Schönheits-OP ist keine umsatzsteuerfreie Heilbehandlung

Eine ästhetische Operation ist nur dann als umsatzsteuerfreie Heilbehandlung zu werten, wenn der Eingriff aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels erforderlich ist.

Hintergrund

K betreibt eine Klinik, in der sie durch approbierte Ärzte vorwiegend ästhetisch-chirurgische Maßnahmen wie Fettabsaugungen, Gesichtsstraffungen usw. durchführt. Sie ging für das Streitjahr 2002 davon aus, dass ihre Leistungen nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei seien. Das FA unterwarf die Umsätze der Umsatzsteuer und berücksichtigte einen Vorsteuerabzug.

Auch vor dem FG blieb K der Erfolg versagt. Das FG meinte, eine Gesundheitsstörung könne nur durch eine Begutachtung nachgewiesen werden, die allerdings das Einverständnis der Patienten voraussetze. Da K jedoch keine Einverständniserklärungen vorgelegt habe, sei eine weitere Sachaufklärung nicht möglich und somit der Nachweis nicht erbracht.

Entscheidung

Die Steuerfreiheit setzt voraus, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt. Heilbehandlungen dienen der Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen. Sie müssen einen therapeutischen Zweck haben. Leistungen zu anderen Zwecken sind keine Heilbehandlungen.

Ästhetische Operationen und Behandlungen fallen unter den Begriff der Heilbehandlung nur dann, wenn sie dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder die Gesundheit aufrechtzuerhalten. Dabei können die gesundheitlichen Probleme auch "psychologischer Art" sein. Ein Eingriff zu rein kosmetischen Zwecken genügt nicht. Eine ärztliche Leistung, die im Hauptziel nicht den Schutz der Gesundheit bezweckt, ist nicht steuerfrei. Auch für die Steuerfreiheit von Schönheitsoperationen ist daher erforderlich, dass sie dem Schutz der Gesundheit dienen. 

Im Bereich ästhetisch-chirurgischer Maßnahmen, die sowohl der Heilbehandlung als auch kosmetischen Zwecken dienen können, kommt es daher auf eine Einzelfallprüfung an. Anders als das FG meint, setzt diese Prüfung indes nicht die Einverständniserklärung der Patienten in die Vorlage der Patientenakten voraus. Denn es ist durchaus möglich, die Begutachtung ebenso auf der Grundlage anonymisierter Patientenunterlagen vorzunehmen. Dazu ist die Einwilligungserklärung der Patienten nicht erforderlich. Ist es somit zulässig und für das FG entsprechend möglich, anonymisierte Patientenunterlagen zu berücksichtigen, muss das FG diese heranziehen und unter Auswertung durch einen Sachverständigen den Sachverhalt aufklären. Das FG kann sich nicht darauf berufen, mangels Einverständniserklärung seien keine auswertbaren Unterlagen vorhanden. Der Fall sei daher wegen der Unmöglichkeit weiterer Ermittlungen nach der Feststellungslast zu entscheiden.

Das FG ist daher zu Unrecht davon ausgegangen, dass es zu einer Erforschung der einzelnen Behandlungsfälle nur dann verpflichtet gewesen wäre, wenn die Patienten in die Offenbarung der Behandlungsergebnisse eingewilligt hätten. Das FG-Urteil wurde aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Dieses muss auf der Grundlage anonymisierter Patientenunterlagen ein Gutachten über die mit den einzelnen Operationen verfolgten Zwecke einholen.

Hinweis

Gegenstand der Entscheidung ist § 4 Nr. 14 a.F. UStG. Das Problem des Nachweises einer medizinischen Heilbehandlung stellt sich in gleicher Weise für die Neufassung durch das JStG 2009. Mit der Parallelentscheidung vom 4.12.2014, V R 16/12, hat der BFH ebenfalls zur Steuerfreiheit von Schönheitsoperationen entschieden und in diesem Fall das FG-Urteil bestätigt. Das FG hatte ein Sachverständigengutachten eingeholt, das - wie vom BFH für zutreffend befunden - aufgrund anonymisierter Patientenakten zu dem Ergebnis kam, dass der größte Teil der Eingriffe medizinisch indiziert war. Dementsprechend war der Klage zum Teil stattzugeben. 

Das Problem derartiger Fälle liegt somit in der Einzelfallprüfung, die nur durch einen Gutachter erbracht werden kann. Diese ist unter größtmöglicher Wahrung des zwischen Arzt und Patienten bestehenden Vertrauensverhältnisses durchaus auch anhand anonymisierter Patientenunterlagen möglich. Auf dieser Grundlage muss das FG Beweis über die einzelnen Behandlungsfälle erheben. Erst wenn das anonymisiert vorgelegte Material nicht ausreicht, um den Heilbehandlungscharakter nachzuweisen, darf das FG nach der Feststellungslast entscheiden, die die Klinik als denjenigen trifft, der die Steuerfreiheit geltend macht.

Der BFH erwähnt ergänzend, dass z.B. ein Steuerberater Postausgangsbücher oder Fahrtenbücher insoweit nicht vorzulegen hat, als sich aus ihnen Namen von Mandanten ergeben. Die Heranziehung anonymisierter Unterlagen steht jedoch dem Vertrauensverhältnis zum Mandanten nicht entgegen. Das FG - und dementsprechend auch das FA - darf daher die Sachaufklärung nicht mit dem Hinweis auf eine unbefugte Geheimnisoffenbarung ablehnen. Vor einer Entscheidung nach der Feststellungslast muss das FG erwägen, ob im konkreten Fall das Beweismaß gegenüber dem Regelbeweis zu reduzieren ist. Das Beweismaß kann sich dabei auf eine "größtmögliche Wahrscheinlichkeit" reduzieren, wenn die Sachaufklärung im Hinblick auf den gesetzlichen Schutz des Arzt-Patientenverhältnisses nicht in der eigentlich gebotenen Weise durchgeführt werden kann.

Grundsätzlich lässt sich der Entscheidung entnehmen, dass in Fällen, in denen es dem Beteiligten nicht möglich ist, zum Nachweis geeignete Unterlagen vorzulegen, das FG nicht ohne Weiteres die Akten schließen und nach der Feststellungslast entscheiden kann. Vielmehr hat das FG zu überlegen, ob nicht andere Möglichkeiten bestehen, mit "größtmöglicher Wahrscheinlichkeit" Feststellungen zu treffen.  

BFH, Urteil v. 4.12.2014, V R 16/12, veröffentlicht am 18.2.2015

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