Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifbegünstigte Betriebsveräußerung eines Maler- und Lackierbetriebs trotz Neuannahme eines Restaurationsauftrags

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Maler- und Lackierbetrieb kann tarifbegünstigt veräußert werden und bleibt es auch, selbst wenn der bisherige Inhaber eine freilegende, archäologische Restauratorentätigkeit neu aufnimmt, bei der einzelne Farbschichten freigelegt und dokumentiert werden. Diese hat gegenüber dem veräußerten Betrieb eine neue Zielrichtung, so dass keine schädliche Betriebsfortführung vorliegt.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 4, §§ 34, 16 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Einkommenssteuerbescheid 2002 aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen geändert werden durfte und ob es sich bei der durchgeführten Betriebsveräußerung um eine steuerlich begünstigte Veräußerung im Sinne des § 16 Abs. 1 und Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) handelt.

Der Kläger betrieb die Firma A. Dabei war er im Wesentlichen als Maler und Lackierer tätig.

Mit Vertrag vom 31.12.2002 verkaufte der am …1945 geborene Kläger die Fa. A (Malerbetrieb) einschließlich sämtlicher Anlagegegenstände sowie des Warenbestands an seinen Sohn A1 für einen Kaufpreis in Höhe von 62.000 EUR, wobei der Veräußerungsgewinn 40.151,63 EUR betrug. Lediglich ein PKW sowie Teile der Büroeinrichtung wurden zurückbehalten.

In den drei Jahren vor der Veräußerung erwirtschaftete der Betrieb einen Umsatz von durchschnittlich 508.729,24 EUR pro Jahr. Im Folgejahr 2003 war der Kläger für den Erwerber des Betriebs im Umfang von 17.100 EUR tätig. „Altkunden” betreute der Kläger auf eigene Rechnung im Umfang von 5.170 EUR. Einnahmen in Höhe von 9.290 EUR wurden als Einnahmen aus Restaurationen bezeichnet. Im Jahr 2004 sind Einnahmen in ähnlicher Höhe verbucht worden. Für das Jahr 2005 akquirierte der Kläger einen Großauftrag des Landschaftsverbands B (LB) über 97.000 EUR. Dabei hatte der Kläger einzelne, über Jahrhunderte aufeinander aufgetragene Schichten von Wandbelägen einzeln freizulegen und diese ausführlich zu dokumentieren.

Am 21.10.2004 beantragte der Kläger die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG für den Zeitraum 2005 – 2007. Daraufhin erteilte die Veranlagungssachbearbeiterin am 26.10.2004 diese Bescheinigung für den Zeitraum 2005 – 2007.

Am 08.08.2005 erfolgte die abschließende Zeichnung der Einkommenssteuerveranlagung 2002. Mit Bescheid vom 16.08.2005 setzte der Beklagte die Einkommenssteuer 2002 fest. Dabei stellte er den Veräußerungsgewinn gem. § 16 Abs. 4 EStG steuerfrei.

Nach Prüfungsanordnung vom 13.09.2007 begann der Beklagte am 22.10.2007 eine Betriebsprüfung für die Jahre 2002 bis 2004. Mit Betriebsprüfungsbericht vom 21.08.2008 führte der Beklagte aus, es handele sich nicht um eine Betriebsveräußerung im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG, da der Betrieb nicht aufgegeben worden sei. Dies zeige sich auch dadurch, dass nach Betriebsveräußerung keine Gewerbeummeldung erfolgte.

Mit Bescheid vom 23.09.2008 änderte der Beklagte den ursprünglichen Einkommenssteuerbescheid 2002 dahingehend, dass der Veräußerungsgewinn zu versteuern sei. Er stütze sich dabei darauf, dass erstmals durch die Betriebsprüfung bekannt geworden sei, dass der Kläger in größerem Umfang seinen Betrieb fortgeführt habe.

Der Kläger legte hiergegen am 10.10.2008 Einspruch ein. Er führte aus, der Umfang der nach Betriebsveräußerung fortgesetzten Tätigkeit sei für die Veranlagungsstelle keine neue Tatsache gewesen. Durch die Umsatzsteuervoranmeldung sei die Tatsache bereits bekannt gewesen. Das Wissen der Umsatzsteuervoranmeldungsstelle sei der Veranlagungsstelle zuzurechnen. Doch auch anderenfalls entspräche es dem Grundsatz von Treu und Glauben, den Beklagten so zu stellen, als habe er die Tatsache gekannt. Denn der Beklagte ist seiner Ermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Gerade unter Berücksichtigung der Betragsgrenzen des § 48 Abs. 2 EStG habe sich bei Durchführung der Veranlagung die Frage aufdrängen müssen, warum eine Freistellungsbescheinigung nach Betriebsübergabe noch benötigt werde. Zudem schade der Umfang der Tätigkeit des Klägers nicht der Annahme einer Betriebsveräußerung. Die Arbeit für den Erwerber des Betriebs sei nicht zu berücksichtigen. Die immer noch betreuten Altkunden machten weit unter 10% des vorherigen Umsatzes aus. Die Arbeit für den LB unterscheide sich wesentlich von der Tätigkeit im vorherigen Betrieb, so dass unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung nicht von wirtschaftlicher Identität mit dem vorherigen Betrieb gesprochen werden könne. Vorher seien Restaurierungen etwa in der Art vorgenommen worden, dass Tapeten in denkmalgeschützten Gebäuden gereinigt und ausgebessert worden seien.

Mit Bescheid vom 29.04.2010 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er führte aus, eine Zurechnung des Wissens der Dienststellen untereinander käme selbst dann nicht in Betracht, wenn die einzelnen Dienststellen verpflichtet seien, zusammenzuarbeiten und Information...

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