Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts bei negativem verbleibenden Einkommen i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat der Steuerpflichtige neben außerordentlichen Einkünften auch steuerfreie Einnahmen i.S. des § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG bezogen, sind diese in die Berechnung des § 34 Abs. 1 EStG grundsätzlich einzubeziehen. Das gilt auch dann, wenn das verbleibende Einkommen negativ ist (entgegen FG Düsseldorf, Urteil v. 13.5.2002, 1 K 5072/00 E, EFG 2002 S. 1454). Dabei sind die dem Progressionsvorbehalt unterfallenden steuerfreien Einnahmen nur zu einem Fünftel und nicht in voller Höhe dem Fünftel des zu versteuernden Einkommens hinzuzurechnen.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 1 S. 3, § 32b Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 23.10.2007; Aktenzeichen XI R 12/07)

 

Tenor

Die Einkommensteuer 1999 wird unter Änderung des Einkommensteuerbescheides1999 vom 05. September 2000 und Aufhebung der Einspruchsentscheidungvom 03. April 2001 auf EUR 0,– festgesetzt.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Beschluss:

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendigerklärt.

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 1999 zusammen veranlagt wurden. Der Kläger, der Ehemann, erzielte negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von DM ./. 10.781,–. Die Klägerin, die Ehefrau, erhielt laufende Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von DM 3.880,– sowie eine Entschädigung in Höhe von DM 115.000,–, die – wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist – die Voraussetzungen einer nach § 34 EinkommensteuergesetzEStG – ermäßigten Besteuerung erfüllt und für die die Klägerin die ermäßigte Besteuerung beantragte. Darüber hinaus vereinnahmte die Klägerin steuerfreie, dem sog. Progressionsvorbehalt unterliegende Lohnersatzleistungen in Höhe von insgesamt DM 30.238,– (Arbeitslosengeld DM 11.026,95 + Übergangsgeld DM 2.350,73 + Krankengeld DM 16.860,48).

Das zunächst für die Veranlagung der Kläger zuständige Finanzamt R. setzte mit Bescheid vom 05. September 2000 die Einkommensteuer auf DM 12.225,– fest. Hierbei legte das Finanzamt R. Einnahmen der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von DM 118.880,– (DM 3.880,– laufende Einnahmen sowie DM 115.000,– Entschädigung) zu Grunde und gelangte unter Berücksichtigung der negativen Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb sowie der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen zu einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von DM 96.943,–. Die Einkommensteuer errechnete das Finanzamt Reinickendorf in der Weise, dass es einem Fünftel des zu versteuernden Einkommens (DM 96.943,–: 5 = 19.388,–) die steuerfreien Lohnersatzleistungen in vollem Umfang (DM 30.238,–) hinzurechnete (Zwischensumme DM 49.626,–, abgerundet DM 49.572,–) und hierfür eine fiktive Einkommensteuer von DM 6.296,– ermittelte, so dass sich ein Steuersatz von 12,7 % (DM 6.296,–: DM 49.626,–) ergab. Den Steuersatz von 12,7 % wandte das Finanzamt R… auf das Fünftel des zu versteuernden Einkommens (DM 19.388,–) an und ermittelte so eine Einkommensteuer von DM 2.462,–, die es nach § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG verfünffachte (DM 12.311,–, abgerundet DM 12.275,–).

Gegen den Bescheid legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein und führten aus, dass die Einkommensteuer richtigerweise DM 0,– betragen müsse. Bei einem Fünftel des zu versteuernden Einkommens ergebe sich ein Betrag von DM 19.388,–, der zu einer Einkommensteuer von DM 0,– führe, so dass eine Verfünffachung dieses Betrags ebenfalls nur DM 0,– betragen könne.

Mit Einspruchsentscheidung vom 03. April 2001 wies der während des Einspruchsverfahrens zuständig gewordene Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er begründete dies damit, dass sich die Berechnung der Steuer nach § 34 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG bestimme. Dabei seien die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte in vollem Umfang zu berücksichtigen, weil die jeweils zu ermittelnde Einkommensteuer nach den allgemeinen Tarifvorschriften zu berechnen sei, zu denen auch der Progressionsvorbehalt gehöre.

Hiergegen haben die Kläger fristgerecht Klage erhoben. Ergänzend zu ihrer Begründung des Einspruchs führen sie aus, dass die Berechnung des Beklagten Bezieher von steuerfreien, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünften schlechter stelle als Bezieher von steuerpflichtigen Einkünften.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 05. September 2000 und die Einspruchsentscheidung vom 03. April 2001 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf EUR 0,– festgesetzt wird, sowie

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf seine Begründung in der Einspruchsentscheidung.

Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO – verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Der angefochtene Steuerbe...

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