Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Abgrenzung der Neubauten i. S. des § 7 c EStG von Generalreparaturen bei Erneuerungsarbeiten an alten Häusern.

Die Bedeutung gutachtlicher äußerungen von Behörden für das Besteuerungsverfahren.

 

Normenkette

EStG § 7c

 

Tatbestand

Der Gesellschafter und Geschäftsführer H. der beschwerdeführenden GmbH ist Eigentümer eines mehrere Jahrhunderte alten Wohnhauses. In dem Hause befinden sich vier Wohnungen. H. beauftragte anfangs Januar 1949 einen Bauunternehmer, das Haus auf Baufälligkeit zu untersuchen, und erhielt folgendes Gutachten vom 26. Januar 1949:

"Feststellungen bei der ersten äußeren Untersuchung.

Der Westgiebel ist vollkommen baufällig, es besteht Einsturzgefahr, sofortige Abstützung notwendig.

Anzeichen dafür waren verfaulte und abgebrochene Pfetten und Pfosten, die bereits bis zu 45 cm aus dem Wandverband herausragten.

Die Decke in der Waschküche im westlichen Teil des Hauses ist durchgebrochen, Balkenstümmel, belastet durch den Giebel, drückten nach oben durch.

Die Nordwestecke der Außenwand ist baufällig. Pfetten und Balkenköpfe sind abgefault, dadurch sichtbare Setzungen bis zu 25 cm.

Die Außenwand gegen Norden, entlang den Küchen - Wohnung H. und Wohnung G. - zeigten erhebliche Risse, nach Entfernung des Putzes war ersichtlich, daß Pfosten, Pfetten und Riegel zum Teil abgefault sind und erneuert werden müssen. Dasselbe gilt für die Fensterbänke, Futter und Bekleidung.

Im Keller muß schon vor längerer Zeit ein Balken gebrochen sein, da dieser abgesteift war. Eine nähere Untersuchung ergab, das auch die danebenliegenden Balken durchgefault sind und erneuert werden müssen.

Dachkonstruktion. Das Dach ist an unzähligen Stellen undicht, Dachlatten, Sparren und Pfetten abgefault. Die gesamte Dachkonstruktion muß erneuert werden, einschließlich neuer Deckung.

Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse. Die Baufälligkeit des Hauses ist an verschiedenen Stellen so weit fortgeschritten, daß sofort eine Abstützung des Westgiebels, der Waschküchendecke und der Kellerdecken vorgenommen werden muß. Ein Teil der unteren Wohnung muß geräumt werden. Die notwendigen Erneuerungsarbeiten sind zur Vermeidung weiterer Schäden sofort in die Wege zu leiten".

Auf dieses Gutachten hin wurden im Jahre 1949 Bauarbeiten mit einem Aufwand von 48.715,56 DM durchgeführt. Bei Beginn der Bauarbeiten wurde die Baupolizei von den baulichen Schäden in Kenntnis gesetzt. Das Gebäude wurde besichtigt, eine Räumung jedoch nicht angeordnet. Zur Bezahlung der Rechnung erhielt H. von der Beschwerdeführerin (Bfin.) im Laufe des Jahres 1949 Darlehensbeträge im Gesamtbetrag von 45.000 DM; der förmliche Darlehensvertrag stammt vom 30. Dezember 1949.

Die Stadtverwaltung erteilte folgende Bestätigung vom 17. Februar 1950:

"Es wird hiermit bestätigt, daß das Gebäude baufällig war und in wesentlichen Teilen vollständig erneuert werden mußte. Die darin befindlichen vier Wohnungen entsprechen hinsichtlich der Größe, der Ausstattung und des Mietwerts der Wohnungen den für Wohnungsbaugenossenschaften geltenden Bestimmungen; somit sind die Voraussetzungen gemäß § 7 c EStG zur Hingabe eines zinslosen Baudarlehen erfüllt".

