Rz. 154

§ 12 Abs. 3 KStG enthält eine Regelung, falls ein KSt-Subjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG die Geschäftsleitung oder den Sitz ("Sitzverlegung") verlegt und dadurch aus der unbeschränkten Steuerpflicht ausscheidet. Dann besteht die Gefahr, dass das deutsche Besteuerungsrecht für die Wirtschaftsgüter der Körperschaft ausgeschlossen oder beschränkt wird. Um dies zu verhindern, enthält Abs. 3 einen umfassenden Gewinnrealisierungstatbestand. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob die Wirtschaftsgüter infolge der Sitzverlegung der deutschen Besteuerungshoheit tatsächlich entzogen werden oder ob das deutsche Besteuerungsrecht infolge der Sitzverlegung beschränkt wird. Allein die Tatsache der Sitzverlegung mit dem Verlust der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland führt zu einer Liquidationsbesteuerung unter Aufdeckung der stillen Reserven. Für diesen Fall verdrängt Abs. 3 als speziellere Regelung den Abs. 1, der die Besteuerung von dem Ausschluss oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts abhängig macht.[1] Die Regelung gilt jedoch nur, falls der Sitz in einen Staat verlegt wird, der nicht Mitglied der EU bzw. des EWR ist. Verlegt eine Körperschaft ihren Sitz und/oder ihre Geschäftsleitung in einen Mitgliedsstaat der EU oder des EWR, gilt Abs. 1 (Rz. 89ff.).

 

Rz. 155

Regelungsgrund des Abs. 3 ist, dass infolge der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht eine Steuerentstrickung eintreten kann. Stille Reserven in Wirtschaftsgütern, die vor der Sitzverlegung bei Realisierung der deutschen Besteuerung unterlegen hätten, können infolge der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht der deutschen Steuerhoheit entzogen werden. Dabei stellt das Gesetz auf die abstrakte Gefährdung des deutschen Besteuerungsrechts ab, die infolge der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht eintreten kann. Es kommt nicht darauf an, ob das deutsche Besteuerungsrecht im Einzelfall tatsächlich gefährdet ist.

 

Rz. 156

§ 12 Abs. 3 KStG erfasst die Fälle, in denen der Sitz und/oder die Geschäftsleitung eines KSt-Subjekts aus dem Inland ins Ausland verlegt wird. Nachdem in § 4a GmbHG bzw. § 5 AktG das Erfordernis, dass sich die Geschäftsleitung im Staat des statuarischen Sitzes befinden muss, aufgegeben worden ist, sind die Folgen der Verlegung von Sitz und/oder Geschäftsleitung unabhängig von der Anwendung der Gründungstheorie (vertreten im angloamerikanischen Rechtskreis, Spanien, Niederlande, Schweiz und Liechtenstein) oder der Sitztheorie (vertreten in der Bundesrepublik Deutschland und anderen kontinentaleuropäischen Staaten). Die Rechtsfolgen sind jedoch unterschiedlich, je nachdem ob Sitz oder Geschäftsleitung oder beides verlegt werden. Die Verlegung des statuarischen Sitzes ist nach dem Recht der Bundesrepublik nicht möglich. Vielmehr wird in diesem Fall die Körperschaft im Handelsregister gelöscht und verliert damit ihre Rechtsfähigkeit. Als Rechtsfolge besteht sie handelsrechtlich, wenn sie nicht liquidiert wird, als Personengesellschaft weiter. Wenn auf diesen Vorgang nicht ohnehin § 11 KStG anzuwenden ist, weil eine Liquidation erfolgt, endet die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht der Gesellschaft, da sie als Körperschaft nicht mehr besteht und eine Personengesellschaft nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Daher hat ein solcher Vorgang eine Liquidationsbesteuerung in direkter Anwendung des § 11 KStG oder eine Besteuerung aufgrund einer fiktiven Liquidation nach § 12 Abs. 3 KStG zur Folge. M.E. kann nicht argumentiert werden, dass die Gesellschaft nach Löschung im Handelsregister weiterhin eine körperschaftliche Struktur aufweist und daher nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG weiterhin körperschaftsteuerpflichtig ist und Identität mit der vorher bestehenden Körperschaft vorliegt. Abgesehen davon, dass eine solche Konstruktion bei einer Einmanngesellschaft nicht möglich ist, bestimmt sich die rechtliche Existenz der Gesellschaft nach der Eintragung in das deutsche Handelsregister. Endet diese Eintragung, endet die rechtliche Existenz als Körperschaft, was es ausschließt, sie steuerlich weiterhin als Körperschaft anzuerkennen. Die anderslautende Rechtsprechung des BFH zu § 12 KStG a. F.[2] betraf einen Zuzugsfall, bei dem die zuziehende Körperschaft in ein ausländisches Register eingetragen war, ihre Geschäftsleitung aber in Deutschland hatte. Dies ist wegen des Fortbestandes der Eintragung in das ausländische Handelsregister nicht vergleichbar mit einer Löschung im deutschen Handelsregister.

 

Rz. 156a

Wird die Gesellschaft nach der Löschung im deutschen Handelsregister in ein ausländisches Register als Körperschaft eingetragen, ändert dies nichts. Vielmehr handelt es sich um eine Neugründung einer Körperschaft, die unbeschränkt steuerpflichtig ist, wenn sich die Geschäftsleitung im Inland befindet; andernfalls tritt beschränkte Steuerpflicht ein. Die Art der Besteuerung dieser neuen Körperschaft hat keine Auswirkungen auf die Liquidationsbesteuerung der wegziehenden Körperschaft.

 

Rz. 157

Verlegt die Körperschaft...

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