Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung einer Freundschaftspionierleiterin mit einem Zertifikat für das Fach "Begegnungssprache Englisch"

 

Orientierungssatz

1. Hinweise des Senats:

"Begriff der "Erweiterungsprüfung" iSd Lehrer-Richtlinien-O der TdL vom 22. Juni 1995."

2. Auslegung der Richtlinien des Freistaates Sachsen zur Neuregelung der Eingruppierung der angestellten Lehrer vom 22. Juni 1995 idF der am 20. März 1996 beschlossenen Änderungen.

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 23. März 1998 - 8 Sa 885/97 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Revision hat die Klägerin zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin seit dem 1. Juli 1995.

Die Klägerin ist seit Mai 1990 an der Grundschule R des Beklagten als Lehrerin für untere Klassen/Klassenleiterin tätig. Von 1984 bis 1986 war sie als Lehrerin und Freundschaftspionierleiterin für untere Klassen an der G -Oberschule S tätig.

Mit Änderungsverträgen vom 10. September 1991 und 11. Februar 1992 vereinbarten die Parteien, daß alle bisherigen Regelungen des Arbeitsvertrages durch die Regelungen des BAT-O ersetzt werden. Für die Eingruppierung sollte der zutreffende Abschnitt der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für die von der Anlage 1 a nicht erfaßten Angestellten in der jeweiligen Fassung gelten.

Die Klägerin hat von 1980 bis 1984 am Institut für Lehrerbildung (Jacques Duclos) in Rostock eine Fachschulausbildung absolviert und den Fachschulabschluß als Freundschaftspionierleiterin sowie die Lehrbefähigung für die Fächer Deutsch und Kunsterziehung zum Unterricht in den unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule erworben. Von 1990 bis 1992 holte sie am Abendgymnasium das Abitur nach. Im Schuljahr 1992/1993 hat sie an einem Kurs für Fachdidaktische Fortbildung von Grundschullehrern im Lernbereich Begegnungssprache (Englisch) teilgenommen; eine weitere Fortbildung dauerte vom 18. bis 21. Oktober 1993. Vom 13. bis 26. Februar 1993 hat die Klägerin in Hastings einen "Full-time Primary teachers course" besucht. Im Juni 1994 erwarb sie das sog. "First Certificate in English" und das "Local Examinations Syndicate - International Examinations" der Universität Cambridge. Nachdem die Klägerin im Rahmen der berufsbegleitenden Weiterbildung in "Begegnungssprache Englisch" am 2. November 1994 eine Lehrprobe abgelegt hatte, erhielt sie von der Beklagten ein Zertifikat, das auszugsweise wie folgt lautet:

"Zertifikat

Frau ... hat an der berufsbegleitenden Weiterbildung Begegnungssprache Englisch erfolgreich teilgenommen. ... Es wird bestätigt, daß die für die Erteilung des Faches Begegnungssprache Englisch in der Grundschule erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erworben wurden. 1

1 Aus diesem Abschluß können keine Rechtsansprüche auf Einsatz in dem betreffendem Fach bzw. auf besoldungsrechtliche Änderungen abgeleitet werden."

Zunächst wurde die Klägerin in VergGr. V c BAT-O eingruppiert. Durch den Änderungsvertrag vom 11. Februar 1992 wurde die Eingruppierung der Klägerin rückwirkend zum 1. Juli 1991 in VergGr. IV b BAT-O geändert. Mit Schreiben vom 14. Dezember 1992 erklärte der Beklagte, daß die bisherige VergGr. IV b BAT-O durch VergGr. VI b BAT-O ersetzt werde. Mit Änderungsvertrag vom 24. Oktober 1996 vereinbarten die Parteien mit Wirkung vom 1. Juli 1995 die VergGr. V b BAT-O.

