Entscheidungsstichwort (Thema)

Richterablehnung wegen Befangenheitsbesorgnis

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Frage, inwieweit eine gegenüber dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers fernmündlich abgegebene Äußerung des Berichterstatters über die Aussichtslosigkeit der Klage die Besorgnis der Befangenheit begründen kann.

2. Allein der Umstand, daß der Richter bei seiner Äußerung (1.) nicht ausdrücklich hervorgehoben hat, daß diese auf einer lediglich vorläufigen (persönlichen) Meinungsbildung beruht, begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1 S. 1; ZPO § 42 Abs. 2

 

Tatbestand

In dem beim Finanzgericht - FG - anhängig gewesenen Klageverfahren des Klägers und Beschwerdeführers - Kläger - lehnte dieser den Vorsitzenden Richter am FG X (zugleich Berichterstatter) wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung gab der Kläger an, der Richter habe in einem Telefonat mit seinem (des Klägers) Prozeßbevollmächtigten geäußert, die Klage sei aussichtslos; es sei seiner Ansicht nach das Sinnvollste, die Klage zurückzunehmen.

Das FG lehnte den Antrag des Klägers ab. Ein Ablehnungsgrund liege nicht vor. Der Richter könne im Rahmen seiner Aufgabe ein Rechtsgespräch mit den Beteiligten führen und seine Auffassung auch prononciert darlegen. Zweifel daran, daß der Richter Gegengründen noch aufgeschlossen gegenüberstehen werde, hätten nach dessen Äußerungen nicht aufkommen können.

Bei seiner Entscheidung berücksichtigte das FG die (in der mündlichen Verhandlung protokollierte) Erklärung des Prozeßbevollmächtigten, der Richter habe in dem Telefongespräch hinreichend zum Ausdruck gebracht, daß seine Erläuterungen zu diesem Fall seine persönliche Auffassung darstellten.

Mit der Beschwerde wird vorgetragen, tatsächlich habe der Prozeßbevollmächtigte erklärt, er habe dem Telefongespräch entnehmen können, daß der Richter seine persönliche Meinung äußere, ,,da ich ja nur mit ihm und nicht mit der ganzen Kammer telefoniert habe"; da der Richter mit der ,,Kammer" ständig Kontakt hätte, sei es allerdings auch möglich, daß er die Meinung der ,,Kammer" wiedergegeben habe. Jedenfalls habe der Richter während des Telefongesprächs nicht gesagt, daß das Besprochene (nur) seine persönliche Meinung sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß ein Ablehnungsgrund (§ 51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) nicht gegeben ist.

Ein Grund, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen, kann nicht darin gesehen werden, daß sich der Berichterstatter eine Meinung über den Verfahrensausgang gebildet hat und er den Hinweis auf seine Rechtsmeinung mit der Empfehlung verbindet, eine Klagerücknahme zu erwägen (Bundesfinanzhof, Beschlüsse vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, 148f., BStBl II 1985, 555, und vom 15. Juni 1988 IV B 33/87, BFH/NV 1990, 39). Ein solches Vorgehen begründet keine Befangenheitsbesorgnis, wenn die Äußerung des Richters bei objektiver und vernünftiger Betrachtung erkennen läßt, daß sie auf einer lediglich vorläufigen (persönlichen) Meinungsbildung beruht und daß eine anderweitige Entscheidung des Senats nicht ausgeschlossen ist (Gräber/Koch, FGO, 2. Aufl. 1987, § 51 Anm.40).

Der Richter hat in seiner dienstlichen Äußerung (§ 44 Abs. 3 ZPO) erklärt, er habe deutlich darauf hingewiesen, daß es sich um die persönliche Meinung des Berichterstatters handele. Damit stimmt die in der mündlichen Verhandlung (nach dem Protokoll) abgegebene Erklärung des Prozeßbevollmächtigten überein, nicht dagegen die Erklärung, die der Prozeßbevollmächtigte nach der Beschwerdebegründung abgegeben haben will (kein Hinweis des Richters auf den rein persönlichen Charakter seiner Äußerung). Es kann dahingestellt bleiben, ob geltend gemacht werden kann, die Erklärung habe einen anderen als den protokollierten Inhalt gehabt. Auch wenn unterstellt wird, daß sie so, wie mit der Beschwerde vorgebracht, abgegeben worden ist, läßt sich ein Ablehnungsgrund nicht erkennen. Selbst bei Fehlen eines ausdrücklichen Hinweises des Richters darauf, daß seine Äußerung auf einer lediglich vorläufigen (persönlichen) Meinungsbildung beruhe, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, der Berichterstatter (oder gar der gesamte Spruchkörper) hätte sich bereits endgültig festgelegt. Gründe, die eine solche Einstellung hätten befürchten lassen, sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418702

BFH/NV 1993, 256

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