In der Schlußbilanz 1949 bildete die Bfin. für das Darlehen eine Wertberichtigung in Höhe von 45.000 DM gemäß § 7 c des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Einspruchsverfahren wurde eine Bescheinigung der Stadtgemeinde vorgelegt, die u. a. folgende Ausführungen enthält:

"Ein weiteres Bewohnen des Gebäudes, ohne Vornahme dieser Bauarbeiten, wäre nicht mehr möglich gewesen. Wenn das Gebäude auch nicht ganz abgebrochen werden mußte, so kommt die durchgreifende Erneuerung doch einem Neubau annähernd gleich, da die Abbruch- und Wiederaufbauarbeiten ziemlich erschwert waren und hohe Baukosten verursachten. Hätte Herr H. die oben geschilderten Bauarbeiten nicht durchgeführt, dann wäre dem Wohnungsmarkt ein Haus mit vier Wohnungen verloren gegangen, was durch den Wiederaufbau im Jahre 1949 vermieden werden konnte."

Das um Stellungnahme gebetene Innenministerium führte aus: "Nach § 7 c EStG können Zuschüsse oder unverzinsliche Darlehen nur zur Förderung des Wohnungsbaus, also des Wohnungsneubaus, eingesetzt werden. Dies ergibt sich insbesondere auch aus dem Runderlaß vom 6. Februar 1950 - Nr. VIII 7524 - 82 -, der die Zuständigkeit über die Ausstellung der Bescheinigungen nach § 7 c EStG regelt, sowie aus dem diesem Runderlaß angeschlossenen Bescheinigungsmuster. Die vom Bürgermeisteramt ausgestellte Bescheinigung widerspricht demnach offensichtlich diesen Bestimmungen."

das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Im Berufungsverfahren hat sich die Stadtverwaltung wie folgt geäussert:

"Um das Gebäude vor dem Verfall zu schützen, mußte ein Teil des Gebäudes abgebrochen und neu erstellt werden. Diese Bauarbeiten können nicht mehr als Reparatur bezeichnet werden. Eine Erhaltung der Wohnungen nur durch Ausbesserungen, war im vorliegenden Fall nicht mehr möglich.

Bei normalen Zeitverhältnissen hätte das Gebäude geräumt werden müssen, um die Bauarbeiten ordnungsmäßig durchführen zu können. Nur in Anbetracht der großen Wohnungsnot sind die Wohnungen nicht geräumt worden.

Die Bewohner haben sich während der Bauzeit sehr eingeschränkt. Mit dem Verlust der Wohnungen wäre ca. 3 bis 4 Monate zu rechnen gewesen."