Die Klägerin strebt eine Eingruppierung in VergGr. IV b der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrer (Ost) vom 22. Juni 1995 (Lehrer-Richtlinien-O der TdL) an. Sie ist der Ansicht, sie erfülle die Voraussetzungen der VerGr. IV b Fallgr. 8 a des Teils B.I. der Lehrer-Richtlinien-O der TdL. Sie verfüge über eine erfolgreich abgelegte Erweiterungsprüfung i.S. dieser Fallgruppe. Bei dem Begriff Erweiterungsprüfung handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der weder in den Richtlinien noch an anderer Stelle definiert sei und deshalb der Auslegung bedürfe. Eine Gleichsetzung mit dem Begriff Erweiterungsprüfung i.S.d. Sächsischen Lehramtsprüfungsordnung (LAPO I) sei unzulässig, da es hierfür - mangels Öffnungsklausel der TdL-Richtlinien - an einer Ermächtigungsgrundlage fehle. Eine unterschiedliche Auslegung dieses in den TdL-Richtlinien gebrauchten Begriffes in den einzelnen Bundesländern verstoße gegen Art. 3 GG. Sie habe durch die absolvierten Fortbildungen und Prüfungen ihre Qualifikation um ein neues Fach erweitert, nämlich um die Begegnungssprache Englisch. Damit seien die Voraussetzungen einer Erweiterungsprüfung i.S.d. Lehrer-Richtlinien-O der TdL erfüllt. Aber selbst i.S.d. LAPO I habe die Klägerin eine Erweiterungsprüfung erfolgreich abgelegt. Bei dem Fach Begegnungssprache Englisch handele es sich um einen Sachunterricht mit geographischem, historischem und sozialkundlichem Schwerpunkt.

Die Klägerin hat beantragt:

Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin rückwirkend seit dem 1. Juli 1995 Vergütung nach der VergGr. IV b BAT-O zuzüglich 4 % Zinsen aus den rückständigen Nettodifferenzbeträgen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Meinung, die in der LAPO I enthaltene Definition Erweiterungsprüfung sei auch für die Lehrer-Richtlinien-O der TdL maßgeblich. Deren Voraussetzung erfülle die Klägerin nicht. Im Fach "Begegnungssprache Englisch" könne eine Erweiterungsprüfung nicht abgelegt werden.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen bzw. die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Klageantrag weiter. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Eingruppierung in die VergGr. IV b der Lehrer-Richtlinien-O der TdL seit dem 1. Juli 1995. Zu Recht haben daher die Vorinstanzen die Klage abgewiesen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Eingruppierung der Klägerin richte sich seit 1. Juli 1995 nach den zu diesem Termin in Kraft getretenen Lehrer-Richtlinien-O der TdL sowie den Richtlinien des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über die Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte des Freistaates Sachsen vom 22. Juni 1995. Danach stehe der Klägerin lediglich eine Vergütung nach VergGr. V b zu. Die Klägerin sei Freundschaftspionierleiterin mit entsprechender staatlicher Prüfung; sie besitze die Lehrbefähigung für Deutsch und das Wahlfach Kunsterziehung und sei als Lehrerin tätig. Eine Eingruppierung der Klägerin nach VergGr. IV b scheitere daran, daß ihr eine erfolgreich abgelegte Erweiterungsprüfung für die Sekundarstufe I oder die Primarstufe in einem dritten Fach fehle. Soweit die Vergütung nach VergGr. IV b an eine erfolgreich abgelegte Erweiterungsprüfung geknüpft sei, beziehe sich dies auf die jeweiligen landesrechtlichen Regelungen für Erweiterungsprüfungen; diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Der Richtliniengeber habe kein eigenständig auszulegendes Qualifikationsmerkmal geschaffen, sondern auf bereits bestehende Regelungen Bezug nehmen wollen; dies ergebe die Auslegung der Lehrer-Richtlinien-O der TdL. Hätte der Richtliniengeber eine höhere Vergütung von dem Ablegen einer Prüfung über zusätzliches Wissen nach einer Ausbildung abhängig machen wollen, hätte er anstelle des Wortes "Erweiterungsprüfung" nur "Prüfung" setzen können. Auch die Formulierung Sekundarstufe I oder Primarstufe spreche dafür, daß nicht irgendeine sonstige Prüfung gemeint sei, sondern eine landesrechtlich bereits geregelte bestimmte Prüfung zugrunde gelegt wurde. Soweit in den Richtlinien ein Anspruch auf Zahlung einer höheren Vergütung von dem Vorliegen einer bestimmten Qualifikation abhängig gemacht werde, fehle regelmäßig eine nähere Erläuterung, unter welchen Voraussetzungen diese Qualifikation zu erwerben sei, weil die Qualifikationen anderweitig geregelt seien. Wenn somit der Richtliniengeber den Begriff der Erweiterungsprüfung nicht erläutere, dann geschehe dies deshalb, weil er die insoweit bestehenden Regelungen beim Beklagten kannte und zugrunde legte. Da die LAPO I zum Zeitpunkt des Erlasses der TdL-Richtlinien bereits in Kraft gewesen sei, sei es auch unzutreffend anzunehmen, der Beklagte habe einen den TdL-Richtlinien entnommenen Begriff definieren wollen. Die Klägerin habe danach keine Erweiterungsprüfung i.S.v. § 28 i.V.m. § 25 LAPO I vorzuweisen.

Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts folgt der Senat im Ergebnis und im wesentlichen auch in der Begründung.

II. Die Klägerin kann die Vergütung nach VergGr. IV b der Lehrer-Richtlinien-O der TdL nicht verlangen; ihre Revision ist somit unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine im öffentlichen Dienst übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (Urteil vom 19. März 1986 - 4 AZR 470/84 - AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Senatsurteil vom 12. August 1998 - 10 AZR 483/97 - n.v.).

2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da die Eingruppierungsvoraussetzung für die VergGr. IV b der Lehrer-Richtlinien-O der TdL "Erweiterungsprüfung" nicht vorliegt.

a) Die für die Eingruppierung der Klägerin danach maßgeblichen Vorschriften lauten:

Lehrer-Richtlinien-O der TdL vom 22. Juni 1995

...

B. Sonstige Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis an allgemeinbildenden und an berufsbildenden Schulen

Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis, die nicht unter Abschnitt A fallen, können in die Vergütungsgruppen der Anl. 1 a zum BAT-O wie folgt eingruppiert werden:

I. Lehrkräfte an Grund- und Hauptschulen

...

8 a) Erzieherinnen und Freundschaftspionierleiter

mit entsprechender staatlicher Prüfung oder staatlicher Anerkennung

und Lehrbefähigung für Deutsch oder Mathematik und je ein Wahlfach sowie einer erfolgreich abgelegten Erweiterungsprüfung für die Sekundarstufe I oder die Primarstufe in einem dritten Fach in der Tätigkeit von Lehrern IV b

(Die Länder werden ermächtigt, im Einzelfall zu entscheiden, welche sonstigen Angestellten aufgrund einer geeigneten gleichwertigen Ausbildung den Erziehern und Freundschaftspionierleitern gleichgestellt werden können.)

Richtlinien des Freistaats Sachsen zur Neuregelung der Eingruppierung der angestellten Lehrer vom 22. Juni 1995 in der Fassung der am 20. März 1996 beschlossenen Änderungen

A. Allgemeinbildende Schulen

I. Grundschulen

Vergütungsgruppe IV a

Lehrer

- mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung als Lehrer für die unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule (Klassen 1 bis 4) bzw. bis ca. 1965 als Lehrer für die Unterstufe der allgemeinbildenden Schulen (1. bis 4. Schuljahr) 1

1 Hierunter fallen auch Angestellte mit abgeschlossener Ausbildung als Freundschaftspionierleiter oder Erzieher jeweils mit einer Ergänzungsausbildung (Lehrbefähigung) in den Fächern Deutsch, Mathematik und einem Wahlfach für die Klassen 1 bis 4.

Sächsisches Schulgesetz vom 3. Juli 1991 (SäGVBl S. 213)

§ 40

Lehrer

...

3. Ausbildung, Prüfung und Fortbildung der Lehrer regelt das Staatsministerium für Kultus durch Rechtsverordnung.

Abs. 3 wurde durch das Gesetz vom 29. Juni 1998 (SäGVBl S. 271) geändert. Er lautet nunmehr:

Ausbildung, Prüfung und Fortbildung der Lehrer sowie die Zuständigkeit für Angelegenheiten der Lehramtsprüfungen, insbesondere Zulassung zu den Prüfungen, Durchführung der Prüfungen, Zeugniserteilung und Anerkennung von Abschlüssen regelt das Staatsministerium für Kultus durch Rechtsverordnung.

Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über die Erste Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen im Freistaat Sachsen (Lehramtsprüfungsordnung I (- LAPO I -) vom 26. März 1992 (SäGVBl S. 173)

Erster Teil

Allgemeine Bestimmungen

§ 25

Erweiterungsprüfung

1. Nach bestandener Erster Staatsprüfung oder einer vom Sächsischem Staatsministerium für Kultus als gleichwertig anerkannten Prüfung, können Erweiterungsprüfungen zu dem entsprechenden Lehramt in Fächern dieses Lehramtes nach Maßgabe der §§ 28, 40, 67, 95 und 113 dieser Verordnung abgelegt werden, soweit ein genehmigter Lehramtsstudiengang eingerichtet ist.

2. Die Erweiterungsprüfung besteht aus

1. der schriftlichen Prüfung (§ 13),

2. der mündlichen Prüfung (§ 14) und gegebenenfalls

3. der fachpraktischen Prüfung (§ 15).

