Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Gehört zu einem Nachlaß, für den ein Testamentsvollstrecker bestellt worden ist, ein Geschäftsanteil an einer GmbH, so gilt der Testamtensvollstrecker gesellschaftsteuerlich nicht als Gesellschafter i. S. von § 6 Abs. 2 KVStG.

 

Normenkette

KVStG §§ 3, 6 Abs. 2; KVStDV 6/2; AO § 212; StAnpG § 11 Ziff. 2, § 11/3

 

Tatbestand

Gegenstand des Unternehmens der Bgin., einer GmbH, ist die Verwaltung des eigenen Grundbesitzes. Ihr Stammkapital beträgt 150.000 DM. Der Verkehrswert der Grundstücke, die an der Hauptgeschäftsstraße einer deutschen Großstadt besonders günstig gelegen sind, betrug als solcher mindestens 1.456.203 DM. Die Schulden der Bgin. beliefen sich zum 1. Januar 1950 auf 477.565 DM, so daß sich ein Reinvermögen von 978.638 DM ergab. In den Jahren 1950 bis 1953 hat die Bgin. ihren kriegszerstörten Gebäudebestand im Keller und Erdgeschoß wieder aufgebaut und zur gewerblichen Nutzung vermietet. Der Wiederaufbau, der in den Jahren 1950 bis 1952 Kosten von insgesamt 1.436.766 DM verursacht hat, ist ausschließlich mit Fremdmitteln, unter anderem mit Mieterdarlehen von 1.029.300 DM, finanziert worden. Dem Vermögen der Bgin. einschließlich der Investitionen bis zum 31. Dezember 1952 von 2.892.766 DM (1.456.000 DM und 1.436.766 DM) stand somit ein Eigenkapital von nur 978.638 DM (= 33,8 v. H.) gegenüber. Im Oktober 1951 schloß die Bgin. mit einer Hypothekenbank einen Darlehnsvertrag über 600.000 DM. Zur Sicherung der Bank bestellte die Bgin. eine Hypothek in dieser Höhe; außerdem übernahm der Testamentsvollstrecker eines verstorbenen Gesellschafters die gesamtschuldnerische Haftung. Das Darlehen war zunächst allerdings nur in Höhe von 100.000 DM valutiert worden. Das Finanzamt zog die Bgin. wegen dieses Darlehens gemäß § 3 Abs. 1 und 2 KVStG 1934 und wegen der unentgeltlich geleisteten Dienste des Geschäftsführers, die es mit 4.500 DM bewertete, gemäß § 2 Ziff. 3 b KVStG 1934 durch Verfügung vom 9. September 1954 zu einer Gesellschaftsteuer von 18.135 DM heran. Auf den Einspruch der Bgin. ermäßigte das Finanzamt die Steuer entsprechend einem Steuermaßstab von 104.500 DM auf 3.135 DM.

Die Berufung der Bgin., die sich auf die Besteuerung wegen der Darlehnsgewährung beschränkte, war von Erfolg. Das Finanzgericht hielt in übereinstimmung mit dem Gutachten der zuständigen Industrie- und Handelskammer unter den besonders günstigen Umständen des Streitfalles eine Finanzierung des Aufbaues des Geschäftsgebäudes mit größeren Eigenmitteln als 33,8 v. H. nicht für geboten. Hiergegen wendet sich der Vorsteher des Finanzamts mit dem Begehren, die Einspruchsentscheidung wiederherzustellen.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Durch Verfügung vom 9. September 1954 hat das Finanzamt Gesellschaftsteuer für zwei verschiedene Steuerfälle, nämlich für die Gewährung eines gesellschafterverbürgten Darlehens und für die unentgeltlichen Dienstleistungen eines Gesellschafters, angefordert. Es entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats, daß Gesellschaftsteuerbescheide mit Rücksicht auf die ausdrückliche Vorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 1 der Durchführungsbestimmungen zum Kapitalverkehrsteuergesetz (KVStDB) 1934 unbeschadet ihrer schriftlichen Erteilung (Satz 2 a. a. O.) als formlose Steuerbescheide im Sinne des § 212 AO gelten (vgl. unter anderem Urteil des Bundesfinanzhofs II 260/58 U vom 19. Juli 1961, BStBl 1961 III S. 438, Slg. Bd. 73 S. 471). Es ist daher unbedenklich, in dem Gesellschaftsteuerbescheid vom 9. September 1954 die formlose Steueranforderung auf Grund der Erfüllung von zwei Steuertatbeständen zu erblicken, da die beiden Sachverhalte in dem Bescheid einzeln aufgeführt worden sind und der Steuersatz der gleiche ist. Allerdings wäre, wie der Streitfall zeigt, zur Vermeidung von Mißverständnissen die Erteilung eines gesonderten Steuerbescheides für jeden einzelnen Steuerfall sachgerechter gewesen. Dem Einspruchsschreiben der Bgin. vom 30. September 1954 in Verbindung mit der Einspruchsbegründung vom 8. Oktober 1954 war zu entnehmen, daß die Bgin. sich gegen beide Steuerfestsetzungen wenden wollte. Das Finanzamt hat daher, wenn auch äußerlich nicht erkennbar, zu Recht über zwei Einsprüche der Bgin. entschieden. Mit der Berufung hat sich die Bgin., wie die Berufungsbegründung ergibt, ausschließlich gegen die Heranziehung der Darlehnsgewährung zur Kapitalverkehrsteuer gewandt. Dagegen spricht auch nicht der auf Veranlassung des Finanzgerichts ausgesprochene Verzicht auf Einlegung der Berufung wegen der unentgeltlichen Dienstleistungen eines Gesellschafters. Das Berufungsverfahren wegen der Steueranforderung von 135 DM hat daher mit der Einspruchsentscheidung des Finanzamts seinen Abschluß gefunden. In dem Berufungsverfahren wegen der steuerlichen Erfassung der Darlehnsgewährung war somit kein Raum, und sei es auch nur im Urteilstenor und in der Kostenentscheidung, über diesen rechtskräftig abgeschlossenen Steuerfall nochmals zu entscheiden. Dagegen ist dem Urteil des Finanzgerichts, soweit in ihm über die Steuerpflicht der Darlehnsgewährung entschieden worden ist, im Ergebnis zuzustimmen.

