Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung zum Erlass von Grundsteuer wegen wesentlicher Ertragsminderung

Hintergrund
Nach § 33 Abs. 1 GrStG in der bis 2007 geltenden Fassung bestand ein Anspruch auf Teilerlass der GrSt bereits dann, wenn der tatsächliche Rohertrag aus der Vermietung oder Verpachtung eines bebauten Grundstücks in einem Jahr um mehr als 20 % niedriger als der normale Rohertrag war und der Steuerschuldner die Mindereinnahmen nicht zu vertreten hatte. Waren diese Voraussetzungen erfüllt, war die GrSt in Höhe des Prozentsatzes zu erlassen, der vier Fünfteln des Prozentsatzes entsprach, um den der tatsächliche Rohertrag niedriger als der normale Rohertrag war. Nach der ab 2008 geltenden Neuregelung besteht ein Anspruch auf Teilerlass erst dann, wenn der tatsächliche Rohertrag in einem Jahr um mehr als 50 % niedriger als der normale Rohertrag ist. Zudem ist die Steuer in diesem Fall nur in Höhe von 25 % zu erlassen. Wird überhaupt kein Rohertrag erzielt, ist die GrSt in Höhe von 50 % zu erlassen.
Der Eigentümer eines Gebäudes beantragte für 2008 unter Hinweis auf die nur teilweise Vermietung einen Teilerlass der GrSt wegen Minderung des normalen Rohertrags um 43,85 %. Das FA lehnte dies mit der Begründung ab, nach der - rückwirkend anwendbaren - Neuregelung sei eine Minderung um mehr als 50 % erforderlich.
Entscheidung
Wie das FG entschied auch der BFH, dass die Neufassung des § 33 Abs. 1 GrStG und deren rückwirkende Anwendung auf das Jahr 2008 nicht verfassungswidrig sind.
Der Gesetzgeber konnte aufgrund des ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraums bei der Abwägung der Interessen der Steuerpflichtigen mit dem Interesse der Gemeinden am Steueraufkommen zu dem Ergebnis kommen, dass es den Steuerpflichtigen zumutbar ist, die volle GrSt zu entrichten, wenn der Rohertrag nicht um mehr als 50 % gemindert ist. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die GrSt als Realsteuer grundsätzlich unabhängig von den persönlichen Verhältnissen und der Leistungsfähigkeit des Eigentümers erhoben wird. Außerdem dient die Neufassung der Verwaltungsvereinfachung.
Auch die Rückwirkung in 2008 ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der BFH hatte zur früheren Regelung - unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung - entschieden, dass eine zu einem GrSt-Erlass führende Ertragsminderung auch dann vorliegt, wenn sie strukturell bedingt und nicht nur vorübergehender Natur ist. Das berechtigte den Gesetzgeber, bereits für 2008 einen Ausgleich für die zu erwartenden Mindereinnahmen der Gemeinden zu schaffen. Unter Berücksichtigung dieses gesetzgeberischen Ziels einerseits und des Vertrauensschutzes der Steuerpflichtigen andererseits erscheint die Rückwirkung nicht unverhältnismäßig. Denn im Vergleich zu den Grundstücksverkehrswerten ist der entfallende Anspruch auf den Steuererlass relativ unbedeutend, insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass die GrSt als Betriebsausgaben/Werbungskosten abziehbar ist.
Hinweis
Es handelt sich um einen Fall sog. unechter Rückwirkung. Eine solche ist unter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und des Vertrauens des Einzelnen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - anders als bei echter Rückwirkung - grundsätzlich zulässig.
Der BFH hatte nicht zu prüfen, ob die Anknüpfung der GrSt an die Einheitswerte für die Jahre ab 2008 noch verfassungsgemäß ist. Denn die Rechtmäßigkeit des Einheitswerts, des GrSt-Messbetrags und der festgesetzten GrSt sind nicht Gegenstand eines auf Erlass von GrSt gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens.
BFH Urteil vom 18.04.2012 - II R 36/10 (veröffentlicht am 30.05.2012)
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