Eine bereits vorliegende Wissenschaftliche Arbeit im entsprechenden Lehramt kann auf Antrag anerkannt werden.

3. Für die Zulassung und die Durchführung der Erweiterungsprüfung finden die Bestimmung des Ersten Teils dieser Verordnung entsprechend Anwendung.

Zweiter Teil

Lehramt an Grundschulen

Erster Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

§ 26

Prüfungsfächer und Fächerverbindungen

...

2. In der Grundschuldidaktik muß neben der Pädagogik der Grundschule aus jedem der drei folgenden Gebiete die Didaktik eines der jeweils genannten Fächer für die Erste Staatsprüfung gewählt werden:

Gebiet A: Deutsch oder Mathematik;

Gebiet B: Sachunterricht mit geographischem, historischem und sozialkundlichem Schwerpunkt oder Sachunterricht mit naturwissenschaftlich - technischem Schwerpunkt;

Gebiet C: Sport oder Musik oder Kunsterziehung oder Werken.

3. Folgende Fächer können für die Erste Staatsprüfung des "Studierten Faches" gewählt werden: Deutsch, Sorbisch, Mathematik, Sport, Musik, Kunsterziehung, Evangelische Religion oder Katholische Religion.

§ 28

Erweiterungsprüfung

1. Wer im Freistaat Sachsen die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grundschulen oder außerhalb des Freistaates Sachsen eine Prüfung bestanden hat, die vom Sächsischen Staatsministerium für Kultus als dieser gleichwertig anerkannt wurde, oder wer die Laufbahnbefähigung für das Lehramt an Grundschulen besitzt und an einer entsprechenden öffentlichen Schule oder Ersatzschule in freier Trägerschaft hauptamtlich tätig ist, kann Erweiterungsprüfungen in den in § 26 Abs. 2 und 3 genannten Prüfungsfächern ablegen. Ebenso ist eine Erweiterungsprüfung im Fach Deutsch als Zweitsprache und in Sonderpädagogischen Fachrichtungen (Sechster Teil dieser Verordnung) möglich.

2. Die Regelstudienzeit für die Erweiterungsprüfung in einem Fach bzw. einer Fachrichtung beträgt 4 Semester.

3. Das Bestehen der Erweiterungsprüfung berechtigt den Bewerber, den Unterricht in diesem Fach in allen Klassen der Grundschule zu erteilen.

b) Die Klägerin ist angestellte Lehrkraft im Sinne der tariflichen Bestimmungen, da sie an der Grundschule R Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebs vermittelt; für ihre Eingruppierung ist daher nach § 2 Nr. 3 S. 1 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 die Anlage 1 a zum BAT nicht anzuwenden. Für die Eingruppierung der Klägerin gilt vielmehr nach den Änderungsverträgen vom 10. September 1991 und 11. Februar 1992 der zutreffende Abschnitt der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) in der jeweiligen Fassung.

Die Lehrer-Richtlinien-O der TdL stellen eine Empfehlung einer Tarifvertragspartei an ihrer Mitglieder dar (BAG Urteil vom 28. Januar 1987 - 4 AZR 147/86 - BAGE 55, 18, 26 = AP Nr. 130 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAGE 38, 221, 227 = AP Nr. 64 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 25. Juni 1986 - 4 AZR 206/85 - BAGE 52, 242 = AP Nr. 122 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vgl. BAGE 48, 107, 110 = AP Nr. 12 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer und BAGE 34, 173, 178 = AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt den Lehrerrichtlinien kein Rechtsnormcharakter zu (BAG Urteil vom 20. April 1994 - 4 AZR 312/93 - BAGE 76, 264 = AP Nr. 1 zu § 11 BAT-O, m.w.N.). Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich nicht um Verwaltungsvorschriften, mit denen sich ein Staatsorgan im Weisungswege, in der Regel ein Ministerium, im Rahmen der allgemeinen Behördenhierarchie an nachgeordnete, weisungsabhängige Organe, Ämter und Dienststellen wendet (BAG Urteil vom 18. Mai 1988 - 4 AZR 765/87 - BAGE 58, 283, 291 = AP Nr. 24 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer). Die TdL ist eine Arbeitgebervereinigung (§ 1 Abs. 1 der Satzung der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom 12. Februar 1959).

c) Unstreitig erfüllt die Klägerin die sonstigen Voraussetzungen der Nr. 8 a zu Ziff. I "Lehrkräfte an Grund- und Hauptschulen" des Teils B der Lehrer-Richtlinien-O der TdL vom 22. Juni 1995; sie ist Erzieherin und Freundschaftspionierleiterin mit entsprechender staatlicher Prüfung und Lehrbefähigung für Deutsch oder Mathematik und je einem Wahlfach. Die Klägerin erfüllt aber nicht die Voraussetzung einer erfolgreich abgelegten Erweiterungsprüfung für die Sekundarstufe I oder die Primarstufe in einem dritten Fach in der Tätigkeit von Lehrern.

