Entscheidungsstichwort (Thema)

Befugnis des Finanzamts zur Schätzung der Einkünfte aus der Vermietung von einzelnen Zimmern eines Einfamilienhauses an Prostituierte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Finanzamt ist zur Schätzung der Einkünfte aus der Vermietung von Zimmern eines Einfamilienhauses an Prostituierte befugt, wenn unter anderem keine schriftlichen Mietverträge geschlossen worden sind, die vorgelegten Quittungen über die bar vereinnahmten Mieten nicht nummeriert sind, auf den vorgelegten Quittungen zwar Namen, jedoch keine Anschriften oder Unterschriften der Mieterinnen zu finden sind, keine Personalien aufgenommen worden sind, die einzelnen Mieterinnen nicht identifiziert werden können und wenn die Mieteinnahmen daher vom Finanzamt nicht auf Vollständigkeit und Richtigkeit geprüft werden können. Eine Schätzung der Mieteinnahmen auf Basis des letzten vor dem streitigen Zeitraum geschlossenen schriftlichen Mietvertrags für das gesamte Haus ist keinesfalls überhöht, wenn kein nachvollziehbarer Grund dafür zu erkennen ist, dass bei der streitigen späteren Vermietung einzelner Räume geringere Entgelte ortsüblich sein sollen.

2. Wird auf einen schriftlichen Mietvertrag und durch Barzahlungsvereinbarung zudem auf durch Kontoauszüge belegbare Mieteinnahmen verzichtet, vermag der Steuerpflichtige nur dann über seine dazu gemachten Angaben ausreichende Aufklärung zu geben, wenn er bei Begründung des Mietverhältnisses die Anschrift des Mieters entsprechend den üblicherweise in Formularmietverträgen abverlangten Angaben anderweitig festhält (z.B. durch die Fertigung einer Kopie des Personalausweises) und die Quittungen über Bareinnahmen fortlaufend nummeriert, um ihre Vollständigkeit zu gewährleisten. Die in der Steuererklärung angegebenen Mieteinnahmen müssen im Zweifel durch ein Auskunftsersuchen gegenüber dem Mieter (§ 93 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3-6 AO) nachprüfbar sein.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AO § 162 Abs. 2 S. 1, § 93 Abs. 1 S. 1, Abs. 3-6

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Einkünfte aus der Vermietung von Zimmern eines Einfamilienhauses an Prostituierte.

Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erklärte neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit solche aus Vermietung und Verpachtung. Die Klägerin erklärte in den Streitjahren keine Einkünfte. Die erklärten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beruhen auf der Vermietung von Zimmern in einem von den Klägern 1995 und 1996 errichteten Einfamilienhaus in der X.-Straße 1 in A.

Dieses Einfamilienhausgrundstück wurde vom Beklagten zunächst dem Betriebsvermögen der Klägerin zugeordnet, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen im Jahr 2001 mit einem Begleitservice Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte. Mit Vertrag vom 09.07.2005 übertrug sie ihren hälftigen Miteigentumsanteil an den Kläger. Nachdem zunächst die Klägerin zwei das Einfamilienhaus betreffende Mietverträge für das Erdgeschoss (laut Mietvertrag drei Zimmer) und das Obergeschoss (laut Mietvertrag ebenfalls drei Zimmer) jeweils mit Mietbeginn am 10.08.1996, einer monatlichen Warmmiete von 2.000 DM und der Zustimmung zur Untervermietung geschlossen hatte, vermietete der Kläger ab dem 01.08.2006 das gesamte möblierte Einfamilienhaus (laut Mietvertrag fünf Zimmer) mit Ausnahme zweier Kellerräume ebenfalls mit Zustimmung zur Untervermietung gegen eine in bar zu entrichtende Warmmiete in Höhe von 1.750 EUR. Nach beidseitiger Kündigung dieses Mietverhältnisses schloss der Kläger ab dem 01.02.2008 einen Mietvertrag mit einer aus sechs Frauen bestehenden Mietergemeinschaft über das möblierte Einfamilienhaus (laut Mietvertrag fünf Zimmer), der eine in bar zu entrichtende monatliche Warmmiete in Höhe von ebenfalls 1.750 EUR und die Zustimmung zur Untervermietung vorsah.

In den Einkommensteuererklärungen 2010 und 2011 erklärte der Kläger Mieteinnahmen in Höhe von 9.800 EUR bzw. 12.000 EUR und jeweils Verluste aus Vermietung und Verpachtung. Diese blieben bei der Veranlagung, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgte, zunächst unberücksichtigt, weil nach Auffassung des Beklagten auf Grund von Prüfungsfeststellungen für vorangegangene Veranlagungszeiträume ein Mietverhältnis mangels tatsächlicher Durchführung nicht anzuerkennen sei. Daraufhin erklärte der Kläger für 2012 und 2013 keine Einnahme aus Vermietung und Verpachtung, wohl aber Schuldzinsen und Absetzungen für Abnutzung für das Einfamilienhaus. Veranlagt wurden zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung jeweils mit Bescheiden vom 11.09.2015 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von -1 EUR. Dagegen legten die Kläger am 23.09.2015 Einsprüche ein und erklärten nebst weiteren Werbungskosten in den Einspruchsverfahren für 2012 Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 12.000 EUR und für 2013 Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 9.400 EUR. Mit geändertem Bescheid...

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