Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für ein vor Beginn der Ausbildung erkranktes Kind

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Kind, das ausbildungswillig ist, aber infolge einer Erkrankung daran gehindert ist, sich ernstlich um eine Berufsausbildung zu bemühen, ist ebenso zu behandeln wie ein Kind, das sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, einen solchen aber nicht findet und hat deshalb nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG einen Anspruch auf Kindergeld.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 31.08.2021; Aktenzeichen III R 13/20)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Kindergeldfestsetzung für das Kind A für die Monate September 2017 bis einschließlich Juli 2018 aufgehoben hat.

Die Klägerin ist die Mutter von A (geb. ... 1998). A befand sich vom 1. August 2016 bis 8. Juni 2017 in einer Ausbildung zur B. Sie unterbrach die Ausbildung krankheitsbedingt. Im Zeitraum Juni 2017 bis einschließlich Juli 2018 war sie an ... erkrankt. Ab dem 1. August 2018 absolvierte A für ein Jahr den Bundesfreiwilligendienst beim XX ... (XX).

Mit Bescheid vom 19. September 2016 setzte die Beklagte für A Kindergeld ab November 2016 fest. Mit Antrag vom 6. August 2018 beantragte die Klägerin Kindergeld für A und trug vor, diese wolle ab August 2018 den Bundesfreiwilligendienst ableisten Die Beklagte hob nach vorheriger Anforderung von Nachweisen hinsichtlich des Zeitraums der Erkrankung mit Bescheid vom 11. September 2018 die Festsetzung des Kindergeldes für A für Juli 2017 bis einschließlich Juli 2018 auf und forderte den überzahlten Betrag von 2.510 € zurück. Hiergegen legte die Klägerin am 18. September 2018 Einspruch ein. Sie reichte Unterlagen über die Erkrankung von A von Juni 2017 bis einschließlich Juli 2018 und deren Bemühungen um einen Ausbildungsplatz ein. Zudem legte sie eine von A am 7. Oktober 2018 unterzeichnete Bestätigung vor, wonach diese nach Genesung den Bundesfreiwilligendienst antreten und sich parallel einen Ausbildungsplatz suchen wolle. Hierauf wird Bezug genommen. Mit Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2019 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. A könne nach Abbruch der Ausbildung lediglich als "Kind ohne Ausbildungsplatz" i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 lit. c EStG berücksichtigt werden. Eine Berücksichtigung sei grundsätzlich auch möglich, wenn ein Kind wegen einer Erkrankung gehindert sei, sich um einen Ausbildungsplatz zu bemühen. Dies erfordere aber eine schriftliche Erklärung des Kindes, dass es gewillt sei, sich unmittelbar nach Genesung um eine Ausbildung zu bemühen. Eine solche Erklärung könne aber keine Rückwirkung entfalten, sondern wirke erst ab Eingang bei der Familienkasse.

Hiergegen hat die Klägerin am 5. Februar 2019 Klage erhoben. A habe während der gesamten Dauer ihrer Erkrankung das Ziel behalten, eine neue Ausbildung zu beginnen und sich auch um eine Ausbildung als C ernsthaft bemüht. Sie habe sich im August 2017 bei D und Anfang 2018 beim XX beworben. Auf die vorgelegten Unterlagen wird Bezug genommen. Schließlich habe sie, da ihre Bemühungen keinen Erfolg hatten, eine Stelle im Bundesfreiwilligendienst beim XX angenommen. Dass die Erklärung von A über ihre Ausbildungswilligkeit erst im Nachhinein abgegeben worden sei, sei unschädlich.

Nachdem die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 14. Februar 2019 angesichts des vorgelegten Bewerbungsschreibens Kindergeld für die Monate Juli und August 2017 festgesetzt hatte, haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Für die Monate Juli und August 2017 ist das Verfahren abgetrennt worden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 11. September 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2019, zuletzt geändert durch Teilabhilfebescheid vom 14. Februar 2019, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung fest. Trotz der krankheitsbedingten Unterbrechung der Ausbildung könne für A kein Kindergeld festgesetzt werden. Weder habe sich A von September 2017 bis einschließlich Juli 2018 ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, noch sei nach den Vorgaben der Dienstanweisung A Ausbildungswilligkeit angesichts der verspätet vorgelegten Erklärung anzunehmen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen A, E und F. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 8. Oktober 2019 ist der Rechtsstreit auf die Einzelrichterin übertragen worden.

Dem Gericht hat die Kindergeldakte (eAkte) vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Entscheidung ergeht gem. § 6 Finanzgerichtsordnung - FGO - durch die Einzelrichterin.

II. Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid vom 11. September 2018 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2019, zuletzt geändert durch Teilabhilfebescheid vom 14. Februar 2019, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 1...

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