Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung von Divergenz und fehlerhafter Rechtsanwendung

 

Leitsatz (NV)

Wird in einem FG-Urteil ein Teil eines vom BFH aufgestellten Rechtsfindungsgrundsatzes (hier: Erforderlichkeit der Einbeziehung schlüssigen Verhaltens) ohne Begründung außer Betracht gelassen, so liegt hierin keine Divergenz, sondern allenfalls fehlerhafte Rechtsanwendung.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhielt im Jahre 1983 aus Anlaß der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Abfindung. Nach Auffassung des Klägers bestand mit seinem damaligen Arbeitgeber, der von der Abfindung keine Lohnsteuer einbehielt, eine Nettolohnvereinbarung. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage, mit der der Kläger begehrte, die im Streitjahr gezahlte Abfindung auf den maßgeblichen Bruttobetrag hochzurechnen, die Einkünfte des Klägers um die Differenz zwischen Brutto- und Nettolohn zu erhöhen, die Einkommensteuer entsprechend höher festzusetzen und den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) zu verpflichten, die auf die Abfindung entfallenden, vom ehemaligen Arbeitgeber des Klägers nicht abgeführten Steuerabzugsbeträge auf die Einkommensteuerschuld anzurechnen, als unbegründet abgewiesen. Es führt im wesentlichen aus, der Kläger habe eine Nettolohnvereinbarung nicht nachgewiesen. Soweit die Kläger begehrten, die vom ehemaligen Arbeitgeber nicht einbehaltenen und nicht abgeführten Steuerabzugsbeträge auf die Steuerschuld anzurechnen, könne dieses Begehren keinen Erfolg haben. Steuerabzugsbeträge, die angerechnet werden könnten, ständen mangels einer Nettolohnvereinbarung über die Abfindung nicht zur Verfügung. Im Falle einer Bruttoabfindung sei der ehemalige Arbeitgeber des Klägers auch nicht vorrangig im Wege der Lohnsteuerhaftung in Anspruch zu nehmen. Er sei infolge der Anzeige nach §41 c Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von der Haftung für die nicht einbehaltene Lohnsteuer freigestellt (§42 d Abs. 2 Nr. 1 EStG). Auf ein etwaiges Verschulden komme es nicht an. Demgegenüber ergebe sich die Haftung des Klägers aus §42 d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG.

Mit der gegen das Urteil des FG gerichteten Beschwerde begehren die Kläger Zulassung der Revision wegen Abweichung und grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. a) Soweit die Kläger Divergenz vom Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. Februar 1992 VI R 41/88 (BFHE 166, 558, BStBl II 1992, 443) geltend machen, entspricht die Beschwerde nicht den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach muß die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, bezeichnet werden. Hierfür genügt nicht die bloße Angabe des BFH- Urteils nach Datum, Aktenzeichen und Fundstelle. Es ist vielmehr darzulegen, daß das FG seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem ebenso tragenden abstrakten Rechtssatz in der Entscheidung des BFH abweicht (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, 480, und vom 31. August 1995 I B 62/95, BFH/NV 1996, 226).

Diesen Erfordernissen wird die Begründung der Kläger nicht gerecht. Unabhängig davon, inwieweit es sich bei der vom BFH zugelassenen Möglichkeit, zur Beurteilung einer Vereinbarung über Zahlung von Arbeitslohn auch schlüssiges Verhalten heranzuziehen, um einen die genannte Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz handelt, hat das FG nach dem Vortrag der Kläger keinen diesem widersprechenden Rechtssatz aufgestellt; es hat vielmehr zur Frage des schlüssigen Verhaltens keinerlei Ausführungen gemacht. Die Kläger rügen fehlerhafte Rechtsanwendung. Dadurch wird ein Zulassungsgrund nicht bezeichnet (BFH-Beschluß vom 9. Februar 1996 VIII B 1/95, BFH/NV 1996, 617).

b) Soweit die Kläger Abweichung vom Urteil vom 4. Juni 1993 VI R 95/92 (BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687) geltend machen, ist diese Rüge jedenfalls unbegründet. Der BFH läßt -- auch nach den Ausführungen der Kläger -- in der genannten Entscheidung ausdrücklich offen, welche Bedeutung einem Verschulden des Arbeitgebers im Rahmen des §41 c Abs. 1 EStG zukommt. Lediglich für den Fall der bewußten Außerachtlassung einer auf Anfrage erteilten Anrufungsauskunft hat er entschieden, daß der Haftungsausschluß nicht eingreift. Da das FG über einen solchen Sachverhalt nicht zu entscheiden hatte, weicht es mit seiner Rechtsauffassung, daß es auf ein etwaiges Verschulden des ehemaligen Arbeitgebers nicht ankomme, nicht von der Entscheidung des BFH ab.

2. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage, ob und wie weit das Verschulden eines Arbeitgebers eine Anzeige nach §41 c Abs. 4 EStG oder die damit verbundene Haftungsbefreiung ausschließt, kann die Revision schon deshalb nicht zugelassen werden, weil diese Frage im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich ist. Streitgegenstand ist die Einkommensteuer der Kläger. Eine mögliche Haftung des ehemaligen Arbeitgebers für Lohnsteuer hat auf dieses Verfahren -- auch das Anrechnungsverfahren -- keinen Einfluß. Eine Anrechnung entfällt, wenn der Arbeitgeber -- bewußt oder aus Unkenntnis -- seine Abzugspflicht nicht erfüllt (BFH-Urteil vom 18. Juni 1993 VI R 67/90, BFHE 171, 515, BStBl II 1994, 182, unter II. 2. a).

Der Senat entscheidet im übrigen gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66644

BFH/NV 1998, 474

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