Leitsatz (amtlich)

Die Kosten für die Nacherstellung der schuldnerischen Buchhaltung oder der erforderlichen Steuererklärungen sind dem Insolvenzverwalter nach Stundung der Verfahrenskosten nicht aus der Staatskasse zu erstatten.

Ist zur ordnungsgemäßen Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Insolvenzverwalters der Einsatz besonderer Sachkunde erforderlich, so kann die Finanzbehörde ab Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) die Erfüllung der Pflichten durch den Verwalter nicht mehr zwangsweise durchsetzen, wenn die Insolvenzmasse unter Berücksichtigung der Rangordnung des § 209 InsO nicht ausreicht, um den hierfür notwendigen finanziellen Aufwand (§ 4 Abs. 1 Satz 3, § 5 InsVV) zu decken.

Mit der Stundung der Verfahrenskosten (§ 4a InsO) steht zugleich fest, dass Masseunzulänglichkeit vorliegt. Dies kann das Insolvenzgericht bereits im Eröffnungsbeschluß feststellen. Die Feststellung und ihre Veröffentlichung haben die selbe rechtliche Wirkung wie die Anzeige der Masseunzulänglichkeit und deren Veröffentlichung nach § 208 InsO. Eine zusätzliche Anzeige des Verwalters ist nicht erforderlich.

Amtsgericht Duisburg, Beschluss vom 27.04.2003 – 62 IN 241/02

 

Normenkette

InsO §§ 4a, 54, 55 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 2, §§ 155, 208-209; InsW § 4 Abs. 1 S. 3, § 5; AO § 34 Abs. 3

 

Tenor

Die Anträge des Insolvenzverwalters vom 19.03.2003 werden zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I. Am 23.10.2002 stundete das Gericht dem Schuldner, der bis Mai 2002 ein Fachgeschäft für Dekorationsbedarf betrieben hatte, die Verfahrenskosten und eröffnete das Insolvenzverfahren. Der Wert der freien Masse betrug laut Eröffnungsgutachten des späteren Insolvenzverwalters ca. 143,00 EUR und laut Bericht zur ersten Gläubigerversammlung ca. 450,00 EUR. Im Berichts- und Prüfungstermin vom 08.01.2003 wurden Forderungen von ca. 70 Gläubigern geprüft. Darunter befanden sich Forderungen des Finanzamts Mülheim an der Ruhr aus Umsatzsteuerschätzungen für das Jahr 2002 in Höhe von ca. 69.000,00 EUR. Der Insolvenzverwalter, von Beruf Rechtsanwalt und Steuerberater, hält diese Schätzungen für überhöht, kann dies jedoch zur Zeit nicht abschließend beurteilen, weil die Buchhaltung des Schuldners unvollständig ist. Um die entsprechenden Steuererklärungen zu erstellen, müßte der Insolvenzverwalter nach eigenen Angaben fünf Ordner mit Geschäftsvorfällen nachbuchen; hierfür würden bei Beauftragung eines Steuerberaters Kosten in Höhe von schätzungsweise 1.276,00 EUR anfallen.

Mit Schreiben vom 19.03.2003 beantragt der Insolvenzverwalter, ihm zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten einen Kostenvorschuss von 1.276,00 EUR aus der Staatskasse zu bewilligen, hilfsweise: festzustellen, dass zu den gestundeten Verfahrenskosten auch die Kosten für die Nacherstellung der schuldnerischen Buchhaltung für das Jahr 2002 einschließlich der Erstellung der Umsatzsteuererklärung gehören. Er ist der Ansicht, diese Kosten seien als Auslagen des Verwalters anzusehen. Jedenfalls aber müsse seine Vergütung durch Erhöhung des Mindestregelsatzes so angehoben werden, dass neben einer angemessenen Vergütung für seine sonstige Tätigkeit auch die Kosten der nachträglichen Buchführung abgedeckt seien. Auf diese Vergütung könne er von der Staatskasse einen angemessenen Vorschuß verlangen.

Der Richter hat die Entscheidung über die Anträge an sich gezogen (§ 18 Abs. 2 Satz 3 RPflG).

 

Entscheidungsgründe

II. Die Anträge des Insolvenzverwalters sind unbegründet. Sind die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) nach § 4a InsO gestundet, so steht dem Insolvenzverwalter zwar grundsätzlich nach § 63 Abs. 2 InsO für seine Vergütung und seine Auslagen ein Anspruch gegen die Staatskasse zu, soweit die Insolvenzmasse dafür nicht ausreicht. Dabei mag es in besonders gelagerten Fällen auch geboten sein, ihm einen Vorschuss zu zahlen. Im vorliegenden Fall besteht hierzu jedoch kein Anlaß. Der Verwalter kann die Erstattung der Kosten für die Nacherstellung der Buchhaltung weder direkt als Auslagen noch indirekt als rechnerischen Teil seiner Vergütung verlangen; ein entsprechender Vorschuss kommt deshalb nicht in Betracht.

1. Die Kosten für die Nacherstellung der schuldnerischen Buchhaltung sind keine erstattungsfähigen Auslagen des Insolvenzverwalters im Sinne des § 63 InsO.

a) Welche Aufwendungen als Auslagen anzusehen sind, richtet sich nach der allgemeinen Abgrenzung der Vergütung und Auslagen als Kosten des Verfahrens einerseits (§ 54 Nr. 2 InsO) von den sonstigen, durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründeten Masseverbindlichkeiten andererseits (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die Unkosten für die Aufbereitung der schuldnerischen Buchhaltung und für die Erstellung der Umsatzsteuererklärung gehören, wenn sie nicht als gewöhnliche Geschäftskosten schon durch die allgemeine Vergütung des Insolvenzverwalters abgegolten sind (§ 4 Abs. 1 Satz 1 InsVV), zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Es handelt sich dann nämlich entweder um die Vergütung eines Dritten auf Grund eines Dienst- ode...

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