Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ausgaben eines Steuerpflichtigen für die Erstlingsausstattung seines erstgeborenen Kindes sind keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG.

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Bg. hat im Streitjahr 1958 bei der Geburt seines ersten Kindes für Arznei-, Arzt- und Krankenhauskosten 243 DM ausgegeben, ferner für die Erstlingsausstattung 627 DM sowie für ein Umstandskleid usw. 212 DM. Er verlangt für diese Beträge eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG. Das Finanzamt gewährte nur für die 243 DM eine Steuerermäßigung.

Die Berufung hatte insofern Erfolg, als das Finanzgericht auch die Ausgaben für die Erstlingsausstattung von 627 DM zu den außergewöhnlichen Belastungen rechnete. Das Finanzgericht führte in seiner in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1963 S. 411 veröffentlichten Entscheidung aus, ob eine Belastung außergewöhnlich sei, müsse für jeden Veranlagungszeitraum getrennt beurteilt werden. Der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen entstünden aber innerhalb eines Veranlagungszeitraums keine Ausgaben durch die Geburt eines Kindes. Die hier streitigen Aufwendungen würden auch nicht durch den Kinderfreibetrag abgegolten, der sich nur auf den laufenden Unterhalt des Kindes beziehe. Im übrigen würden auch im öffentlichen Beihilferecht derartige Sonderbelastungen berücksichtigt. Die Ablehnung einer Anwendung des § 33 EStG würde hier zwar nicht gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen; die Gewährung der beantragten Steuervergünstigung sei aber auf jeden Fall unter dem Gedanken der Familienförderung wünschenswert. Für die Gewährung der Steuerermäßigung spreche auch, daß Geburtsbeihilfen, die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern geben, nach § 3 Ziff. 15 EStG steuerfrei seien. Eine andere Auslegung würde den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verletzen. Eine Erstlingsausstattung schaffe dem Steuerpflichtigen auch keinen Gegenwert für seine Aufwendungen; denn sie bestehen im wesentlichen aus zum Verbrauch bestimmten Einzelgegenständen, so daß man nicht von einer Vermögensumschichtung sprechen könne. Aber auch wenn ein Kinderwagen und ein Kinderbett zum längeren Gebrauch bestimmt seien, so sei doch weder der Gebrauchswert mit dem Anschaffungswert gleichzusetzen noch entspreche der Wiederveräußerungswert nach beendetem Gebrauch dem Anschaffungswert. Die Ausgaben für das Umstandskleid fielen allerdings nicht aus dem Rahmen der allgemeinen Unterhaltspflicht des Ehemannes. Die Ehefrau schone auch durch ein Umstandskleid ihre sonstige Kleidung. Für die Kosten des Umstandskleids könne daher keine Steuerermäßigung nach § 33 EStG gewährt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts, mit der unrichtige Auslegung des § 33 EStG gerügt wird, ist begründet.

Zu Unrecht betrachtet das Finanzgericht die Ausgaben des Bg. für die Erstlingsausstattung als Einheit und nimmt an, daß der Bg. keinen Gegenwert erhalten habe. Zu der Erstlingsausstattung gehören Anschaffungen für das neugeborene Kind, z. B. Windeln, Jäckchen, Höschen, Milchflaschen, Salben und ähnliches, die zu den laufenden Unterhaltskosten für ein Kind gehören. Alle Aufwendungen für den Unterhalt der Familie, auch die vorerwähnten, gehören aber in den Bereich der privaten Lebensführung. Die Lasten, die Steuerpflichtigen durch die Versorgung von Kindern entstehen, sind nicht gleich, sondern in vieler Hinsicht, vor allem nach dem Alter, verschieden. In § 32 EStG sieht der Gesetzgeber Freibeträge vor, die typisierend einen Ausgleich für die Belastung durch Kinder bieten wollen (vgl. auch Urteil des Senats VI 203/61 U vom 21. Juni 1963, BStBl 1963 III S. 381, Slg. Bd. 77 S. 174). Diese Freibeträge sind Durchschnittsbeträge. Es ist nicht möglich und würde auch nicht in das moderne Vorstellungsbild über das Verhältnis von Staat und Bürger passen, wenn das Finanzamt zur Ermittlung des tatsächlichen Aufwandes des einzelnen Steuerpflichtigen in die familiären Verhältnisse des Steuerpflichtigen eindringen wollte oder müßte. Sämtliche Aufwendungen für den Unterhalt von Kindern müssen deshalb mit den in § 32 EStG gewährten Kinderfreibeträgen als abgegolten gelten, ohne Rücksicht darauf, ob sie in einzelnen Jahren höher als üblich sind.

Zu Unrecht bestreitet das Finanzgericht auch, daß der Bg. für seine Ausgaben einen Gegenwert erhalten hat. Das Kinderbett, der Kinderwagen und das notwendige Bettzeug gehören zum Hausrat. Aufwendungen für die Wohnungseinrichtung (Hausrat) führen aber nicht zu außergewöhnlichen Belastungen im Sinne von § 33 EStG (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 243/52 U vom 5. März 1953, BStBl 1953 III S. 126, Slg. Bd. 57 S. 317; VI 160/59 S vom 20. Mai 1959, BStBl 1960 III S. 309, Slg. Bd. 71 S. 160). Daß der Wiederverkaufswert für angeschafften Hausrat sinkt, beruht auf der Nutzung und Abnutzung im Bereich der Lebensführung.

Die Vorentscheidung war demnach wegen unrichtiger Anwendung von § 33 EStG aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Bg. kann nur, wie das Finanzamt auch anerkannt hat, für die Arzt-, Arznei- und Krankenhauskosten von 243 DM eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG verlangen. Die Kosten der Erstlingsausstattung hat das Finanzgericht zu Unrecht berücksichtigt. Da demnach die Veranlagung des Finanzamts richtig ist, mußte die Sprungberufung des Bg. als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411160

BStBl III 1964, 302

BFHE 1964, 193

BFHE 79, 193

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