nicht – rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderungsanspruch des Insolvenzverwalters bei verspäteter Lohnzahlung vor Insolvenzeröffnung (Insolvenzanfechtung)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Auszahlung rückständiger Vergütungsansprüche durch die Arbeitgeberin an Arbeitnehmer vor Insolvenzeröffnung ist durch den Insolvenzverwalter nur dann anfechtbar, wenn die begünstigten Arbeitnehmer eine bereits bestehende Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin kannten oder Kenntnis von Umständen hatten, die zwingend auf die bestehende Zahlungsunfähigkeit schließen ließen (§ 130 InsO).

2. Eine um 3 Monate verzögerte Vergütungszahlung alleine verursacht bei Arbeitnehmern noch keine Kenntnis, die zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin schließen lässt.

3. Dies gilt um so mehr, wenn die Arbeitgeberin seit Monaten immer wieder in Zahlungsverzug geraten war, aber die Vergütungsrückstände dann stets wieder ausglich. Aus der Kenntnis von Liquiditätsengpässen der Arbeitgeberin folgt nicht zwingend die Kenntnis einer Zahlungsunfähigkeit.

4. Arbeitnehmer dürfen in diesen Fällen darauf vertrauen, dass die Arbeitgeberin wie in der Vergangenheit ihren Zahlungsverzug begleichen wird. Der Insolvenzverwalter kann ohne Hinzutreten weiterer Umstände keinen Rückforderungsanspruch für nachgezahlte Vergütungen gegen die Arbeitnehmer durchsetzen.

 

Normenkette

InsO §§ 143, 129-130

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.383,60 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger aufgrund einer Insolvenzanfechtung den ausgezahlten Lohn für Juli 2007 zurückzuzahlen.

Die Gemeinschuldnerin betrieb ein Bauunternehmen. Der Kläger war bei der Beklagten als Bauarbeiter seit 2005 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund einer Klägerkündigung zum 15.08.07.

Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der vormaligen Arbeitgeberin des Beklagten.

Die Arbeitgeberin und Gemeinschuldnerin zahlte schon seit langem, nach Angaben des Klägers seit Jahren, die Löhne an den Beklagten und an andere Mitarbeiter verspätet bzw. zeitverzögert aus. So überwies sie den Lohn des Beklagten für Juli 2007 erst am 26. 10.2007. Die Lohnzahlung betrug 1.383,60 Euro netto.

Am 28. 11.2007 stellte die … beim Insolvenzgericht einen Antrag auf Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Arbeitgeberin. Das Insolvenzgericht eröffnete die Insolvenz über deren Vermögen mit Beschluss vom 18.01.2008. Der Kläger wurde dabei vom Gericht als Insolvenzverwalter eingesetzt.

Der Kläger machte mit Schreiben vom 11.06.2008 unter Fristsetzung zum 27. Juni 2008 die Rückzahlung des Juli-Lohnes 2007 für Insolvenzmasse im Wege der Insolvenzanfechtung beim Beklagten geltend. Er berief sich dabei darauf, dass die Lohnzahlung für Juli 2007 in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag der … erfolgt ist.

Der Beklagte verweigerte die Rückzahlung des Juli-Lohnes zur Insolvenzmasse mit der Begründung, dass ihm von der Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin zum Zeitpunkt der Lohnzahlung nichts bekannt gewesen sei. Außerdem sei ein Rückforderungsanspruch wegen der tariflichen Ausschlussfrist verfallen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung nach den §§ 143 Abs. 1, 129 und 130 InsO vorlägen. Die Zahlung des Juli-Lohnes 2007 an den Kläger stelle eine anfechtbare Schmälerung der Insolvenzmasse und eine unzulässige Gläubigerbenachteiligung durch die Gemeinschuldnerin dar.

Der Kläger behauptet, dass die Gemeinschuldnerin zum Zeitpunkt der Lohnzahlung Ende Oktober 2007 bereits zahlungsunfähig gewesen sei.

Zu diesem Zeitpunkt seien bereits die Forderungen von 26 Gläubigern in Höhe von 138.069,14 Euro fällig gewesen. Selbst wenn die Einwendungen des Beklagten zu diesen Forderungen berücksichtigt würden, seien zum Zahlungszeitpunkt im Oktober 2007 unstreitig mindestens 120.000,00 Euro an Gläubigerforderungen fällig gewesen.

Die Klägerseite verweist darauf, dass nach der Rechtsprechung des BGH Zahlungsunfähigkeit im Sinne der InsO vorliege, wenn die Schuldnerin nicht in der Lage ist, innerhalb von drei Wochen wenigstens 90 % der fälligen Verbindlichkeiten zu zahlen. Dieser Sachverhalt habe bei der Gemeinschuldnerin am 26.10.2007 vorgelegen.

Im Übrigen lasse auch ein Zahlungsrückstand von drei Monaten bei Arbeitnehmerlöhnen auf die Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin schließen. Da die Löhne in Deutschland in der Regel sehr pünktlich gezahlt würden, lasse ein solcher Lohnrückstand keinen anderen Schluss, als die Zahlungsunfähigkeit zu.

Außerdem habe die Arbeitgeberin dem Beklagten mit dieser Zahlung nur den Juli-Lohn, nicht aber die weiteren Lohnrückstände beglichen.

Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass die Insolvenzanfechtungsansprüche nicht einer tariflichen Ausschlussfrist unterfallen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.383,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunk...

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