Entscheidungsstichwort (Thema)

Berichtigung der Steuerfestsetzung bei unterlassenem Antrag auf Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages

 

Leitsatz (redaktionell)

1.) Nimmt der Steuerpflichtige auf der "Anlage Kinder" zu dem Punkt "Ausbildungsfreibetrag" keine Eintragung vor und läßt die dort gestellten Fragen unbeantwortet, so scheidet die nachträgliche Berücksichtigung eines Ausbildungsfreibetrages nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen grob fahrlässigen Verhaltens des Steuerpflichtigen aus.

2.) Zusätzlich zu der in dem Unterlassen der Eintragung liegenden Sorgfaltspflichtverletzung liegt ein grobes Verschulden i.S.v. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vor, wenn der Steuerpflichtige die fehlende Berücksichtigung des Ausbildungsfreibetrages nicht im Wege des Einspruchs gegen die Steuerfestsetzung beanstandet.

3.) Begehrt der Steuerpflichtige eine Änderung der Steuerfestsetzung zu seinen Gunsten, kommt dem Umstand, dass der für die Bearbeitung der Steuererklärung zuständige Sachbearbeiter die Frage der Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages trotz dahingehender Hinweise in der Steuererklärung nicht von sich aus aufgreift, keine weitere Bedeutung zu.

4.) Eine Änderung der Steuerfestsetzung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129 AO scheidet bei fehlender Eintragung zu den Ausbildungsfreibeträgen in der Steuererklärung aus.

 

Normenkette

AO 1977 § 173 Abs. 1, 1 Nr. 2; EStG § 33a Abs. 2; AO 1977 § 129

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.10.2003; Aktenzeichen III R 24/02)

 

Tatbestand

Streitig ist die Änderungsmöglichkeit der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 1996 und 1997 zur Berücksichtigung von Ausbildungsfreibeträgen.

Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist von Beruf Diplom-Ingenieur, die Klägerin Krankenschwester. Sie sind Eltern zweier 1976 und 1977 geborener Kinder.

Mit den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1996 und 1997, die sie ohne die Hilfe eines Steuerberaters erstellten, reichten die Kläger jeweils eine „Anlage Kinder” ein, auf der sie Namen, Geburtsdatum, Wohnort der Kinder, erhaltenes Kindergeld und das zu den Kindern bestehende Verwandtschaftsverhältnis angaben. Weiterhin kreuzten sie an, dass sich die Kinder in der Berufsausbildung befanden. Für den Sohn wurde in der dafür vorgesehenen Spalte „Dauer des gesetzlichen Grundwehr- bzw. Zivildienstes” in 1996 der Zeitraum vom 01.11. bis zum 31.12. angegeben und für 1997 die Zeit vom 01.01. bis zum 23.08. Außerdem erklärten die Kläger Einnahmen der Kinder in Höhe eines Bruttoarbeitslohns von 5.090,00 DM und 5.235,05 DM in 1996 und von 2.902,00 DM und 4.485,00 DM in 1997. Die mit der Überschrift „Ausbildungsfreibetrag” versehenen Zeilen, die Fragen zu den Aufwendungen für die Berufsausbildung, zu den auf diesen Zeitraum entfallenden Einnahmen des Kindes sowie zur Unterbringung des Kindes enthielten, füllten die Kläger nicht aus. Der Beklagte setzte daraufhin in den Einkommensteuerbescheiden 1996 vom 27.08.1997 und 1997 vom 08.06.1998 keine Ausbildungsfreibeträge an. Gegen die Einkommensteuerbescheide wurden keine Einsprüche eingelegt.

Am 06.04.1999 beantragten die Kläger die Änderung der Einkommensteuerbescheide der Jahre 1996 und 1997 dahingehend, Ausbildungsfreibeträge für beide Kinder zu gewähren. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 30.04.1999 ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger weiterhin die Änderung der Einkommensteuerbescheide 1996 und 1997 unter Berücksichtigung der Ausbildungsfreibeträge für ihre beiden Kinder. Sie vertreten die Auffassung, die Bescheide seien gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) zu ändern. Dem Beklagten sei erst durch den Änderungsantrag bekannt geworden, dass Ausbildungskosten entstanden seien. Hierbei handele es sich um eine neue Tatsache, an deren erst nachträglichem Bekanntwerden sie, die Kläger, kein grobes Verschulden treffe. Sie seien bei Anfertigung ihrer Einkommensteuererklärungen steuerlich nicht beraten gewesen und davon ausgegangen, dass sie mit ihren Eintragungen auf der „Anlage Kinder” alle erforderlichen Anträge gestellt hätten. Sie seien sich nicht bewusst gewesen, dass sie ihre Angaben in den Zeilen 46 ff. hätten wiederholen müssen, um den Ausbildungsfreibetrag zu erlangen. Ein grobes Verschulden könne hierin nicht gesehen werden. Es handele sich allenfalls um einen auf einer leichten Fahrlässigkeit beruhenden Formularirrtum. Darüber hinaus habe der Beklagte seine Fürsorgepflicht verletzt. Nach den Angaben in der Steuererklärung habe sich die Frage aufdrängen müssen, wieso die Kläger keine Ausbildungsfreibeträge beantragt hätten. Gemäß § 89 AO habe der Beklagte die Pflicht gehabt, die Stellung eines entsprechenden Antrags anzuregen. Hilfsweise machen die Kläger geltend, die Einkommensteuerbescheide seien nach § 129 AO zu ändern.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

  • die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 28.09.1999 aufzuheben und unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 1996 und 1997 nach § 173 Abs. 1 Nr...

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