Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige Beiladung

 

Leitsatz (NV)

1. Erhebt eine GmbH Klage gegen die gesonderte Feststellung des gemeinen Werts ihrer Anteile, so ist jedenfalls jeder Gesellschafter notwendig zu dem Verfahren beizuladen, der am Stichtag zu mehr als 5 v. H. am Stammkapital beteiligt war.

2. Ist eine notwendige Beiladung im FG- Verfahren unterblieben, muß die Entscheidung des FG im Revisionsverfahren aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden.

 

Normenkette

FGO §§ 48, 60 Abs. 3, § 119 Abs. 3; AntBwVO

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der gemeine Wert der Anteile an der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) aus Verkäufen abzuleiten oder nach dem sog. Stuttgarter Verfahren zu schätzen ist.

Das Stammkapital der Klägerin beträgt 250 000 DM.

In ihren Erklärungen zur Feststellung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften auf den 31. Dezember 1982 und auf den 31. Dezember 1985 gab die Klägerin jeweils als gemeinen Wert den Nennwert der Anteile an. In beiden Erklärungen beantwortete sie die Frage nach Gesellschaftern, die an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 5 v. H. beteiligt sind, mit dem Hinweis "siehe Bilanzbericht". Aus den Bilanzberichten ergab sich, daß an dem Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von 250 000 DM jeweils ein Gesellschafter mit Anteilen in Höhe von nominal 13 000 DM beteiligt war.

Durch Bescheid vom 16. Dezember 1983 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin auf den 31. Dezember 1982 entsprechend dem Nominalwert mit 100 DM je Anteil fest. Durch Bescheid vom 26. Januar 1987 stellte es den gemeinen Wert der Anteile auf den 31. Dezember 1985 ebenfalls auf 100 DM je Anteil fest. Beide Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Im Anschluß an eine Außenprüfung vertrat das FA nunmehr die Auffassung, daß der gemeine Wert der Anteile an der Klä gerin zu beiden Stichtagen nach dem Stuttgarter Verfahren zu schätzen sei. Durch Feststellungsbescheide vom 8. Dezember 1987 stellte es nunmehr den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin auf den 31. Dezember 1982 auf ... DM und auf den 31. Dezember 1985 auf ... DM fest. Diese Bescheide änderten jeweils die vorangegangenen Bescheide auf denselben Stichtag. Die Änderung wurde auf § 164 Abs. 2 AO 1977 gestützt. Beide Bescheide ergingen gegenüber der Klägerin. Sie enthielten jedoch jeweils den Hinweis: "Dieser Bescheid ergeht mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten (§ 5 Abs. 1 und 3 Anteilsbewertungsverordnung)".

Gegen diese Bescheide vom 8. Dezember 1987 erhob die Klägerin Sprungklage. Zu deren Begründung führte sie im wesentlichen an: Das Stuttgarter Verfahren sei nur nachrangig anzuwenden. Darauf könne nur dann zurückgegriffen werden, wenn sich der gemeine Wert nichtnotierter Anteile nicht aus Verkäufen ableiten lasse. Im Streitfall lägen jedoch genügend Verkäufe vor, die den Wert der Anteile deutlich machten. Da alle Verkäufe zum Nennwert abgewickelt worden seien, müsse die Bewertung auch zum Nennwert erfolgen.

Das FA stimmte der Sprungklage zu. Es war der Auffassung, daß sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen ableiten lasse.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Im Streitfall sei es nicht möglich, den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin aus den jährlichen Verkäufen abzuleiten. Diese Verkäufe hätten nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr stattgefunden.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Diese macht Verletzung materiellen Rechts geltend. Sie beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Änderungsbescheide über die Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der Klägerin auf den 31. Dezember 1982 und den 31. Dezember 1985 aufzuheben und den Wert der Anteile zu diesen Stichtagen auf den Nominalwert festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hätte den Gesellschafter, der zu beiden streitigen Stichtagen zu mehr als 5 v. H. an der Klägerin beteiligt war, notwendig zu dem Verfahren beiladen müssen.

1. Erhebt eine GmbH -- wie im Streitfall -- wegen der gesonderten Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an ihr Klage, so sind alle i. S. von § 7 Nr. 1 der Verordnung zur gesonderten Feststellung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften (AntBwVO) vom 19. Januar 1977 (BGBl I 1977, 171, BStBl I 1977, 37) klagebefugten Gesellschafter der GmbH nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 16. April 1984 III R 96/82, BFHE 141, 209, BStBl II 1984, 670). Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Klagebegehren den Wert der Gesellschaftsanteile in gleicher Weise berührt.

Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 48 FGO müssen Dritte notwendig zum Verfahren beigeladen werden, wenn sie an einem Rechtsstreit derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Davon ist grundsätzlich auszugehen, wenn der Dritte klagebefugt ist (vgl. BFH-Urteil vom 9. April 1991 IX R 78/88, BFHE 163, 517, BStBl II 1991, 809).

Diese Voraussetzung ist im Streitfall jedenfalls bezüglich des Gesellschafters der Klägerin erfüllt, der an beiden Stichtagen zu mehr als 5 v. H. am Stammkapital der Klägerin beteiligt war.

Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AntBwVO hat die Kapitalgesellschaft Namen und Anschriften der Personen anzugeben, denen Rechte an mindestens 5 v. H. des Nennkapitals zustehen. In ihren Erklärungen zu den streitigen Stichtagen hat die Klägerin insoweit jeweils auf die Gesellschafteraufstellung im Bilanzbericht hingewiesen. Dieser ist zu entnehmen, daß zu beiden Stichtagen jeweils ein Gesellschafter mit Anteilen im Nennwert von 13 000 DM -- mithin zu mehr als 5 v. H. von 250 000 DM Stammkapital der Klägerin -- beteiligt war. Dieser Gesellschafter war damit nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 notwendig Beteiligter am (Verwaltungs-) Feststellungsverfahren. Der Feststellungsbescheid wurde ihm auch nach § 5 Abs. 3 AntBwVO durch Bekanntgabe an die Klägerin als Empfangsbevollmächtigte bekanntgegeben. Dieser Gesellschafter ist nach § 7 Nr. 1 AntBwVO gegen die Feststellung des gemeinen Werts der Anteile zu den streitigen Stichtagen klagebefugt. Da das Klagebegehren der Klägerin den Wert seines Gesellschaftsanteils wegen gleicher Ausstattung in gleicher Weise berührt, ist er zu diesem Klageverfahren notwendig beizuladen (vgl. auch Senatsentscheidung vom 1. Juni 1994 II R 66/91, BFH/NV 1995, 54).

2. Die notwendige Beiladung kann ausnahmsweise dann unterbleiben, wenn die klagebefugte Person vom Ausgang des Rechtsstreits unter keinen denkbaren Gesichtspunkten betroffen sein kann. Diese Voraussetzung liegt im Streitfall jedoch nicht vor.

3. Die Unterlassung einer notwendigen Beiladung ist absoluter Revisionsgrund (§ 119 Nr. 3 FGO) und stellt einen von Amts wegen zu beachtenden Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 28. Januar 1966 III 96/62, BFHE 85, 327, BStBl III 1966, 327). Auf die notwendige Beiladung kann weder verzichtet, noch kann sie in der Revisionsinstanz nachgeholt werden (§ 123 FGO; BFH-Urteil vom 28. November 1974 I R 62/74, BFHE 114, 167, BStBl II 1975, 209). Ist eine notwendige Beiladung unterblieben, muß die Entscheidung des FG auf gehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden, damit die Beiladung nachgeholt werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421717

BFH/NV 1997, 187

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