Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegung abstrakter Rechtssätze bei Divergenz

 

Leitsatz (NV)

Durch die Behauptung, das FG messe für die genauere Bezeichnung des Liefergegenstandes den Belangen des wirtschaftlichen Verkehrs weniger Bedeutung bei, als dies aufgrund bestimmter BFH-Urteile geboten wäre, wird eine Abweichung des FG-Urteils von der BFH-Rechsprechung nicht hinreichend dargelegt.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb in den Streitjahren einen Handel mit Münzen, Goldwaren, Mineralien und Antiquitäten. Nach einer Fahndungsprüfung behandelte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) vom Kläger als Provisionsverkäufe erklärte Lieferungen als dessen Eigengeschäfte. Außerdem versagte das FA zum Teil den Abzug von Vorsteuerbeträgen, weil in den Rechnungen der Liefergegenstand nicht ausreichend bezeichnet war.

Der Klage hat das Finanzgericht (FG) hinsichtlich des Abzugs von Vorsteuerbeträgen zum Teil stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus, der Kläger habe nicht nachgewiesen, daß seine angeblichen "Provisionsgeschäfte" berechtigterweise im Namen und für Rechnung eines anderen erfolgt seien. Der Vorsteuerabzug könne nur anerkannt werden, wenn aufgrund der Rechnung eine eindeutige Identifikation der Lieferungsgegenstände möglich sei. Die Angabe bloßer Nummern in den Abrechnungspapieren der Auktionshäuser reiche hierfür ebensowenig aus wie die Pauschalbezeichnung diverse Goldwaren, Goldmünzen, Goldschmuck, Bruchgold usw. Zu gewähren sei der Vorsteuerabzug auf die von den Auktionatoren abgerechneten Aufgelder und aus den Eingangsrechnungen aus dem Komplex "X". Die Ordnungsmäßigkeit dieser Eingangsrechnungen könne nicht überprüft werden, da sie untergegangen seien. In diesem Fall trage das FA die Nachteile daraus, daß seine Behauptung der Nichtordnungsmäßigkeit dieser Rechnungen unerweislich bleibe. Weitere Vorsteuerbeträge seien aufgrund einer tatsächlichen Verständigung zwischen dem Kläger und dem FA anzuerkennen.

Seine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stützt der Kläger auf Divergenz und Verfahrensmängel.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Divergenz (§115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --)

Nach §115 Abs. 3 Satz 3 FGO muß in der Beschwerdeschrift die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH), von der das Urteil abweicht, bezeichnet werden. Das erfordert, daß der Beschwerdeführer darlegt, daß das FG seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem ebenso tragenden abstrakten Rechtssatz in der Entscheidung des BFH abweicht (BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, 480, ständige Rechtsprechung).

a) Der Kläger macht geltend, sofern sich das FG in seinen Urteilsgründen auf die sog. überwiegend vertretene "Zwei-Unternehmer-Theorie" und auf das BFH-Urteil UR 1966, 113 berufe, weiche es vom Urteil des BFH vom 25. November 1986 V R 102/78 (BStBl II 1987, 278) ab.

Diese Ausführungen des Klägers entsprechen offensichtlich nicht den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 FGO.

b) Ebensowenig ist die Abweichung von den BFH-Urteilen vom 24. September 1987 V R 50/85 und V R 125/86 (BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688, und BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694) ordnungsgemäß gerügt. Der Kläger trägt vor, das FG habe zwar als wahr unterstellt, daß die von den Auktionshäusern in den Streitjahren erstellten Rechnungen branchenüblich gewesen seien, dies aber nicht berücksichtigt, sondern ausgeführt, daß maßgebend für die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungen die §§14, 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980, nicht die Gewohnheiten der Auktionshäuser seien. Das FG gehe davon aus, daß eine genaue Bezeichnung der Lieferungsgegenstände für die Auktionshäuser nicht unmöglich gewesen wäre, zumal eine solche Spezifizierung in einigen Fällen bereits in den Streitjahren erfolgt sei. Demgegenüber habe der BFH in den genannten Urteilen darauf abgestellt, daß die genaue Bezeichnung des Liefergegenstands oder der erbrachten Leistung dort ihre Grenzen habe, wo eine gebotene Rücksichtnahme auf die praktischen Bedürfnisse des wirtschaftlichen Verkehrs vorliege und für die Wirtschaft insgesamt eine schwer erträgliche Belastung gegeben sein würde.

Einander widersprechende abstrakte Rechtssätze hat der Kläger dadurch nicht gegenübergestellt. Daß das FG für die genauere Bezeichnung des Liefergegenstands den Belangen des wirtschaftlichen Verkehrs weniger Bedeutung beimißt, als dies -- nach Meinung des Klägers -- aufgrund der BFH- Urteile geboten wäre, läßt eine Abweichung des FG in einer konkreten Rechtsfrage nicht erkennen.

