Entscheidungsstichwort (Thema)

Einbauten auf fremdem Grund und Boden

 

Leitsatz (NV)

Läßt ein Apotheker aus unternehmerischen Gründen im Nachbarhaus eine Fahrstuhlanlage einbauen und ist hierin eine entgelt liche Lieferung des Fahrstuhls gegen Überlassung von Nutzungen an dem Nachbarhaus zu sehen, so kann den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 24. November 1992 V R 80/87 (BFH/NV 1993, 634) nicht entnommen werden, daß für die Bewertung der Nutzungen vom Einheitswert auszugehen sei. Wie sich aus § 1 Abs. 1, § 17 Abs. 1 BewG 1974 eindeutig ergibt, gilt der Einheitswert nicht für die Umsatzsteuer.

 

Normenkette

BewG 1974 § 1 Abs. 1, § 17 Abs. 1; UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Apotheker und betrieb im Haus ... eine Apotheke. Aufgrund eines Vertrags vom 1. März 1982 ließ er auf seine Kosten im Nachbarhaus eine Fahrstuhlanlage installieren. Als Gegenleistung verpflichteten sich die Eigentümer des Nachbarhauses,

-- den Ärzten ... jeweils Mietverträge bis zum 30. Juni 1995 auf der Basis von ... DM/m² anzubieten,

-- einen ähnlichen Vertrag mit ... abzuschließen unter Einräumung einer Option für weitere 10 Jahre,

-- dem Kläger die Gestaltung der Schaufenster der Passage kostenfrei für 10 Jahre mit einer Option auf weitere 10 Jahre zu gestatten,

-- in ihrem Haus keine Räume zum Betreiben einer Apotheke bereitzustellen.

Die Fahrstuhlanlage wurde im Jahre 1983 vom TÜV abgenommen und konnte danach in Betrieb gesetzt werden.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) sah in diesem Sachverhalt einen tauschähnlichen Umsatz, den das FA im Rahmen der Umsatzsteuerveranlagung für das Jahr 1983 erfaßte. Als Bemessungsgrundlage legte das FA nach der Sachverhaltsschilderung des Finanzgerichts (FG) den Wert der Fahrstuhlanlage zugrunde.

Das FG wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab. Nach seiner Entscheidung konnten die Eigentümer des Nachbarhauses bereits im Jahre 1983 uneingeschränkt über die Fahrstuhlanlage verfügen; ihre Verpflichtung, den Ärzten die Praxis zu einem bestimmten Mietzins zu überlassen, stelle keine Einschränkung der Verfügungsmacht dar; vielmehr handele es sich um die Gegenleistung für die Fahrstuhlanlage. Die Gegenleistung für die Lieferung der Fahrstuhlanlage schätzte das FG "unter Beachtung der Grundsätze"der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -- BFH -- (Urteile vom 5. Mai 1994 R 53/92, Umsatzsteuer-Rundschau -- UR 1995, 25 f., BFH/NV 1995, 354, und vom 24. November 1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634 ff.) "entsprechend dem Wert der Fahrstuhlanlage".

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde eingelegt, die er auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Abweichung von der Entscheidung des BFH in BFH/NV 1993, 634 stützt. Der Kläger führt aus, der BFH habe im Jahre 1976 in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, daß der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs gemäß § 946 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für die Verschaffung der Verfügungsmacht ohne Bedeutung sei (Urteil vom 26. Februar 1976 V R 132/73, BFHE 118, 104, BStBl II 1976, 309); die seither ergangene Rechtsprechung gebe keine Rechtssicherheit über den Zeitpunkt der Lieferung von Bauten auf fremdem Grund und Boden. Rechtsunsicherheit bestehe, weil einerseits darauf abgestellt werde, was die Parteien gewollt hätten, und andererseits erforderliche vertragliche Regelungen als Leistung und Gegenleistung gewertet würden. Der Kläger sieht in diesem Punkt auch eine Abweichung der Vorentscheidung von dem Urteil in BFH/NV 1993, 634. Eine Abweichung bestehe außerdem wegen der Schätzung der Bemessungsgrundlage. Nach den Grundsätzen des Urteils in BFH/NV 1993, 634 könne das Entgelt nur in der kapitalisierten anteiligen Miete (die für einen bestimmten Zeitraum nicht erhoben werden dürfe) für den Fahrstuhl bestehen. Nach den maßgebenden Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) sei das Entgelt auf der Grundlage des (anteiligen) Einheitswerts zu berechnen (Hinweis auf Urteil des FG Nürnberg vom 8. November 1994 II 49/93, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1995, 545).

