Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes

 

Leitsatz (NV)

Die Berufung auf eine Bedrohung der wirtschaftlichen oder persönlichen Existenz ohne nähere Begründung reicht zur Darlegung eines Anordnungsgrundes als Voraussetzung für die Erlangung einer einstweiligen Anordnung nicht aus.

 

Normenkette

FGO § 114 Abs. 1 S. 2, Abs. 3; ZPO § 850i Abs. 1, § 920 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) pfändete die gegenwärtigen und künftigen Forderungen des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller) aus seiner Tätigkeit als Transport-Unternehmer gegenüber der A-GmbH (Dritt-schuldner). Nachdem das Finanzgericht (FG) die Vollziehung der Pfändungsverfügung ausgesetzt hatte, überwies der Drittschuldner irrtümlich insgesamt ... DM an das FA. Eine Erstattung lehnte das FA ab, worauf der Antragsteller beim FG den Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragte, mit der dem FA aufgegeben werden sollte, den diesem irrtümlich überwiesenen Betrag an den Antragsteller, hilfsweise an den Drittschuldner, zurückzuzahlen.

Das FG lehnte den Erlaß der einstweiligen Anordnung mit der Begründung ab, daß jedenfalls ein Anordnungsgrund nicht gegeben sei.

Mit seiner Beschwerde beantragt der Antragsteller sinngemäß, den Beschluß des FG aufzuheben und die beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen. Er ist der Auffassung, daß das Gericht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners im Einzelfall frei zu würdigen habe und bei der Anwendung von § 850i Abs. 1 der Zivilprozeßordndung (ZPO) nicht an die Regelsätze des Bundessozialhilfegesetzes zum laufenden Lebensunterhalt gebunden sei. Mit ... DM habe das FG den pfändungsfreien Betrag für die Familie wesentlich zu niedrig ermittelt. Ausweislich beigefügten Darlehensvertrags mit dem Sozialamt sei ein Mindestbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts der Familie des Antragstellers in Höhe von monatlich ... DM zu berücksichtigen. Ein dem Antragsteller vom Drittschuldner eingeräumtes Darlehen in Höhe von ... DM könne dieser jederzeit zurückfordern.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das FG hat den Erlaß einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Der Antragsteller hat zumindest einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht (§ 114 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 920 Abs. 2 ZPO). Er begehrt eine Regelungsanordnung i.S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO. Diese Vorschrift räumt dem Gericht keine schrankenlose Befugnis zum Erlaß einer einstweiligen Anordnung ein. Die ausdrücklich genannten Gründe (wesentliche Nachteile und drohende Gewalt) setzen Maßstäbe auch für die anderen Gründe. Letztere rechtfertigen daher eine einstweilige Anordnung nur dann, wenn sie für die begehrte Regelungsanordnung ähnlich gewichtig und bedeutsam sind wie wesentliche Nachteile und drohende Gewalt. Sie müssen so schwerwiegend sein, daß sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen. Dies ist nur der Fall, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -; vgl. Beschlüsse vom 26. Januar 1983 I B 48/80, BFHE 137, 235, 240, BStBl II 1983, 233, 235; vom 7. August 1990 VII B 70/90, BFH/NV 1991, 255, und vom 22. Januar 1991 VII B 191/90, BFH/NV 1991, 693).

Eine unmittelbare Bedrohung seiner wirtschaftlichen oder persönlichen Existenz gerade dadurch, daß der irrtümlich vom Drittschuldner an das FA überwiesene Betrag ihm nicht einstweilen ausgezahlt wird, hat der Antragsteller nicht dargelegt und schon aus diesem Grunde entgegen § 114 Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht. Dagegen spricht im übrigen auch, daß der Antragsteller schon im Monat nach der Ablehnung des Erlasses der einstweiligen Anordnung durch das FG in der Lage war, mit dem Drittschuldner, für den er praktisch ausschließlich fuhrunternehmerisch tätig ist, einen Vertrag zu schließen, wonach er die von dem Drittschuldner an ihn geleistete Vorauszahlung von ... DM in monatlichen Raten von ... DM zurückzahlt, und zwar durch Abzug von den Beträgen, die er für seine Leistungen dem Drittschuldner in Rechnung stellt.

Bei dieser Sachlage kann die Frage dahingestellt bleiben, ob - wie das FG annimmt - mit einer durch die einstweilige Anordnung erfolgten Auszahlung des begehrten Betrages das Ergebnis des Hauptprozesses (Erstattung) - grundsätzlich unzulässig - vorweggenommen würde.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 103

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