Nach § 3 Abs. 1 KVStG 1934 unterliegt der Gesellschaftsteuer (auch) die Gewährung von Darlehen an eine inländische Kapitalgesellschaft durch einen Gesellschafter, wenn die Darlehnsgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzufuhr ersetzt. Leistet ein Gesellschafter für das Darlehen eines Dritten Sicherheit, so gilt gemäß § 3 Abs. 2 KVStG 1934 auch dessen Darlehen als Darlehen eines Gesellschafters. Im Streitfall hat kein Gesellschafter, sondern der Testamentsvollstrecker eines verstorbenen Gesellschafters Sicherheit geleistet. Wie der Reichsfinanzhof schon im Urteil II A 577/31 vom 26. Juli 1932 (RStBl 1932 S. 837, Slg. Bd. 31 S. 261) entschieden hat, ist Gesellschafter im Sinne des Gesellschaftsteuerrechts derjenige, auf den die rechtlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 KVStG alter Fassung, jetzt § 6 Abs. 2 KVStG zutreffen.

Nach bürgerlichem Recht hat der Testamentsvollstrecker die Stellung eines Treuhänders, und zwar auf Grund eines privaten Amtes, zu dem er allein durch den Willen des Erblassers berufen ist, auch wenn er von anderer Seite zum Testamentsvollstrecker ernannt worden sein sollte (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs IV ZR 217/57 vom 2. Oktober 1957, Abschn. I Nr. 2 a Abs. 2 der Gründe, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen - BGHZ - Bd. 25 S. 275, 279). Ihm steht aber, im Gegensatz zum Treuhänder eines lebenden Gesellschafters, der ein, wenn auch im Innenverhältnis an Weisungen gebundener, so doch echter Gesellschafter ist, nur das Recht der Verwaltung über den zum Nachlaß gehörenden Geschäftsanteil an einer GmbH unter Ausschaltung des Erben zu (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs V ZR 25/58 vom 10. Juni 1959, Abschn. 1 der Gründe, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1959 S. 1820, und das in dieser Entscheidung zitierte Schrifttum). Der Testamentsvollstrecker ist somit bürgerlich-rechtlich durch die Berufung zu seinem Amt nicht Gesellschafter der GmbH geworden. Das ist vielmehr der Erbe.

Auch steuerrechtliche Vorschriften, insbesondere § 11 Ziff. 2 oder 3 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG), bieten keine Handhabe, den Testamentsvollstrecker, abweichend von der Zivilrechtslage, als Gesellschafter gelten zu lassen. Der Bundesfinanzhof hat in der Entscheidung III 84/54 U vom 9. Juli 1954 (BStBl 1954 III S. 250, Slg. Bd. 59 S. 107), auf die Bezug genommen wird, dargelegt, daß der Testamentsvollstrecker auf Grund seines Amtes auch dann keinen Eigenbesitz an den zum Nachlaß gehörenden Gegenständen erwirbt, wenn er mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet ist. Die gleichen Gründe müssen dazu führen, auch die Gesellschaftereigenschaft des Testamentsvollstreckers zu verneinen. Darüber hinaus hat der erkennende Senat in dem Urteil II 68/59 U vom 26. Oktober 1962 (BStBl 1963 III S. 22) für den Fall des Treuhandverhältnisses auf Grund der besonderen gesetzlichen Regelung im § 11 Ziff. 2 und 3 StAnpG ausgesprochen, daß der Treugeber als Gesellschafter zu gelten hat. Als solcher kann der Testamentsvollstrecker aber auf keinen Fall angesehen werden.

Hat hiernach kein Gesellschafter für das Darlehen Sicherheit geleistet, ist für eine Steuerforderung kein Raum.

Nach alledem war auf die Rb. des Vorstehers des Finanzamts die Vorentscheidung zugunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben, soweit das Finanzgericht im Urteilstenor und in der Kostenentscheidung über die Steuerforderung von 135 DM wegen unentgeltlich geleisteter Dienste des Geschäftsführers entschieden hat; im übrigen war sie als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410651

BStBl III 1963, 62

BFHE 1963, 172

BFHE 76, 172

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