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück, und führte hierzu im wesentlichen folgendes aus: Nach dem Sprachgebrauch unterscheide man zwischen Neubau (Aufbau, Ausbau usw.) und Reparaturen (Teilreparaturen, durchgreifende Reparaturen, Generalreparaturen). Wenn eine Reparatur besonders teuer komme, dann sei sie allenfalls "so gut wie" ein Neubau, ohne indessen als echter Neubau zu gelten. Ein abgefaulter Tragbalken könne den baldigen Einsturz des Gebäudes wahrscheinlich machen. Deswegen werde aber noch niemand die Einziehung eines neuen Balkens als Neuschaffung von Wohnraum betrachten. Entsprechendes gelte von der völligen Dacherneuerung, von der Neuaufführung der Seitenwände und ähnlichen Maßnahmen. Bauliche Maßnahmen an Wohnungen, die - wie im vorliegenden Falle - grundrißmäßig nicht geändert würden, seien für den Sprachgebrauch immer Reparaturen. Den Bescheinigungen der Stadtverwaltung komme keine Bindung für das Finanzgericht zu. Sie seien lediglich eine Unterlage für die Würdigung, die Entscheidung habe das Finanzgericht selbst zu treffen. Es sei zuzugeben, daß die sogenannten Generalreparaturen dem Wohnungsneubau sehr stark nahekommen würden. Sie ihnen gleichzusetzen, führe aber zu Unterscheidungen, die praktisch nicht durchführbar seien. Es wäre hierbei in sachlicher Beziehung zu klären, in welchen Fällen die durchgreifenden Reparaturen als normale Reparaturen und in welchen Fällen sie als steuerlich begünstigter Wohnungsbau zu behandeln seien. Es sei dies eine so gut wie unlösbare Aufgabe. Es müsse angenommen werden, daß § 7 c EStG nur den echten Wohnungsneubau begünstige. Dabei könne es nicht entscheidend sein, ob die Erhaltungskosten den vermutlichen Neubaukosten gleichkommen. Im vorliegenden Falle seien die Räume bereits vor Durchführung des Bauvorhabens bewohnt gewesen. Sie seien also nicht erst in Wohnräume umgewandelt worden. Es sei zutreffend, daß bei Auslegung des § 7 c EStG nicht kleinlich verfahren werden dürfe. Dies könne aber nicht dazu führen, dort, wo lediglich Reparaturen durchgeführt würden, ihn anzuwenden. Das Finanzgericht sei durch die Bescheinigung der Stadtverwaltung nicht gebunden (siehe Urteil des Reichsfinanzhofs II 418/37 vom 6. Mai 1938, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1938 S. 829, Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs II 30/49 vom 24. Februar 1950, Steuerrechtskartei, Grunderwerbsteuergesetz § 1 Rechtsspruch 2, Urteil des Bundesfinanzhofs II 143/51 S vom 2. April 1952, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 134).

Demgegenüber vertritt die Rechtsbeschwerde (Rb.) die Auffassung, daß die Voraussetzungen des § 7 c auch dort erfüllt seien, wo ein Haus sich in einem Zustand befinde, der nach baupolizeilichen Gesichtspunkten die weitere Benutzung unmöglich mache. Im vorliegenden Falle sei Wohnraum für vier Familien erhalten geblieben. Dies sei durch die Stadtverwaltung bestätigt worden. Dem Finanzamt stehe nicht das Recht zu, diese Bestätigung seinerseits sachlich zu würdigen und sie im Ergebnis nicht anzuwenden. Eine andersartige Auffassung würde dazu führen, daß man die Hausbewohner für einige Monate hätte ausquartieren müssen, um formal zu erreichen, daß unbewohnte Räume, die gleichzeitig unbewohnbar seien, in bewohnbaren Zustand gebracht würden.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. muß der Erfolg versagt werden.

Streitig ist im Ergebnis, ob im vorliegenden Falle durch das Darlehen "der Bau von Wohnungen" gefördert worden ist. In den Einkommensteuer-Richtlinien 1951 wird in Abschnitt 74 b zu dem strittigen Rechtsproblem folgendes ausgeführt: "Werden z. B. bei einem alten Mietwohngrundstück die oberen Stockwerke, die bisher zerstört oder unbewohnt waren, mit Zuschüssen oder unverzinslichen Darlehen aufgebaut und erfüllen die hierdurch neu geschaffenen Wohnungen die sonstigen Voraussetzungen des § 7 c EStG 1950 oder des § 7 c Abs. 2 EStG 1951, insbesondere auch hinsichtlich der vorgeschriebenen Größe, Ausstattung und Miete, so ist § 7 c EStG 1950 oder § 7 c EStG 1951 anzuwenden." Dieser Auffassung pflichtet der Senat grundsätzlich bei. Die Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt, insbesondere in der Zeit vor der Währungsumstellung und auch in dem hier strittigen Jahre 1949, haben aber dazu geführt, daß Räume als Wohnungen benutzt werden mußten, die gesundheitsschädlich waren und nach den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften nicht mehr hätten benutzt werden dürfen. Das Fehlen von Wohnraum machte die Räumung gesundheitsschädlicher Wohnungen vielfach unmöglich. Soweit derartige Zustände nicht in Einzelschäden der Wohnräume begründet sind (Fensterschäden und dergleichen), sondern in dem Gesamtzustand des Raumes, müssen die Räume den unbewohnten Räumen gleichgestellt werden.

