Leitsatz (amtlich)

1. Wird in einem einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren darum gestritten, welche Personen als Mitunternehmer einer OHG anzusehen sind, so sind die Gesellschafter jedenfalls dann von der Rechtsfrage betroffen und nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugt, wenn ihre Beteiligung durch die Entscheidung berührt werden kann. Bei Klageführung durch die Gesellschaft sind sie nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig zum Verfahren beizuladen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672).

2. Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, daß der zur Geschäftsführung berufene und als Vertreter der klagenden OHG auftretende Gesellschafter die Klage gleichzeitig im eigenen Namen erheben will.

2. Die Vorschrift des § 127 FGO ist auch in den Fällen anwendbar, in denen die Änderung eines Steuerbescheides oder Gewinnfeststellungsbescheides vor Einlegung der Revision erfolgt ist, sofern nur der Antrag nach § 68 FGO nach Rechtshängigkeit beim Revisionsgericht gestellt wird.

 

Normenkette

FGO § 48 Abs. 1 Nr. 1, § 60 Abs. 3, §§ 68, 127

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit geht in sachlicher Hinsicht um die Feststellung, ob die Beigeladene im Streitjahr 1962 als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Vaters Mitunternehmerin der Firma U-OHG gewesen und ob ihr Ausscheiden zum 17. Dezember 1962 als betrieblicher Vorgang zu werten ist oder nicht. Als Klägerin und Revisionsklägerin ist die OHG, vertreten durch die geschäftsführende Gesellschafterin X aufgetreten; Mitgesellschafter ist deren Ehemann Y, der Bruder der Beigeladenen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) vertrat in Übereinstimmung mit der Beigeladenen die Auffassung, daß diese nach dem Tod des Vaters der Beigeladenen zwar Gesellschafterin, nicht jedoch Mitunternehmerin im steuerlichen Sinne geworden sei und daß ihr Ausscheiden gegen Zahlung einer Abfindung einen Vorgang der erbrechtlichen Auseinandersetzung darstelle, dem keine Gewinnauswirkung zukomme. Die gegen die Steuerbescheide eingereichte Klage hatte in diesem Punkt keinen Erfolg; das Gericht stellte in seiner Entscheidung den Gewinn der OHG auf 331 667 DM fest und verteilte ihn wie folgt:

a) Y 118 375 DM

b) X 213 292 DM

c) Beigeladene 0 DM

Hiergegen richtet sich die Revision, mit der beantragt wird, den nach Zustellung des Urteils des FG und vor Einlegung der Revision geänderten Bescheid vom 15. Februar 1974 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, das Urteil aufzuheben und den Gewinnfeststellungsbescheid dahin gehend zu ändern, daß der einheitliche Gewinn 1962 auf 459 623 DM festgesetzt und mit 195 420 DM den Eheleuten X und Y, mit 264 203 DM der Beigeladenen zugeordnet werde.

Das FA beantragt ebenso wie die Beigeladene, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen führen aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG.

1. Wird in einem einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren darum gestritten, welche Personen als Mitunternehmer einer OHG anzusehen sind, so sind die Gesellschafter jedenfalls dann von der Rechtsfrage betroffen und nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugt, wenn ihre Beteiligung durch die Entscheidung berührt werden kann. Bei Klageführung durch die Gesellschaft sind sie nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig zum Verfahren beizuladen (vgl. Urteil des BFH vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672). Die Notwendigkeit der Beiladung entfällt weder dadurch, daß es sich bei den Gesellschaftern um Ehegatten handelt, noch dadurch, daß die Gesellschafterin, deren Mitunternehmerschaft streitig ist, nicht unmittelbar am laufenden Gewinn beteiligt war.

a) Die Vorinstanz hat den Gesellschafter Y nicht beigeladen. Die Geschäftsführerin der OHG hat diesen Mangel zwar nicht gerügt. Die Unterlassung einer notwendigen Beiladung durch das FG ist jedoch ein im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtender Verfahrensmangel; ein Verzicht auf die notwendige Beiladung ist ebensowenig möglich wie eine Nachholung in der Revisionsinstanz (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 1971 IV R 219/68, BFHE 102, 460, BStBl II 1971, 714).

b) Das FG hat nicht geprüft, ob die Gesellschafter-Geschäftsführerin X die Klage nur als Vertreterin der OHG oder zugleich im eigenen Namen erheben wollte. Da die Gesellschafterin auch nicht beigeladen war, ist nicht gewährleistet, daß das Urteil ihr gegenüber wirkt (§ 110 Abs. 1 Satz 1 FGO). In Fällen dieser Art kann in der Regel davon ausgegangen werden, daß der Geschäftsführer einer OHG nicht nur die Interessen der Gesellschaft, sondern gleichzeitig seine betroffenen Eigeninteressen wahrnehmen will. Aus diesem Grunde tritt die Gesellschafterin X im Streitfall neben der OHG als Klägerin und Revisionsklägerin auf.

2. Der Senat sieht sich auch deshalb am Erlaß einer sachlichen Entscheidung gehindert, weil in bezug auf den neuen Verfahrensgegenstand die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht vorliegen (vgl. Urteil vom 30. Januar 1968 II 113/65, BFHE 91, 27, BStBl II 1968, 210). § 127 FGO ist auch in den Fällen anwendbar, in denen die Änderung eines Steuerbescheides oder Gewinnfeststellungsbescheides vor Einleitung des Revisionsverfahrens erfolgt ist. Nach dem Wortlaut der Vorschriften der §§ 127 und 68 FGO ist lediglich Voraussetzung, daß der - nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 9/70 (BFHE 103, 549, BStBl II 1972, 219) unbefristete - Antrag nach Revisionseinlegung gestellt worden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71230

BStBl II 1975, 209

BFHE 1975, 167

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