Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Umsatzsteuerpflicht von Aufwendungen für Neu- und Ausbauten auf einem gemieteten Grundstück, die vereinbarungsgemäß der Mieter zu tragen hat.

 

Normenkette

UStG § 3 Abs. 1, § 4 Ziff. 10, § 4/12; UStDB § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.), eine OHG, schloß am 1. Mai 1949 einen Vertrag über ein bis auf das Erdgeschoß bombengeschädigtes Grundstück, wonach ihr dieses Grundstück und drei Kellerräume unter dem Gesamtgrundstück zum Teilwiederaufbau eines Ladenlokals mietweise überlassen wird. Der Vertrag bestimmte weiter, daß die Kosten für die zu errichtenden Baulichkeiten die Stpfl. trägt und "in Anbetracht dessen die monatliche Miete mit 300 DM niedrig angesetzt wird". Der Mietvertrag war auf zwei Jahre geschlossen und sollte, falls keine Kündigung erfolgte, jeweils um zwei Jahre weiter gelten. Am 1. September 1953 wurde ein Nachtrag zu diesem Mietvertrag vereinbart, nach dem die Stpfl. berechtigt sein soll, den bisherigen Hofraum hinter dem Ladenlokal provisorisch auf ihre Kosten auszubauen. Der Vermieter erklärte sich dabei einverstanden, von einer Erhöhung der Miete bis zum 1. Juli 1955 Abstand zu nehmen. Nach diesem Zeitpunkt soll sich der Mietsatz nach neuen Vereinbarungen erhöhen. Die von der Pflichtigen aufgewandten Auf- und Umbaukosten betrugen im Jahre 1949 8.842 DM, im Jahre 1953 15.864 DM.

Streitig ist, ob diese Beträge der Umsatzsteuer unterliegen. Das Finanzamt rechnete sie den Umsätzen der Pflichtigen in den genannten Jahren hinzu, weil hinsichtlich der Bauten ein Leistungsaustausch in der Weise vorläge, daß der Mieter die Um- und Aufbauten liefere und der Vermieter sie durch den Verzicht auf eine höhere Miete bezahle. Das Entgelt sei der Unterschiedsbetrag zwischen der an sich zu zahlenden höheren Miete und der tatsächlich bezahlten Miete, der mit der Summe der vom Mieter aktivierten Um- und Aufbaukosten übereinstimme. Die gegen den Bescheid eingelegte Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht stellte die zugesetzten Beträge von der Umsatzsteuer frei. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts. Sie kann keinen Erfolg haben.

 

Entscheidungsgründe

Der Vorinstanz kann zwar darin nicht zugestimmt werden, daß Um- und Ausbauten der vorliegenden Art nicht Leistungen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) darstellen könnten. Denn Leistung im Sinne des UStG kann alles sein, was Gegenstand des Rechtsverkehrs sein kann (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V A 206/33 vom 15. Juni 1934, Reichssteuerblatt 1934 S. 1031). Hierbei kommt es bei der Eigengesetzlichkeit der Umsatzsteuer nicht darauf an, wie auf anderen Rechtsgebieten, z. B. der Einkommensteuer, die Sachlage beurteilt. Dagegen ist der Vorentscheidung darin beizutreten, daß Lieferungen, wie sie das Finanzamt annimmt, in den Jahren, in denen die Um- und Ausbauten durchgeführt wurden, nicht vorliegen. Eine Lieferung setzt nach § 3 Abs. 1 UStG, § 2 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz die Verschaffung der Verfügungsmacht über den Gegenstand an den Abnehmer voraus. Dies ist hinsichtlich der Um- und Ausbauten im Streitfalle in den genannten Jahren nicht erfolgt, weil während der Dauer des Mietvertrages der Mieter die Verfügungsgewalt über sie hatte. Die eingetretene Werterhöhung des Grundstücks kann hieran nichts ändern. Für die Jahre 1949 und 1953, in denen das Mietverhältnis bestand, kann deshalb von einem Leistungsaustausch, wie es das Finanzamt meint, nicht gesprochen werden.

Es handelt sich aber zudem bei dem vom Finanzamt angenommenen "Verzicht" um einen Mietpreisnachlaß, der im Hinblick auf die von der Mieterin zu tragenden Kosten der Um- und Ausbauten gewährt worden ist. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des Mietvertrages. Deshalb kann die Frage eines dadurch etwa begründeten Leistungsaustausches nur im Rahmen des Mietverhältnisses und nicht losgelöst von diesem beurteilt werden. Gehen deshalb die Um- und Ausbauten nach Beendigung des Mietverhältnisses, also nach dem Vertrag frühestens am 1. Juli 1955 entschädigungslos auf den Vermieter über, so kann dieser übergang umsatzsteuerrechtlich nicht anders als dahin beurteilt werden, daß der Mieter damit eine zusätzliche Mietzinsleistung an den Vermieter entrichtet hat und zwar in Sachwerten und nachträglich in einem Betrage. Es handelt sich also um ein weiteres Entgelt des Mieters neben der Barmiete an den Vermieter für die von ihm gewährte überlassung des Grundstücks zum Gebrauch. Ein solcher Leistungsaustausch ist aber nach § 4 Ziff. 10 UStG bei dem Vermieter von der Umsatzsteuer befreit.

Der Vorinstanz war nach alledem im Ergebnis beizutreten und die Rb. als unbegründet mit der Kostenfolge aus § 309 der Reichsabgabenordnung zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1957, 43

BFHE 1957, 114

BFHE 64, 114

StRK, UStG:3/1 R 19

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