Es ist denkbar, daß alte Häuser, deren Nutzungszeit nach allgemeinen Gesichtspunkten beendet ist, und die abgebrochen werden müßten, um Bauland für einen Neubau zu schaffen, aus Gründen, die außerhalb bautechnischer Erwägungen stehen, insbesondere kulturellen Gründen (Erhaltung alter Fachwerkbauten, Gründe der Familienüberlieferung) nicht abgebrochen, sondern vollständig erneuert werden, und auf diese Weise das Gepräge des alten Hauses behalten. Derartige Bauten müssen Neubauten gleichgestellt werden und können nicht mehr als Reparatur im Sinne der Ausführungen des Finanzgerichts angesehen werden. Man wird jedoch diese Voraussetzungen nur dort als gegeben ansehen können, wo der Gesamtaufwand einem Neubau in Verbindung mit einem Abbruch des alten Gebäudes im wesentlichen gleichkommt und durch das zuständige Stadtbauamt bescheinigt wird, daß das Haus verbraucht ist und die Wohnungen nach allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften nicht mehr benutzbar sind. Diese Einschränkung ist erforderlich, da § 7 c EStG 1949, wie bereits das Finanzgericht ausgeführt hat, die Schaffung neuen Wohnraums verlangt.

Im vorliegenden Falle war das Gebäude stets bewohnt. Selbst während der Bauarbeiten wurden die Wohnungen nicht geräumt. Das Finanzgericht ist auf Grund seiner Würdigung des Tatbestandes zu der Auffassung gekommen, daß trotz des hohen Aufwandes keine "neuen" Wohnungen im Sinne der obigen Ausführungen geschaffen worden sind, sondern daß es sich, wirtschaftlich betrachtet, lediglich um eine Generalreparatur handelt. Das Finanzgericht konnte zu dieser Feststellung auf Grund seiner Würdigung des Tatbestandes kommen. Sie weist keinen Verstoß im Sinne des § 288 der Reichsabgabenordnung (AO) auf und ist deshalb für den Bundesfinanzhof bindend. Das Finanzgericht war an die im Einspruchsverfahren abgegebene Erklärung der Stadtverwaltung nicht gebunden. Es müssen für derartige gutachtliche äußerungen von Behörden die Grundsätze gelten, wie sie in dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 52/50 U vom 1. März 1951, BStBl. III S. 120, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen (Bay. FMBl.) S. 312, ausgesprochen sind. Die Erklärungen von Behörden bilden eine wesentliche Grundlage für die Beurteilung einer Streitfrage. Sofern nicht gewichtige Gründe dagegen sprechen, werden die Steuerbehörden ihnen beitreten. Etwaige Meinungsverschiedenheiten werden im gegenseitigen Benehmen zu klären sein. Die gutachtliche äußerung entbindet aber die Steuerbehörden nicht von ihrem Recht und ihrer Pflicht, die endgültige Entscheidung selbst zu treffen.

Im vorliegenden Falle hat das Finanzgericht eine eigene Würdigung vorgenommen. Für diese Würdigung könnte sprechen, daß die Stadtverwaltung im Berufungsverfahren lediglich ausführt, ein Teil der Gebäude hätte abgebrochen und neu erstellt werden müssen, um das Gebäude vor dem Verfall zu schützen. Des weiteren erörtert die Stadtverwaltung nur noch die Räumung des Gebäudes während der Durchführung der Bauarbeiten. Der große Aufwand der Bfin. ist auch nach der Würdigung des Finanzgerichts verständlich, wenn man berücksichtigt, daß die Verhältnisse seit 1939 bis zur Währungsumstellung die Durchführung von Reparaturen in beachtlichen Umfang unmöglich machten.

Die Rb. muß als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407525

BStBl III 1953, 9

BFHE 1954, 22

BFHE 57, 22

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