vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Satzungsregelung zur Selbstlosigkeit: Verbindlichkeit der Vorgaben der Mustersatzung in Anlage 1 zu § 60 AO – Unterscheidung zwischen Selbstlosigkeit und der unmittelbaren Verfolgung gemeinnütziger Zwecke

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Satzungen genügen nur dann den Anforderungen des § 60 Abs. 1 Satz 2 AO für die steuerliche Anerkennung der Gemeinnützigkeit, wenn sie - unabhängig vom Aufbau und vom genauen Wortlaut der Mustersatzung - in Bezug auf das Kriterium der Selbstlosigkeit zumindest die Festlegung enthalten, dass nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt werden.
  2. Dies ergibt sich nicht bereits aus der Satzungsregelung, dass der Verein ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke i. S. des Abschnitts “steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung verfolgt.
 

Normenkette

AO § 55 Abs. 1 S. 1 1. Hs., §§ 56, 60 Abs. 1 S. 2; AO Anlage 1 zu § 60; KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9 S. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte es zu Recht abgelehnt hat, die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) durch die Vereinssatzung des Klägers vom … 2018 gesondert festzustellen, weil die Satzung nicht die Regelung enthält, dass die Körperschaft selbstlos tätig ist und nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt.

Der Kläger ist ein am … 2018 ins Vereinsregister eingetragener Verein.

Aus der Vereinssatzung vom …2018 ergibt sich u. a. Folgendes: …

Wegen der weiteren Einzelheiten der Satzung des Klägers wird auf die Vertragsakte des Beklagten und die Beiakte zur FG-Akte Bezug genommen.

Aufgrund des Antrags des Klägers auf Anerkennung der Gemeinnützigkeit bat der Beklagte den Kläger den § 2 der Mustersatzung in seine Satzung zu übernehmen. Der § 2 der Mustersatzung für Vereine, Stiftungen, Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, geistlichen Genossenschaften und Kapitalgesellschaften (Anlage 1 zu § 60 AO) lautet: Die Körperschaft ist selbstlos tätig; sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Seitens des Klägers wurde daraufhin mitgeteilt, dass, da die Satzung bereits inhaltlich von den Mitgliedern beschlossen, durch den Notar beim Amtsgericht eingereicht worden und die Satzung im Vereinsregister hinterlegt worden sei, es einen unverhältnismäßigen Aufwand und unnötige Kosten verursachen würde, diesen inhaltslosen Satz aufzunehmen.

Mit Bescheid vom 14.08.2018 lehnte der Beklagte den Antrag auf Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO ab. Begründet wurde dies damit, dass die Satzung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 AO sämtliche Bestimmungen der Mustersatzung zu § 60 AO enthalten müsse. Die Satzung vom … 2018 enthalte nicht die Regelung, dass die Körperschaft selbstlos tätig sei und nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke fördere.

Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte der Kläger am 27.08.2018 Einspruch ein, der durch Einspruchsentscheidung vom 06.02.2019 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Zur Begründung seiner Entscheidung berief der Beklagte sich u. a. darauf, dass eine wichtige Voraussetzung für die Anerkennung als gemeinnütziger Verein die in § 55 AO normierte Selbstlosigkeit sei. Nach § 55 Abs. 1 AO erfolge eine Förderung oder Unterstützung selbstlos, wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke – zum Beispiel gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke – verfolgt werden und die weiteren Voraussetzungen der Nrn. 1 bis 5 des § 55 Abs. 1 AO erfüllt seien. Dabei lasse sich die Vorschrift des § 55 AO grob in zwei Bereiche gliedern. Zum einen enthalte § 55 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AO eine allgemeine Umschreibung selbstlosen Handelns, indem auf das Fehlen in erster Linie eigenwirtschaftlicher Zwecke verwiesen werde. § 55 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 1 bis 5 AO sowie die Absätze 2 und 3 enthielten hingegen Vorschriften über die gemeinnützige Mittelverwendung. In der Mustersatzung seien die gesetzlichen Regelungen des § 55 Abs. 1 AO in den §§ 2 bis 5 aufgenommen worden. § 2 der Mustersatzung wiederhole hierbei die Ausführungen in § 55 Abs. 1 Satz 1  1. Halbsatz AO, während die §§ 3 bis 5 der Mustersatzung die gesetzlichen Vorgaben der §§ 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 wiederholten, die kumulativ vorliegen müssten. Daraus ergebe sich, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung der Mustersatzung den § 2 nicht als inhaltslosen Satz erachtet habe, welcher weggelassen werden könne, soweit die weiteren in der Mustersatzung normierten Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit erfüllt bzw. in die Satzung aufgenommen worden seien. Aus der Aufnahme/Erfüllung der weiteren Vorgaben in der Mustersatzung (Zweck, Zweckverfolgung, Mittelverwendung) lasse sich nämlich gerade nicht ableiten, dass damit der Verein zweifelsfrei selbstlos im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AO sei. Der Anwendungserlass AO lasse zwar offen, ob eine wörtliche Übernahme der in Anlage 1 zu § 6...

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