c) Soweit der Kläger Abweichung vom BFH-Urteil vom 24. April 1986 V R 138/78 (BStBl II 1986, 581) rügt, weil das FG zwecks Überprüfbarkeit von Art und Menge der gelieferten Gegenstände Angaben in den Rechnungen fordere, anhand derer eine eindeutige Identifikation der Liefergegenstände möglich sei, während der BFH es für ausreichend angesehen habe, daß aus den Rechnungen hervorgegangen sei, daß es sich bei den gelieferten Waren um einen bestimmten Warentyp (Lebensmittel) aus einem Kreis von 14 Warengruppen gehandelt habe, ist diese Rüge jedenfalls unbegründet. Das FG gibt in seinem Urteil die Rechtsgrundsätze der vom Kläger genannten BFH-Entscheidung wieder. Es hält diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall jedoch für nicht übertragbar, weil im Gold- und Schmuckhandel strengere Anforderungen an die Identifizierbarkeit der Lieferungsgegenstände gestellt werden müßten. Das FG vertritt keine den Grundsätzen des BFH widersprechende Rechtsauffassung. Ob es die Grundsätze zutreffend angewendet hat, kann dahinstehen; fehlerhafte Rechtsanwendung begründet keine Divergenz.

2. Verfahrensmängel (§115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)

a) Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt, weil es nicht berücksichtigt habe, daß es ihm durch das Verschulden des FA nicht möglich gewesen sei, nachzuweisen, daß es sich bei den getätigten Geschäften um Provisionsgeschäfte im Namen und für Rechnung der Firma X gehandelt habe, trägt der Kläger keine Tatsachen vor, aus denen sich der gerügte Verstoß gegen §76 FGO ergibt.

Die Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes erfordert gemäß §115 Abs. 3 Satz 3 FGO, daß in der Beschwerdebegründung dargelegt wird, welche Tatfrage aufklärungsbedürftig ist, welche Beweismittel das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, warum der Beschwerdeführer, insbesondere dann, wenn er durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war, nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, warum die Beweiserhebung sich dem FG -- auch ohne besonderen Antrag -- hätte aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können (ständige Rechtsprechung vgl. u. a. BFH- Beschlüsse vom 11. April 1994 I B 195/93, BFH/NV 1995, 188, und vom 2. Januar 1997 VII B 185/96, BFH/NV 1997, 425).

Eine entsprechende Darlegung des Klägers fehlt. Er rügt im Grunde fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG, weil es ihm die Nachweispflicht für seine Provisionsgeschäfte auferlegt hat.

b) Auch die Rüge, daß das FG seiner Entscheidung entgegen §96 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt habe, ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Hierzu ist erforderlich, daß die Aktenteile, die das FG nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt haben soll, aufgeführt werden; darüber hinaus muß dargetan werden, welche Schlußfolgerung sich dem FG, ausgehend von dessen materiell-rechtlicher Auffassung, aufgrund dieser Tatsachen hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Beschluß vom 7. Oktober 1996 VIII B 138/95, BFH/NV 1997, 412). Der Vortrag des Klägers, das FG habe weder berücksichtigt, daß ihm (Kläger) die Urkunden nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten, noch, daß es einen Erledigungsvorschlag im Erörterungstermin gemacht habe, von den Provisionsgeschäften lediglich 50 % als Eigengeschäfte anzusehen, enthält keine entsprechende Darlegung.

c) Die Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen Nichteinvernahme der als Zeugin benannten Frau Y entspricht ebenfalls nicht den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Wird als Verfahrensmangel geltend gemacht, daß das FG einen angetretenen Beweis nicht erhoben habe, so muß der Beschwerdeführer nicht nur die ermittlungsbedürftigen Punkte, die Beweisthemen, die Beweismittel, die genaue Fundstelle des Beweisantritts und die Entscheidungserheblichkeit des Beweisangebots darlegen, sondern auch ausführen, daß er bei nächster sich bietender Gelegenheit die Nichterhebung des betreffenden Beweises vor dem FG gerügt habe oder daß die Absicht des FG, den angebotenen Beweis nicht zu erheben, nicht so rechtzeitig erkennbar gewesen sei, daß dies noch vor dem FG hätte gerügt werden können (vgl. BFH-Beschluß vom 30. August 1995 II B 66/95, BFH/NV 1996, 59).

Den Ausführungen des Klägers läßt sich nicht entnehmen, daß er diesen Mangel in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt hat.

d) Soweit der Kläger mangelnde Sachaufklärung in bezug auf die Ablehnung des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen von sonstigen Lieferanten, insbesondere der Großhändler und B rügt, fehlt es an der Darlegung, inwieweit die als unterlassen gerügte Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können. Nach der Auffassung des FG ist der Vorsteuerabzug aufgrund von Rechnungen, in denen der Lieferungsgegenstand lediglich pauschal bezeichnet ist, nicht zu gewähren.

e) Die Rüge mangelnder Sachaufklärung im Zusammenhang mit der Gewährung des Vorsteuerabzugs aus den Rechnungen der Firmen X geht schon deshalb fehl, weil nicht erkennbar ist, welche Tatfrage das FG hätte aufklären sollen und inwieweit eine Aufklärung zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können. Hierzu hätte es der Aufschlüsselung der Vorsteuerbeträge aufgrund der in den Wareneingangsbüchern des Klägers erfaßten Umsätze mit den Firmen X bedurft.

3. Die nach Ablauf der Beschwerdefrist mit Schriftsatz vom 19. Juni 1996 erhobenen Rügen können bei der Prüfung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1997, 412).

Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66460

BFH/NV 1998, 477

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