Was unter einer solchen "Erweiterungsprüfung" zu verstehen ist, ergibt sich im vorliegenden Fall aus den landesrechtlichen Vorschriften, insbesondere aus der LAPO I. Die Klägerin hat keine Prüfung nach § 28 LAPO I abgelegt, da das Fach "Begegnungssprache Englisch" in § 26 Abs. 2 und 3 sowie im Sechsten Teil der LAPO I nicht aufgeführt ist.

Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder hat in ihren Richtlinien nicht definiert, was unter einer Erweiterungsprüfung zu verstehen ist. Aus dem Zusammenhang der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder folgt somit, daß, soweit die Richtlinien keine eigenen Definitionen enthalten, jeweils die landesrechtlichen Vorschriften anwendbar sind. Dies ergibt sich zum einen daraus, daß die Regelung der Ausbildung und Prüfung der Lehrer grundsätzlich unter die Kulturhoheit der Länder fällt; zum anderen sind die Bundesländer in der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder vertreten. Daraus folgt, daß der Beklagte die LAPO erlassen und darin den Begriff "Erweiterungsprüfung" definieren konnte; Rechtsgrundlage ist insoweit § 40 Abs. 3 des Schulgesetzes des Freistaates Sachsen. Soweit Gegenstände der Landesgesetzgebung unterliegen, läßt das förderalistische Prinzip jedem Land im Rahmen seiner Zuständigkeit die Möglichkeit, die Gesetzgebung im Landesbereich nach seinen politischen Vorstellungen zu regeln; auch Art. 3 GG verlangt insoweit nicht, daß die betreffende Materie in jedem Land gleich geregelt wird.

Soweit die Lehrer-Richtlinien-O eine Reihe von Prüfungen mit konkreter Bedeutung enthalten, z.B. die Künstlerische Prüfung für das Lehramt an Gymnasien (Abschnitt B Ziff. I Nr. 7), die Prüfung für Kirchenmusik oder Erste Staatsprüfung für das Lehramt (Abschnitt B Ziff. I Nr. 8) kommt auch diesen Prüfungen eine konkrete Bedeutung zu, ohne daß die Definition in den Richtlinien enthalten ist. Auch für diese Prüfungen ist somit auf die landesrechtlichen Vorschriften abzustellen. Dementsprechend ist davon auszugehen, daß die Tarifgemeinschaft deutscher Länder bei der Tatbestandsvoraussetzung "Erweiterungsprüfung" die jeweilige landesrechtliche Regelung zugrunde legen wollte. Die Möglichkeit der Erweiterungsprüfung findet sich auch in anderen landesrechtlichen Regelungen, so z.B. in § 26 der Thüringer Verordnung über die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grundschulen vom 6. Mai 1994, in § 39 der Verordnung über die Ersten Staatsprüfungen für Lehrämter in Sachsen-Anhalt vom 19. Juni 1992, in § 55 der Verordnung der Ersten Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen vom 14. Juni 1994 des Landes Brandenburg und in § 22 der Verordnung über die Erste Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen im Land Mecklenburg-Vorpommern vom 26. April 1993. Nachdem die Lehrer-Richtlinien-O der TdL besondere Vorschriften für Lehrer in den neuen Bundesländern enthalten und sämtliche Bundesländer im Beitrittsgebiet in ihren Prüfungsordnungen Regelungen für Erweiterungsprüfungen erlassen haben, die der TdL bei Erlaß ihrer Richtlinien bekannt waren, ist davon auszugehen, daß die TdL den Fachbegriff "Erweiterungsprüfung" wie er in den Landesbestimmungen jeweils geregelt ist, verwendet hat. Diese Tatbestandsvoraussetzung für die Eingruppierung in die VergGr. IV b der Lehrer-Richtlinien-O der TdL erfüllt die Klägerin aber nicht. Auch aus dem vorgelegten Zertifikat ergibt sich nicht, daß die Klägerin eine Erweiterungsprüfung im Sinne der landesrechtlichen Bestimmungen abgelegt hat.

d) Ist somit zur Auslegung des Richtlinienmerkmals "Erweiterungsprüfung" auf die landesrechtlichen Bestimmungen abzustellen, folgt daraus, daß die Klägerin in dem Fach "Begegnungssprache Englisch" keine Erweiterungsprüfung im Sinne des § 28 LAPO I abgelegt hat.

