Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnungsgrund für eine Vollstreckungsaussetzung durch einstweilige Anordnung

 

Leitsatz (NV)

Gründe für die Anordnung an das Finanzamt, Vollstreckungsmaßnahmen zu unterlassen, sind nur gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist.

 

Normenkette

FGO § 114 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) zahlte die sich aus den Einkommensteuerveranlagungen . . . ergebende Einkommensteuerschuld nicht in vollem Umfang bis zum jeweiligen Fälligkeitstermin. Bis zum . . . entstanden daher Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt . . . DM, von denen z. Zt. noch etwa . . . DM offenstehen. Am . . . beantragte der Antragsteller den Erlaß der Säumniszuschläge aus Billigkeitsgründen, da ihm die rechtzeitige Zahlung wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unmöglich gewesen sei. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) lehnte den Antrag ab. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Über die Klage dagegen ist bisher noch nicht entschieden. Ende . . . pfändete das FA die Geschäftskonten des Antragstellers.

Den Antrag des Antragstellers, dem FA im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten, bevor über die Beschwerde - gegen die Ablehnung des Erlaßantrags - entschieden ist, lehnte das Finanzgericht (FG) mit folgender Begründung ab: Ob ein Anordnungsgrund bestehe, brauche nicht entschieden zu werden. Denn der Antragsteller habe das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht zur Überzeugung des FG dargetan.

Seine Beschwerde begründet der Antragsteller wie folgt: Falls das FA wiederum Konten- und Forderungspfändungen vornehme, sei der Bestand seines Unternehmens gefährdet. Ihm sei es durch intensiven persönlichen Einsatz in den letzten Jahren gelungen, ein Vertriebsunternehmen für einen Verlag mit sechs Mitarbeitern aufzubauen. Der Warenumsatz betrage mittlerweile . . . DM. Falls das FA zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen greife, sei er nicht mehr in der Lage, Löhne zu zahlen und die ausstehenden Verbindlichkeiten zu begleichen. Er sehe sich auch der Kündigung des Vertriebsvertrages ausgesetzt. Immerhin habe er seit . . . . . . DM an das FA entrichtet. Von diesem Betrag entfielen . . . DM auf rückständige Steuern aus den Jahren . . ., der Rest auf die vom FA geltend gemachten Säumniszuschläge. Durch die Forderungspfändung Ende . . . sei sein Unternehmen ,,existentiell stark gefährdet".

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, dem FA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, Vollstreckungsmaßnahmen durchzuführen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist zwar nach Ablauf der Beschwerdefrist des § 129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim FG eingegangen. Dem Antragsteller ist jedoch nach § 56 Abs. 1 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat glaubhaft gemacht, daß er die Beschwerdeschrift rechtzeitig vor Ablauf der Frist zur Post gegeben hat.

Die Beschwerde ist aber unbegründet. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch zu Gebote steht. Denn für die beantragte einstweilige Anordnung fehlt es schon an einem Anordnungsgrund.

Der Antragsteller begehrt eine Regelungsanordnung im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO. Diese Vorschrift räumt dem Gericht keine schrankenlose Befugnis zum Erlaß einer einstweiligen Anordnung ein. Die darin genannten Gründe (,,wesentliche Nachteile" und ,,drohende Gewalt") setzen Maßstäbe auch für die ,,anderen Gründe" im Sinne dieser Bestimmung. ,,Andere Gründe" rechtfertigen eine einstweilige Anordnung nur dann, wenn sie für die begehrte Regelungsanordnung ähnlich gewichtig und bedeutsam sind wie ,,wesentliche Nachteile" oder ,,drohende Gewalt". Sie müssen so schwerwiegend sein, daß sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. zuletzt Beschluß vom 30. März 1989 VII B 221/88, BFH/NV 1989, 794, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -). Solche Anordnungsgründe sind nur gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist. Umstände wie die Bezahlung von Steuern oder von gesetzlich entstandenen Säumniszuschlägen stellen für sich allein gesehen keine Anordnungsgründe dar. Der Schuldner muß grundsätzlich die Vollstreckung aus solchen Bescheiden dulden. Er kann allenfalls mit der Geltendmachung von Beeinträchtigungen gehört werden, die über den allgemeinen Nachteil einer solchen Zahlung oder einer Zwangsvollstreckung hinausgehen (vgl. den zitierten Senatsbeschluß mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BFH).

Der Antragsteller hat derartige wesentliche Nachteile nicht glaubhaft gemacht. Allein die Behauptung, der Bestand seines Unternehmens sei gefährdet, genügt zur Glaubhaftmachung des Bestehens eines Anordnungsgrundes nicht. Dazu hätte es zumindest näherer belegter Angaben über die Gewinnsituation des Unternehmens bedurft. Ferner hätte der Antragsteller konkret darlegen und glaubhaft machen müssen, wieso weitere Vollstreckungsmaßnahmen - nach den eigenen Angaben des Antragstellers ist er seit . . . mit ca. . . . Pfändungsverfügungen überzogen worden - den Bestand seines Unternehmens zu gefährden in der Lage ist. Die mit einer etwaigen Pfändung der Geschäftskonten verbundenen Nachteile wie die Beeinträchtigung von Kreditmöglichkeiten müßte der Antragsteller grundsätzlich hinnehmen, so daß ein Hinweis darauf allein das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft zu machen vermag. Im übrigen könnte der Antragsteller die nachteiligen Folgen von Vollstreckungsmaßnahmen dadurch abwenden, daß er den noch rückständigen Betrag an das FA bezahlt. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, daß er dazu außerstande ist bzw. nicht in der Lage ist, einen entsprechenden Kredit aufzunehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417280

BFH/NV 1991, 255

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