Entscheidungsstichwort (Thema)

Unanfechtbarer Beschluß des FG über AdV

 

Leitsatz (NV)

1. Gegen einen die nachträgliche Zulassung der Beschwerde ablehnenden Beschluß des FG nach § 69 Abs. 6 FGO ist die Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft.

2. Einwendungen gegen die inhaltliche Unrichtigkeit der finanzgerichtlichen Entscheidung rechtfertigen nicht die ausnahmsweise Zulässigkeit der Beschwerde gegen einen unanfechtbaren Beschluß wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit.

 

Normenkette

FGO § 128 Abs. 3

 

Tatbestand

Mit Bescheid vom ... setzte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) gegen die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) -- als Rechtsnachfolger -- Aussetzungszinsen fest. Hiergegen erhoben die Antragsteller nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage vor dem Finanzgericht (FG), über die noch nicht entschieden ist. Die zugleich mit dem Einspruch beantragte Aussetzung der Vollziehung des Zinsbescheides lehnte das FA ab.

Einem daraufhin beim FG gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gab das FG zum Teil statt. Die Beschwerde gegen diesen Beschluß wurde nicht zugelassen.

Mit dem am ... beim FG eingegangenen Schriftsatz stellten die Antragsteller den Antrag, den Beschluß dahingehend zu ändern, daß gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Beschwerde an den Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen werde.

Das FG lehnte den Antrag als unbegründet ab. Es führte aus, die Voraussetzungen für eine Änderung des Beschlusses nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO (Eintreten oder Bekanntwerden neuer tatsächlicher Umstände, Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung) lägen nicht vor. Im übrigen seien die FG unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt befugt, einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen Beschluß wegen Aussetzung der Vollziehung abzuhelfen und die Beschwerde nachträglich zuzulassen. Gleiches gelte, wenn eine Änderung nach § 69 Abs. 6 FGO mit dem Ziel der Zulassung der Beschwerde begehrt werde. Der gestellte Antrag könne auch nicht in einen erneuten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung umgedeutet werden. Im übrigen bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zinsbescheides.

Hiergegen haben die Antragsteller Beschwerde erhoben, mit der sie begehren, unter Abänderung des Beschlusses vom ... die Beschwerde gegen den Beschluß vom ... zuzulassen. Sie tragen vor, das FG lasse in diesem Beschluß selbst erkennen, daß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zinsbescheides bestünden, und habe deshalb dem Antrag auf Änderung des Beschlusses zu Unrecht nicht widersprochen. Der Beschluß beinhalte eine greifbare Gesetzes widrigkeit, die eine außerordentliche Beschwerde i. S. des Beschlusses des BFH vom 23. Januar 1987 V B 120/86 (BFH/NV 1987, 259) rechtfertige. Denn mit der Beschwerde machten sie, die Antragsteller, nicht die inhaltliche Unrichtigkeit des Beschlusses geltend, sondern daß das FG für die Beur teilung abgabenrechtlicher Ansprüche nicht (nur) die Abgabenordnung (AO 1977), sondern auch die FGO herangezogen habe. Die FGO habe indes eine strenge Trennung der Finanzgerichtsbarkeit von der Finanzverwaltung vollzogen. Das FG habe diese Trennung nicht beachtet. Es sei nicht nachvollziehbar, daß das FG die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts über eine in der AO 1977 abschließend geregelte Leistung mit Vorschriften der FGO begründe.

Das FG hat der Beschwerde nicht abge holfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht statthaft und deshalb unzulässig.

1. Nach § 128 Abs. 3 FGO steht den Beteiligten gegen den Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 und 5 FGO die Beschwerde nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 FGO entsprechend.

Der Hinweis auf § 115 FGO besagt lediglich, daß die in § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO genannten Kriterien für die Zulassung der Beschwerde durch das FG maßgebend sind. Die Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde selbst ist in die ausschließliche Zuständigkeit des FG gestellt. Eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Beschwerde durch das FG sieht das Gesetz bei Entscheidungen über die Aussetzung der Vollziehung nicht vor. Diese ist somit unstatthaft. Gegen diese Regelung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Oktober 1977 2 BvR 502/77, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs, Rechtsspruch 39). Entgegen der vom FG in dem angefochtenen Beschluß vertretenen Auffassung kann nach der Rechtsprechung des BFH das FG gegen einen Beschluß nach § 69 Abs. 3 FGO die Beschwerde zwar noch nachträglich zulassen (Beschluß vom 10. Oktober 1991 XI B 18/90, BFHE 165, 565, BStBl II 1992, 301). Gegen einen die nachträgliche Beschwerdezulassung ablehnenden Beschluß nach § 69 Abs. 6 FGO ist die Nichtzulassungsbeschwerde gleichwohl aber nicht statthaft (vgl. auch BFH- Beschluß vom 17. August 1995 II B 6/95, BFH/NV 1996, 218).

2. Nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist allerdings die Beschwerde gegen eine Entscheidung, die -- wie hier -- nach dem Gesetz unanfechtbar ist, ausnahmsweise dann gegeben, wenn der Entscheidung jegliche gesetzliche Grundlage fehlt, insbesondere wenn eine Entscheidung dieser Art oder dieses Inhalts oder dieser Stelle oder auf Grund eines derartigen Verfahrens im Gesetz überhaupt nicht vorgesehen ist (BFH-Beschluß vom 26. Mai 1977 V B 7/77, BFHE 122, 256, BStBl II 1977, 628), bzw. wenn der Beschluß des FG unter schwerwiegender Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist (BFH-Beschlüsse vom 25. Juli 1978 VII B 20/78, BFHE 125, 490, BStBl II 1978, 675, und vom 19. April 1989 II B 177/88, BFH/NV 1990, 576; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 128 Anm. 3; Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 128 FGO Rz. 80).

Die Antragsteller berufen sich für die Zulässigkeit ihrer Beschwerde zu Unrecht auf diese Ausnahme. Mit ihrer Beschwerde weisen sie nicht auf eine greifbare Gesetzeswidrigkeit des angefochtenen FG-Beschlusses in dem dargelegten Sinne oder auf schwerwiegende Verfahrensfehler hin, sondern machen die inhaltliche Unrichtigkeit der finanzgerichtlichen Entscheidung, nämlich die nach ihrer Meinung unzutreffende Heranziehung von Vorschriften der FGO bei der Beurteilung eines Zinsbescheides, geltend. Derartige Mängel rechtfertigen nicht die ausnahmsweise Zulässigkeit der Beschwerde gegen den nach § 128 Abs. 3 FGO unanfechtbaren Beschluß des FG (s. auch BFH-Beschluß vom 25. September 1990 VII B 134/90, BFH/NV 1991, 470).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421826

BFH/NV 1997, 250

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