Mit dem für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV b nach Nr. 8 a der Lehrer-Richtlinien-O der TdL maßgeblichen Merkmal der "... erfolgreich abgelegten Erweiterungsprüfung..." wird nicht allein auf eine Prüfung abgestellt, mit der die Angestellte ihr Wissen vergrößert, also erweitert hat. Aus dem Zusatz "für die Sekundarstufe I oder die Primarstufe in einem dritten Fach" folgt, daß die TdL die Erweiterungsprüfung im Hinblick auf den schulischen Einsatz zur Voraussetzung machen wollte. Die Erweiterungsprüfung muß sich außerdem auf die Lehrbefähigung für Deutsch oder Mathematik und je ein Wahlfach beziehen, da die Lehrbefähigung darüber hinaus erweitert werden soll. Somit handelt es sich auch nach dem Wortlaut der Lehrer-Richtlinien-O der TdL um eine Prüfung zur Erweiterung der Lehrbefähigung; entsprechend regelt § 28 Abs. 3 LAPO I, daß das Bestehen der Erweiterungsprüfung den Bewerber ermächtigt, den Unterricht in diesem Fach in allen Klassen der Grundschule zu erteilen.

e) Zwar könnte der Hinweis auf dem Zertifikat, daß aus dem Abschluß keine Rechtsansprüche auf besoldungsrechtliche Änderungen abgeleitet werden können, einen Anspruch der Klägerin auf eine bestimmte Eingruppierung bei Erfüllung der jeweiligen eingruppierungsmäßigen Voraussetzungen nicht beseitigen; vorliegend ist der Hinweis jedoch ein Indiz dafür, daß das Zertifikat nicht die Erfüllung der eingruppierungsmäßigen Voraussetzungen für die Höhergruppierung ersetzen soll.

f) Auch der Umstand, daß die Klägerin als Freundschaftspionierleiterin die Voraussetzungen für das Ablegen der Erweiterungsprüfung nicht erfüllen kann, führt zu keiner anderen Auslegung der Lehrer-Richtlinien-O. Es ist anerkannt, daß die Eingruppierung von abgelegten Prüfungen abhängen kann. Ob und für welche Prüfungen ein Bewerber zugelassen wird, bestimmt sich nach den jeweiligen Prüfungsordnungen. Die Aufstellung der Prüfungsordnungen ist Sache der jeweiligen zuständigen Stelle, im vorliegenden Falle des Beklagten. Der Umstand, daß ein Bewerber aufgrund der Vorbildung nicht zur Prüfung zugelassen wird, führt allein nicht dazu, daß von Eingruppierungsvoraussetzungen abgegangen werden kann. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die von der Klägerin erbrachte Tätigkeit wegen Fehlens der in den Lehrer-Richtlinien-O geforderten Ausbildung nicht zur Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV b führen kann (BAG Urteil vom 21. Juni 1978 - 4 AZR 816/76 - AP Nr. 3 zu § 25 BAT für den Fall einer tariflichen Eingruppierungsvoraussetzung).

g) Eine Erweiterungsprüfung im Sinne der landesrechtlichen Bestimmung kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt angenommen werden, daß es sich bei dem Fach "Begegnungssprache Englisch" um Sachunterricht mit vorwiegend sozialkundlichem, historischem oder geographischem Inhalt gem. § 26 Abs. 2 der LAPO I handelt. Zwar soll das Fach "Begegnungssprache" fächerübergreifend gestaltet werden und ein Lernen mit offenem, erlebnis- und handlungsbetontem Unterricht sein; es fehlt jedoch an der erforderlichen Bezugnahme zur Geographie, Geschichte und Sozialkunde. Aufgabe und Ziel des Faches "Begegnungssprache Englisch" ist das sprachliche Können, das Hörverstehen, das Sprechen, sprachliche Kenntnisse sowie Phonetik und Intonation. Es liegt damit zwar eine Verbindung zu anderen Fächern vor, darauf liegt jedoch nicht der Schwerpunkt der Lerninhalte.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Hauck

Böck Reinecke N. Schuster

Peters

 

Fundstellen

Haufe-Index 610794

ZTR 2000, 270

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