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Nach diesen Vorschriften ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder das Urteil von einer Entscheidung des BFH abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dem genügt die Beschwerdeschrift nicht.

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Zulassung der Revision kommt nur wegen einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage in Betracht. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die strei tige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt, aufgrund der Rechtsprechung des BFH geklärt ist, offensichtlich so zu beantworten ist, wie das FG dies getan hat, oder wenn es lediglich um die Anwendung fester Rechtsgrundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt geht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Januar 1991 VI B 140/89, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309, und vom 17. September 1974 VII B 112/73, BFHE 113, 409, BStBl II 1975, 196).

Das FG ist bei der Beantwortung der Frage, wann der Kläger den Fahrstuhl den Nachbarn geliefert hat, erkennbar von der Vorschrift des § 3 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 ausgegangen. Maßgebend ist demnach der Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht. Nach der Auffassung des FG hat der Kläger den Nachbarn die Verfügungsmacht an dem Fahrstuhl noch im Jahre 1983 verschafft. Der Beschwerdeschrift kann nicht entnommen werden, daß nach dem Gesetz oder der zitierten Rechtsprechung des BFH ein anderes Jahr in Betracht kommen könnte. Die Frage, ob die vereinbarten Nutzungen des Nachbarhauses eine "bedingte" Verschaffung der Verfügungsmacht am Fahrstuhl zur Folge haben könnten, ist offensichtlich mit dem FG zu verneinen.

2. Eine Abweichung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO liegt nur dann vor, wenn das FG in einer bestimmten Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH und das angefochtene Urteil auf dieser Divergenz beruht. Diese Voraussetzungen müssen in der Beschwerdeschrift dargelegt sein. Der Beschwerdeführer muß dartun, daß das FG seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der Rechtsprechung des Revisionsgerichts nicht übereinstimmt (vgl. z. B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 63).

a) Soweit es um den Zeitpunkt der Lieferung des Fahrstuhls geht, benennt die Beschwerdeschrift keinen Rechtssatz aus dem Urteil in BFH/NV 1993, 634, von dem das FG abgewichen sein soll. Die Beschwerdeschrift begnügt sich vielmehr mit der Darlegung, daß beiden Urteilen unterschiedliche Sachverhalte zugrunde lägen, die das FG nicht ausreichend gewürdigt habe.

b) Soweit es um die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der Fahrstuhllieferung geht, genügt die Beschwerdeschrift ebenfalls nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung der Divergenz. Den Sätzen des Urteils in BFH/NV 1993, 634, auf die die Beschwerdeschrift Bezug nimmt, kann allenfalls der abstrakte Rechtssatz entnommen werden, daß bei der Lieferung eines Gegenstandes gegen Nutzungsüberlassung der Wert des Entgelts (der Nutzungsüberlassung) nicht im Rahmen einer Schätzung unmittelbar mit den Herstellungskosten des Gegenstands gleichgesetzt werden kann, vielmehr die Vorschriften der §§ 13 ff. BewG zu berücksichtigen sind. Dies führt in der praktischen Auswirkung dazu, daß der Wert der Nutzungsüberlassung regelmäßig geringer ist als der Wert des genutzten Gegenstands (vgl. Hilfstafel 2 zum BewG 1974; Anlage 9a zum BewG 1991). Im Streitfall geht es aber nicht um die Bewertung der Nutzung des Fahrstuhls, sondern um die Bewertung der Nutzungen bzw. Nutzungsbeschränkungen des Nachbarhauses, die Gegenstand des Vertrags vom 1. März 1982 sind. Der Beschwerdeschrift kann deshalb bereits im Ansatz nicht gefolgt werden, im Streitfall könne das Entgelt für die Lieferung des Fahrstuhls "nur in der kapitalisierten anteiligen Miete ... für den Fahrstuhl bestehen". Im übrigen kann dem Kläger und dem FG Nürnberg (Urteil in EFG 1995, 545) nicht darin gefolgt werden, daß nach den Grundsätzen des Urteils in BFH/NV 1993, 634 für die Bewertung der Nutzungen vom Einheitswert auszugehen sei. Wie sich aus § 1 Abs. 1, § 17 Abs. 1 BewG 1974 eindeutig ergibt, gilt der Einheitswert nicht für die Umsatzsteuer.

Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 444

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