Zufluss von Kapitaleinnahmen aus Schneeballsystemen

Zu Einnahmen aus Kapitalvermögen kommt es auch dann, wenn der Betreiber eines Schneeballsystems den Anlegern die Wiederanlage der abgerechneten Erträge nahelegt, um den Zusammenbruch des Schneeballsystems zu verhindern, die vom Anleger angeforderten Teilbeträge jedoch auszahlt.

Hintergrund

Bereits im Jahr 2010 hat der BFH entschieden, dass Gutschriften aus sog. Schneeballsystemen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen, wenn der Betreiber des Schneeballsystems bei entsprechendem Verlangen des Anlegers zur Auszahlung der gutgeschriebenen Beträge leistungsbereit und leistungsfähig gewesen wäre. An der Leistungsbereitschaft des Betreibers des Schneeballsystems – so der BFH – könne es aber dann fehlen, wenn dieser auf den Auszahlungswunsch des Anlegers hin die sofortige Auszahlung ablehnt und stattdessen über andere Zahlungsmodalitäten verhandelt (BFH, Urteil v. 16.3.2010, VIII R 4/07, BStBl II 2014 S. 147). Diese Rechtsprechung hat der BFH mit der vorliegenden Entscheidung noch einmal bestätigt. Darüber hinaus hat der BFH nun klargestellt, dass es einer Verweigerung oder Verschleppung der Auszahlung nicht gleichsteht, wenn der Betreiber des Schneeballsystems den Anlegern die Wiederanlage der abgerechneten Erträge nahelegt, um den Zusammenbruch des Systems zu verhindern, die vom einzelnen Anleger angeforderten Teilbeträge jedoch auszahlt.

A hatte mit dem Betreiber eines Schneeballsystems (S) eine Vereinbarung über eine hochverzinsliche Kapitalanlage getroffen. Daraus erhielt er Gutschriften über Zinserträge, die er sich teilweise auszahlen ließ und teilweise wieder anlegte. Da das Anlagekapital  zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr vorhanden war, forderte der S den A und die übrigen Anleger telefonisch auf, den fälligen Zinsbetrag erneut anzulegen. Kamen die Anleger dieser Aufforderung nicht nach, erfüllte er die Auszahlungswünsche. Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung besteuerte das Finanzamt sowohl die ausgezahlten als auch die wieder angelegten Beträge als Einnahmen aus Kapitalvermögen. Das Finanzgericht gab der Klage des A  teilweise statt. Es verneinte hinsichtlich der nicht ausgezahlten und wieder angelegten Beträge einen Zufluss von Einkünften aus Kapitalvermögen mit der Begründung, dass S als Anlagebetrüger kein leistungswilliger und leistungsfähiger Schuldner gewesen sei.

Entscheidung

Der BFH gab dem Finanzamt Recht; er hob das finanzgerichtliche Urteil auf und wies die Klage des A ab. Nach den Grundsätzen, die der zur Besteuerung von Einkünften aus der Beteiligung an einem sog. Schneeballsystem entwickelt habe, sei hier auch bei den wieder angelegten Beträgen von einem Zufluss von Kapitalerträgen auszugehen.

Nach Auffassung des BFH hat das Finanzgericht bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit und -willigkeit des Schuldners S zu Unrecht auf die Verhältnisse abgestellt, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bekannt waren. Entscheidend ist – wie der BFH wiederholt entschieden hat – die Sicht des Leistungsempfängers (Kapitalanlegers) in dem Zeitpunkt, in dem er aus seiner Sicht die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Einnahme erstmals erlangt hat (vgl. z.B. BFH, Urteil v. 14.12.2004, VIII R 5/02, BStBl II 2005, S. 739). Da A  die in den Abrechnungen ausgewiesenen Beträge entweder abrufen oder wieder anlegen konnte, war S aus dessen Sicht zu diesem Zeitpunkt leistungsbereit und leistungswillig. Ob die die in den Abrechnungen ausgewiesenen Zinsansprüche angesichts der vom Finanzgericht festgestellten Deckungslücke zwischen den Forderungen aller Anleger und dem bei S vorhandenen Kapital hätten befriedigt werden können, wenn alle Anleger gleichzeitig eine Auszahlung der gutgeschriebenen Erträge verlangt hätten, ist nach Meinung des BFH nicht von Bedeutung.

Hinweis

Die vom II. Senat des BFH – ausdrücklich nur für Zwecke der Vermögensteuer – herangezogene Betrachtungsweise, die Tilgungsbestimmungen des Betreibers eines Schneeballsystems seien unwirksam und die Auszahlungen nach der Auslegungsregelung  des § 366 Abs. 2 BGB jeweils als Rückzahlung des Anlagekapitals zu werten, ist für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung nicht maßgeblich. Denn die zivilrechtliche Rechtslage ist einkommensteuerrechtlich insoweit unerheblich, wie sich aus § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG ergibt. Einkommensteuerrechtlich ist für die Abgrenzung, ob eine Rückzahlung der Anlagesumme oder eine Zinsauszahlung vorliegt, allein an die Tilgungsbestimmungen des Betreibers bei Auszahlung anzuknüpfen, selbst wenn diese Auszahlung zivilrechtlich mangels eines entstandenen Zinszahlungsanspruchs unwirksam sein sollte (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH, Urteil v. 30.10.2001, VIII R 15/01, BStBl II 2002, S. 138).

Urteil v. 11.2.2014, VIII R 25/12, veröffentlicht am 30.4.2014

Alle am 30.4.2014 veröffentlichten Entscheidungen im Überblick