Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von Prozeßkostenhilfe in der Revisionsinstanz

 

Leitsatz (NV)

1. In der Revisionsinstanz erfordert die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe auch die Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten.

2. Die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe hat grundsätzlich keine rückwirkende Kraft. Die Bewilligung kann bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der formgerechte Antrag nebst den für die Bewilligung erforderlichen Unterlagen vorlag.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO §§ 114-115, 117, 119

 

Tatbestand

Der Kläger, Revisionsbeklagte und Antragsteller (Antragsteller) betrieb seit dem 25. August 1977 einen Einzelhandel mit . . .. Zum Ende des Jahres 1977 beteiligten sich die Schwägerin des Antragstellers mit einer Einlage von 50 000 DM und Frau X mit einer Einlage von 20 000 DM an dem Handelsgewerbe des Antragstellers.

Der Antragsteller erwirtschaftete ab Betriebseröffnung nur Verluste. In der Erklärung zur gesonderten Feststellung der Einkünfte für den Veranlagungszeitraum 1979 wurde ein steuerfreier Sanierungsgewinn in Höhe von 171 666,28 DM geltend gemacht. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) kürzte diesen Betrag um die von der Ehefrau des Antragstellers übernommene Bürgschaft in Höhe von 50 000 DM und um im Jahr 1978 und 1979 in Höhe von 8 822,92 DM angefallene Zinsen und rechnete dem Antragsteller den Restbetrag in Höhe von 112 843,36 DM als steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn zu. Den laufenden Verlust in Höhe von 14 331 DM rechnete er anteilsmäßig entsprechend der Gewinnverteilungsabrede zu.

Der Einspruch blieb erfolglos. Auf die Klage änderte das Finanzgericht (FG) den Gewinnfeststellungsbescheid insoweit, als darin ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 112 843 DM festgesetzt wurde. Dieser Betrag hat nach Auffassung des FG als Sanierungsgewinn steuerfrei zu bleiben. Hiergegen richtet sich die Revision des FA.

Mit Schreiben vom 11. Mai 1988 beantragte der Antragsteller, ihm für das Revisionsverfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen. Mit Schreiben vom 30. Juni 1988 - eingegangen beim Bundesfinanzhof (BFH) am 1. Juli 1988 - hat der Antragsteller die von der Geschäftsstelle des Senats angeforderte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist begründet.

Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In dem Antrag auf Bewilligung von PKH ist das Streitverhältnis darzustellen. Dem Antrag sind eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Soweit Vordrucke für die Erklärung eingeführt sind, muß sich die Partei ihrer bedienen (§ 117 ZPO). In einem höheren Rechtszug ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat (§ 119 Satz 2 ZPO).

Dem Antragsteller ist PKH zu bewilligen, soweit Kosten nach dem 30. Juni 1988 entstanden sind oder entstehen.

Eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Revision hat nach § 119 Satz 2 ZPO zu unterbleiben, weil das FA gegen die Entscheidung des FG Revision eingelegt hat.

Der Antragsteller ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozeßführung aufzubringen. Auch eine Ratenzahlung kommt nicht in Betracht, da das Einkommen unter den in der Tabelle zu § 115 Abs. 1 ZPO genannten Beträgen liegt.

Die Bewilligung der PKH erfordert in der Revisionsinstanz gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs auch die Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten.

Die Bewilligung der PKH hat grundsätzlich keine rückwirkende Kraft. Die Bewilligung kann bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der formgerechte Antrag nebst den für den Bewilligung erforderlichen Unterlagen vorlag (Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 30. September 1981 IVb ZR 694/80, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1982, 446; vom 6. Dezember 1984 VII ZR 223 /83, NJW 1985, 921; BFH-Beschluß vom 7. August 1984 VII B 27/84, BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838; Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 142 Rz. 24). Dem Antragsteller kann somit PKH höchstens ab dem Zeitpunkt bewilligt werden, zu dem der Vordruck ,,Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" dem BFH vorlag.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416831

BFH/NV 1990, 320

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