Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Befreiungsvorschrift für den Grundstückserwerb zur Schaffung von Kleinwohnungen ist nicht anwendbar, wenn ein auf einem anderen Grundstück errichteter Kleinwohnungsbau auf das erworbene Grundstück "verrollt" wird.

 

Normenkette

GrEStG § 4/1/1/a

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.), ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen, erwarb ein unbebautes Grundstück. Auf diesem Grundstück wurde ein Kleinwohnungsbau im Sinne der Vorschriften über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen in der Weise "errichtet", daß ein solches Gebäude, das seit 1940 auf einem nahegelegenen Grundstück stand und Neubauten weichen mußte, oberhalb der Kellermauern gelöst und im Wege der "Verrollung" auf das erworbene unbebaute Grundstück transportiert und auf das dort hergerichtete Fundament aufgesetzt wurde. Die Bfin. hat vorgetragen, daß im Falle des Scheiterns des Versuchs des Verrollens der ursprüngliche Plan, das Gebäude abzubrechen, ausgeführt und ein neuer Kleinwohnungsbau auf dem unbebauten Grundstück errichtet worden wäre. Die Verrollung habe für die Eigentümerin des Gebäudes zur Erzielung von wissenschaftlichen und technischen Erfahrungen dienen und für die Bfin. auf schnellstem und billigstem Wege Wohnraum schaffen sollen. Die Verrollung ist geglückt.

Die Vorbehörden haben die begehrte Befreiung des Erwerbs des Grundstücks aus § 4 Abs. 1 Ziff. 1 Buchstabe a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) mit der Begründung versagt, daß unter der dort vorgesehenen "Schaffung" von Kleinwohnungen eine Neuschaffung von Kleinwohnungen zu verstehen sei, während im Streitfall nur vorhandene Kleinwohnungen verlagert worden seien.

 

Entscheidungsgründe

Der Rechtsbeschwerde (Rb.) muß ebenfalls der Erfolg versagt bleiben.

Dem Finanzgericht ist darin beizupflichten, daß unter der Schaffung von Kleinwohnungen im Sinne der angezogenen Vorschrift die Neuschaffung von Kleinwohnungen zu verstehen ist. Das ergibt sich aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck des Gesetzes, den Kleinwohnungsbau durch Gewährung von Grunderwerbsteuerfreiheit zu fördern. Geschaffen sind solche Wohnungen im Streitfall nicht.

Ist hierdurch die Vorentscheidung insoweit unbedenklich zutreffend, so ist jedoch zuzugeben, daß die Beantwortung der weiteren Frage, von der die Entscheidung letztlich abhängt, Zweifeln begegnen kann. Diese Frage geht dahin: Ist es zulässig, das Geschehen des Streitfalls, nämlich die Verrollung des Gebäudes mit den schon vorhandenen Kleinwohnungen, einer Neuschaffung von Kleinwohnungen mit Rücksicht darauf gleichzustellen, daß das Gebäude, wenn man eine Verrollung noch nicht gekannt hätte oder eine solche mißglückt wäre, abgebrochen worden oder zu Bruch gegangen und ein Neubau errichtet worden wäre.

Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, daß die gegebenen Vorgänge für die Zwecke der Beurteilung nach dem GrEStG so hinzunehmen sind, wie sie sich abgespielt haben, nicht so, wie sie hätten gestaltet werden können. Wenn es sich hierbei auch regelmäßig um Fälle gehandelt hat, in denen den Beteiligten mehrere Gestaltungsmöglichkeiten zu freiem Belieben offen gestanden haben, so muß die Berücksichtigung dessen, was tatsächlich geschehen ist, auch im Streitfall Platz greifen, wo die Bfin. und der die Verrollung ausführende frühere Eigentümer des Gebäudes sich nach ihrem Vortrag verpflichtet gefühlt haben, die in Gestalt des Gebäudes vorhandenen wirtschaftlichen Werte zu erhalten.

Wenn die Bfin. in der Rb. auf die Vermehrung von Wohnraum (verglichen mit der Sachlage nach durchgeführtem Abbruch) abstellt, so ist damit nichts gewonnen. Es bleibt dabei, daß eine Vermehrung des Wohnraums nicht stattgefunden hat, wenn man den tatsächlich gegebenen Sachverhalt, das heißt die Verrollung des Gebäudes, der Entscheidung zugrunde legt. Es ist richtig, daß die Grunderwerbsteuerbefreiung zu gewähren gewesen wäre, wenn das alte Haus mit größter Vorsicht abgebrochen und das neue Haus aus den Abbruchsteilen aufgebaut worden wäre; dann wäre aber doch ein Gebäude neu geschaffen worden.

Daß die Bfin. zur Unterbringung der früheren Mieter des verrollten Gebäudes neuen Wohnraum geschaffen hat, kann hier, wo es sich um die Besteuerung des Erwerbs des Grundstücks handelt, auf das das alte Haus verbracht worden ist, keine Berücksichtigung finden.

Nach alledem gelangt der Senat zu der Auffassung, daß das Finanzgericht die Befreiung aus § 4 GrEStG zu Recht versagt hat.

Ebenso verhält es sich mit der vom Finanzgericht gleichfalls abgelehnten Anwendung des § 7 des Gesetzes über die Grundsteuerfreiheit und Gebührenfreiheit für den sozialen Wohnungsbau vom 28. November 1949 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1950 S. 30).

Darnach konnte der Rb. nicht stattgegeben werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408325

BStBl III 1955, 381

BFHE 1956, 470

BFHE 61, 470

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