridings unveröffentlicht) nicht aus. Er entschied lediglich, daß in der Erinnerung gegen den Ansatz des Streitwerts durch den Kostenbeamten nicht schon ein Antrag nach § 146 Abs. 1 Satz 2 FGO zu erblicken sei.

Die Steuerpflichtigen haben hier ihren Rechtsbehelf ausdrücklich nur als Erinnerung bezeichnet und entsprechend begründet. Sie bringen durch die Nichtzulassungsbeschwerde auch zum Ausdruck, daß sie ihre Rechte im Verfahren gegen die Kostenverfügung verfolgen wollen. Auch in diesem Verfahren tragen sie nicht vor, daß sie eine Streitwertfestsetzung des Gerichts angestrebt hätten. Unter diesen Umständen kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht in eine Beschwerde gegen die Unterlassung einer beantragten Streitwertfestsetzung umgedeutet werden.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch begründet, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Zwar führte die Vorinstanz unter Berufung auf das BFH-Urteil IV 427/62 U (a. a. O.; ebenso inzwischen Oberverwaltungsgericht Münster unter teilweiser Aufgabe seiner abweichenden Entscheidung II A 1185/66 vom 6. Dezember 1966 im Beschluß II B 662/67 vom 25. März 1968, Neue Wirtschafts-Briefe Fach 1/70 S. 43) zutreffend aus, die Rechtsfrage sei höchstrichterlich entschieden worden. Wegen der möglichen Verschiedenheit in der Gestaltung der Sachverhalte erscheint es jedoch angebracht, das Problem erneut zu untersuchen.

 

Fundstellen

BStBl II 1970, 724

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